/fileadmin/images/logo.svg

Artikel werden durchsucht.

«Ich wollte schon immer tausend Kühe melken»

Marlies und Othmar Hebler melken Kühe und vermarkten Milch – wie viele Schweizer Bauern auch. Nur leben Heblers in Neuseeland und dort gibt es kein Geld vom Staat. Dafür verdienen die Farmer viel mehr als die Normalbevölkerung, die meisten Milchfarmer sind richtig reich.

Eveline Dudda, lid |

 

 

Marlies und Othmar Hebler melken Kühe und vermarkten Milch – wie viele Schweizer Bauern auch. Nur leben Heblers in Neuseeland und dort gibt es kein Geld vom Staat. Dafür verdienen die Farmer viel mehr als die Normalbevölkerung, die meisten Milchfarmer sind richtig reich.

Während Marlies Hebler die letzten Kühe zum Melkstand treibt, trotten die ersten Kühe in einer langen Kolonne bereits wieder zurück auf die Weide. Die Herde ist in zwei Gruppen aufgeteilt: Sonst würden die 450 Kühe alle gleichzeitig vor dem Melkkarussell warten. Das bringt aber nur mehr Gülle, statt mehr Milch. Und Milch ist schliesslich das Hauptprodukt auf dem Betrieb von Marlies und Othmar Hebler in Hawera, Region Taranaki, Neuseeland.

1,6 Mio. Kilo Milch

Sie produzieren viel davon: Letztes Jahr lieferten sie der Genossenschaft Fonterra 1,6 Mio. Kilo Milch ab. Im laufenden Milchjahr dürften es 15 Prozent mehr sein. "Vor dreissig Jahren wollten die wenigsten Schweizer Bauern mit uns tauschen", erzählt Othmar Hebler, "damals hatten wir einen Milchpreis von fünfzehn Rappen." Doch das hat sich gründlich verändert. In Neuseeland wird die Milch nicht nach Kilo, sondern nach Milchinhaltsstoffen bezahlt.

Heblers Jerseykühe liefern viel Fett, und damit auch "Milksolids", weshalb Heblers im Dezember 2013 umgerechnet 60 Rappen für jedes Kilo Milch erhielten – und das bei Produktionskosten die deutlich tiefer sind als in der Schweiz. Kein Wunder, ist die Milchproduktion in Neuseeland in den letzten Jahren zu einem "Multi-Millionen-Dollar-Business" geworden. Bei diesem Preisniveau lohnt es sich vermehrt Mais und "Crops" (Ackerfrüchte wie Rüben) anzubauen, um die Raygras-Weissklee-Weide zu ergänzen.

"Wenn wir damit 450 Kühe vier Wochen länger melken können, spürt man das schon." Als Ergänzung gibt es Palmkernextrakt aus der Palmölproduktion auf den Philippinen, weil das "extrem einfach zu füttern ist" und billig dazu. Doch auch die saisonale, weidebasierte Produktion trägt natürlich zu den tiefen Produktionskosten bei: Im Winter steht das Melkkarussell still.

 

Die Bauern sind Neuseeland Rückgrat

Neuseeland ist der weltgrösste Milch- und Lammfleischexporteur. Die Exporteinnahmen des Inselstaates werden zu 70 Prozent von der Land- und Forstwirtschaft und der Fischerei erwirtschaftet, zum Brutto-Inlandprodukt trägt die Primärindustrie 12% bei. Neben 4 Mio. Menschen lebten 2012 in Neuseeland rund 5 Mio. Milchkühe, 22 Mio. Schafe, 4 Mio. Rinder und 1 Mio. Hirsche. In futterwüchsigen, eher flachen Regionen dominiert die weidebasierte Milchviehhaltung. In den hügeligen und sommertrockenen Gebieten halten die Farmer vor allem Schafe, Fleischrinder oder Hirsche. In klimatisch idealen Regionen wird Getreide-, Obst-, Wein- und Gemüsebau betrieben.

In Neuseeland gibt es keine Subventionen, höchstens Formen staatlicher Unterstützung. So übernimmt zum Beispiel der Staat die Unfallversicherung für die Landwirtschaft. Ausserdem investiert das Ministry for Primary Industries derzeit umgerechnet 50 Mio. Fr. in den Aufbau neuer Märkte und die Entwicklung innovativer Produkte. Denn die Regierung hat sich zum Ziel gesetzt, den Exportwert der Branche in den nächsten zehn Jahren auf rund 50 Milliarden Franken zu verdoppeln. ed

 

Vom Sharemilker zum Farmbesitzer

Doch jetzt ist in Neuseeland gerade Sommer, weshalb Marlies einer Kuh nach der anderen das Melkzeug anhängt. Othmar schaut unterdessen nach den Kälbern und erzählt: "Ich wollte schon immer tausend Kühe melken." Mit diesem Ziel vor Augen ist er 1979 von der Schweiz nach Neuseeland ausgewandert. Er hat klein angefangen, war mit 85 Kühen auf einer 36 Hektar-Farm "Sharemilker", was bedeutet, dass er den Erlös der Milch mit dem Besitzer der Farm teilte (share = teilen), anstelle Pacht zu zahlen.

In Neuseeland ist dies der typische Einstieg in eine Farmerkarriere, etwa jede dritte Milchfarm wird von einem Sharemilker bewirtschaftet. Den Verdienst investierte das junge Paar in Kühe, zog damit auf eine grössere Farm, kaufte noch mehr Kühe. 1989 wurden die beiden zum "Sharemilker-of-the-Year" gekürt. 1992 erwarben sie ihre erste Farm. Es blieb nicht die einzige: Um die Jahrtausendwende besassen Heblers drei Farmen mit tausend Kühen. So gesehen war Othmar am Ziel seiner Träume angelangt. Doch er stellte fest: "Die guten Farmmanager gehen nach einem Jahr wieder, die weniger guten bleiben."

Die Probleme mit den Managern machten dem Paar zu schaffen. Und als drei ihrer Kollegen an Herzinfarkt starben, sagte sich Othmar: "Ich will nicht der Reichste auf dem Friedhof sein." Heblers verkauften eine Farm und stellten ihre Kühe auf "once-a-day" um, seither melken sie nur noch einmal am Tag und sind happy dabei: "Das hätten wir schon viel früher machen sollen, die Lebensqualität hat sich massiv verbessert." Auf die Milchleistung hatte die Umstellung wenig Einfluss, denn die Kühe können länger ruhen und mehr Gras fressen, weil sie nur noch einmal am Tag den langen Weg zum "Milkshelter" zurücklegen müssen.

 

Preise in Neuseeland

1 Liter Trinkmilch: 1,80 bis 2,50 Franken
1 Poulet: 10 bis 13 Fr.
1 kg Rindshackfleisch: 8 bis 10 Fr.
1 kg Lammkeule: 10 Fr.
1 Batterie-Ei: ca. 25 Rp
1 Freiland-Ei: ca. 40 Rp.

Landwirtschaftliche Mitarbeiter verdienen rund 35'000 bis 40'000 Fr., Manager von Milchfarmen werden mit 55'000 Fr entschädigt. Am besten verdienten in den letzten Jahren die Milchfarmer: Viele von ihnen wurden reich. Zahlen und

Umrechnungskurs: Dezember 2013, 1 Fr. = 1.34 NZD
Quellen: NZ Statistics, Federated Farmers, eigene Notierungen in Supermärkten 

 

Immer mehr Vorschriften

Hawera liegt nahe am Meer und nicht weit vom Vulkan Taranaki entfernt. Das Klima ist mild, es gibt im Jahr höchstens zwei, drei Tage Frost. Ställe braucht es in dieser Gegend keine. Die Kühe, Rinder und Kälber sind das ganze Jahr auf der Weide. Wasser hat es ebenfalls genug: Heblers haben eine leistungsfähige Grundwasserpumpe, die selbst mit einem sommerlichen Tagesbedarf von 40'000 Liter nicht überfordert ist.

Bislang ist das Wasser gratis. Allerdings führt der Staat gerade Umfragen zum Wasserverbrauch durch und inspiziert die Farmen. Heblers gehen deshalb davon aus, dass ab 2015 mit dem neuen Gesetz über die Frischwassernutzung auch eine Wassergebühr eingeführt wird. Für eine mögliche, künftige Güllelagerpflicht sind Heblers bereits gewappnet: Sie sammeln das Abwasser des Melkstands in einem Gülleteich. Othmar: "Früher haben wir die Gülle tag-täglich mit einem Verteiler ausgebracht." So wie das die meisten Farmer machen. Doch nun können Heblers die Gülle gezielter ausbringen und damit umweltfreundlicher.

Ansehen der Farmer nicht hoch

Das ist wichtig: Denn obwohl die Milchwirtschaft das Zugpferd von Neuseelands Exportwirtschaft ist, ist das Ansehen der Farmer in der Bevölkerung nicht besonders hoch. Marlies: "Es ist, wie wenn man einen herunterziehen will, nur weil man erfolgreich ist." Die "Greenies" aus den Städten sprechen viel von "Dirty Dairy", der schmutzigen Milchproduktion und schieben den Farmern die Schuld an den Nitrat- und Phosphatgehalten in den Gewässern zu. Ohne zu fragen, welchen Beitrag die teils veralteten Kläranlagen der wachsenden Städte oder die Industrie dazu leisten.

Die Politik reagiert mit Auflagen. Marlies seufzt: "Es gibt immer mehr Vorschriften, bald haben wir so viel Bürokratie wie die Bauern in Europa." So weit ist es zwar noch lange nicht. Zumal die Bauern möglichen Verboten oft vorgreifen, indem sie zum Beispiel freiwillig Bäche auszäunen oder erosionsgefährdete Hänge aufforsten. Auch in dieser Hinsicht waren Heblers übrigens Vorreiter: Sie haben schon vor 20 Jahren Bäume gepflanzt: "Das ist jetzt unsere Altersvorsorge." Steile Wiesen hat es in Hawera genug, denn obwohl das Gelände flach erscheint, ist es von tief eingeschnittenen Tälern durchzogen. "Zwischen dem höchsten und dem tiefsten Punkt der Weiden liegen 200 Höhenmeter Unterschied." Fast wie in der Schweiz.

 

450 Kühe und kein Stall – der Betrieb im Überblick

Arbeitskräfte: Othmar und Marlies Hebler und 1 Mitarbeiter
Betriebsausrichtung: Milchwirtschaft
Fläche: 225 ha Land, davon 136 ha Grünland, Rest Nutz-Wald und "Bush" (Urwald); 14 ha "Run-off" (Winterweide bzw. Fläche zur Futtergewinnung)
Tierbestand: 450 Jerseykühe, 120 Kälber, 35 Ammenkühe; die Aufzucht erfolgt im Aufzuchtvertrag
Gebäude: Melkstand mit Melkkarussel (30 Jahre alt), Maschinenunterstand, gedecktes Futterlager
Maschinen: 12'000 l-Güllefass, Futterwagen für Heuballen. Der Futterbau (Mais und Rübsen) wird im Lohnauftrag erledigt. 

 

Nachfolge in Sicht

Heblers haben drei erwachsene Kinder: Andrea (24) arbeitet auf der RaboBank als Agro Credit Assistantmanager, Martin (22) ist Bauingenieur in Christchurch. Der älteste, Erwin (25), kehrt nächstes Jahr aus Australien zurück, um die Farm probehalber zu führen. Ob er den Betrieb später einmal übernimmt, ist noch offen. Fest steht nur, dass er dafür viel Geld brauchen wird. Da es in Neuseeland kein bäuerliches Bodenrecht gibt, muss der Betrieb zum Marktpreis übergeben werden und der ist hoch.

Othmar: "Der Wert unserer Farm hat sich innerhalb von zwanzig Jahren verfünffacht." In Neuseeland braucht man keine landwirtschaftliche Ausbildung, um eine Farm zu führen. Aus- und Weiterbildungen für Farmer gibt es aber sehr wohl: Manche Kurse und Lehrgängen können sogar online absolviert werden. Da ist für jeden Farmer das Passende dabei. Und wem es nicht passt: In Neuseeland sind die Farmer flexibel.

Sie kaufen und verkaufen ihre Betriebe nach Belieben. "Im Schnitt zügeln die Farmer hier alle sieben Jahre", weiss Othmar. Sie legen sich auch nicht auf eine Betriebsausrichtung fest: "Es gibt Schaffarmer, die in die Milchwirtschaft einsteigen, oder Rindermäster, die mit der Hirschhaltung beginnen." Je nachdem was der Markt verlangt. Und was der Markt zurzeit verlangt ist klar: Milch.

    Das Wetter heute in

    Umfrage

    Geht Ihr an die Olma?

    • Ja:
      29.38%
    • Nein:
      62.37%
    • Weiss noch nicht:
      8.25%

    Teilnehmer insgesamt: 388

    Zur Aktuellen Umfrage

    Bekanntschaften

    Suchen Sie Kollegen und Kolleginnen für Freizeit und Hobbies? Oder eine Lebenspartnerin oder einen Lebenspartner?