Freihandel mit der EU und den USA würde für die Schweizer Bauern grosse Einkommenseinbussen mit sich bringen. Das sagt eine Igas-Studie. Wir haben bäuerliche Organisationen, welche Igas-Mitglieder sind, dazu befragt.
Bei einem trilateralen Freihandels Schweiz-EU-USA müssten die Schweizer Bauern jährlich 587 Millionen ans Bein streichen. Sowohl die Autoren der Studie wie auch die Igas, welche diese zusammen mit Economiesuisse, Migros und Nestlé in Auftrag gegeben hat, betrachtet aber diesen Verlust als nicht existenzbedrohend für die Schweizer Bauern.
Nicht tragbar
Neben Industrie und Detailhandel sind aber auch mehrere bäuerliche Verbände und Organisationen Mitglied der freihandelsfreundlichen Igas (siehe Kasten). Ihre Mitglieder wären vom prognostizierten Einkommensverlust ebenfalls betroffen. «Der Verlust wäre enorm und nicht tragbar. Die Studie ist eine Schätzung, und es können nie alle Faktoren eingerechnet werden. Es ist wichtig, dass alle Parteien die Fakten erkennen», das sagt etwa Daniel Flückiger von Mutterkuh Schweiz auf die Frage, ob die Verluste, welche bei Rindfleisch gemäss der Studie rund 27% betragen würden, tragbar wären.
Ähnlich tönt es bei Meinrad Pfister, Präsident von Suisseporcs. Schweinefleisch würde gemäss der Studie nur noch 58% des heutigen Preises kosten: «Ohne Begleitmassnahmen wäre ein solcher Preisrückgang sicher nicht verkraftbar. Die Studie zeigt auch deutlich auf, dass eine solche Preiserosion nicht allein mit tieferen Kosten aufgefangen werden kann.»
IP-Suisse begrüsst zwar, dass eine Studie betreffend mögliche Marktöffnung vorliege. Es gelte nun, sich damit vertieft auseinanderzusetzen und daraus die richtigen Schlüsse zu ziehen, sagt der stellvertretende Geschäftsführer Niklaus Hofer. «Selbstverständlich lehnt die IP-Suisse einen jährlichen Verlust von 587 Millionen für die Bauern ab», sagt er aber klar. Preiseinbussen, wie sie die Studie prognostiziere, seien nicht verkraftbar. Positiver sieht es einzig Bio Suisse. «Für die Produzenten ist nicht der Preis entscheidend, sondern was nach Abzug der Kosten im Portemonnaie zurückbleibt. Viele Vorleistungen werden in diesem Fall ja auch billiger, z.B. Traktoren, Diesel oder Saatgut», sagt Sprecher Lukas Inderfurth.
Bio weniger gefährdet
Bioprodukte seien weniger gefährdet, da sie eine starke regionale Komponente hätten, hoch positioniert seien und einen fairen Produzentenpreis erhielten. Inderfurth sieht sogar Exportchancen, weil die Biostandards zwischen EU, Schweiz und USA bereits harmonisiert seien. Auf die Frage, was Bio Suisse namentlich zu einem noch grösseren Importanteil von Bio-Getreide meint, antwortet Inderfuhrt: «Bei TTIP werden besonders sensible Produkte Grenzschutz geniessen, und wir sehen keinen Grund, weshalb dieser ausgerechnet beim Getreide aufgehoben werden sollte. Zudem sehen wir es auch als Chance, dass das Bio-Sortiment durch Importe erweitert und damit Bio für noch mehr Kunden attraktiv wird.»
Einig sind sich jedoch alle vier Verbände darin, dass sie im Falle eines Grenzöffnungsszenarios Begleitmassnahmen fordern. «Jedes Land muss sich unter Berücksichtigung von Umweltschutz, Tierschutz und Sozialem um die nachhaltige Ernährung der Bevölkerung sorgen. Dabei muss die wirtschaftliche Kraft der Schweizer Landwirtschaftsbetriebe erhalten bleiben», fordert etwa Mutterkuh Schweiz. Es brauche eine Diskussion darüber, mit welchen Begleitmassnahmen eine Kompensation überhaupt möglich wäre. «Alle sind gefordert», so Flückiger.
Kompensieren
«Insbesondere unsere hohen Löhne und Baukosten müssen zwingend kompensiert werden können. Solche Forderungen sind legitim, schliesslich kennt die Schweiz auch die flankierenden Massnahmen zum Schutz vor Lohndumping, welche unsere hohen Löhne schützen», sagt Suisseporcs-Präsident Pfister. «Es gilt verbindlich abzuklären, wie der Verlust aufgefangen werden kann. Etwa mit Begleitmassnahmen, Anpassungen der Branche, Kostensenkungen oder Handelsoptionen», sagt IP-Suisse-Sprecher Hofer.
Und auch Bio-Suisse-Sprecher Inderfurth verweist darauf, dass im Modell, das in der Studie angewendet worden ist, noch keine Begleitmassnahmen vorgesehen seien: «Gerade weil die 587 Mio. bedrohlich sind, sollte sich die Branche frühzeitig Gedanken machen.»
Das sagt Studie
Eine Marktöffnung der Schweizer Landwirtschaft wäre zwar eine grosse Herausforderung, aber keine Existenzbedrohung für die Schweizer Bauern. Zu diesem Schluss kommt eine Studie, die von der Interessengemeinschaft Agrarstandort Schweiz (Igas) zusammen mit Economiesuisse, Nestlé und Migros in Auftrag gegeben wurde. Die Studie beschäftigt sich vor allem mit den Auswirkungen des Transatlantischen Freihandelsabkommens (TTIP) auf die Schweiz. Dieses wird seit 2013 zwischen den USA und der EU verhandelt und sieht den Abbau fast aller Zölle und Handelshemmnisse vor. Bei der Igas sind auch diverse bäuerliche Organisationen wie die vier oben zitierten IP-Suisse, Bio-Suisse, Suisseporcs und Mutterkuh Schweiz Mitglied.