Im Kanton Bern sind dies Fruchtfolgeflächen Der Kanton Bern will 5019 ha als zusätzliche Fruchtfolgeflächen (FFF) erfassen. Denn heute weist er weniger FFF aus, als er laut Bund müsste. Bereits das heutige Inventar ist aber nicht aktuell und enthält fragwürdige FFF.
Der Kanton Bern weist per 1.April 2014 nur noch 79026 ha Fruchtfolgeflächen (FFF) aus. Das sind weniger, als ihm der Bund vorschreibt (82200 ha). Der Hintergrund dieser Vorgabe ist ein ernster. «Ein Mindestumfang an Fruchtfolgeflächen wird benötigt, damit in Zeiten gestörter Zufuhr die ausreichende Versorgungsbasis des Landes im Sinne der Ernährungsplanung gewährleistet werden kann.» So steht es in der Raumplanungsverordnung. Der Kanton denkt aber nicht daran, das Zerstören von über Jahrtausenden herangewachsenen FFF mittels Überbauung zu stoppen. Nein, um weitere Bauzonen ausscheiden zu können (laut der Regierung am liebsten rund um die Städte, wo sehr oft die allerbesten FFF liegen) will er zusätzliche FFF erfassen. Insgesamt hat das Amt für Gemeinden und Raumordnung (AGR) 5019 ha zusätzliche FFF ermittelt (vgl. Bilder 4 und 9).
Heutige FFF hinterfragen
Der Kanton hat nun die Gemeinden mit angeblichen Zusatz-FFF angeschrieben (der «Schweizer Bauer» berichtete). Die Gemeinden sind aufgerufen, diese neuen FFF zu überprüfen und allenfalls weitere FFF zu melden, welche die Kriterien des Bundes erfüllen (vgl. Kasten), aber noch nicht erfasst sind. Nicht vorgesehen ist jedoch, dass die Gemeinden die bestehenden FFF hinterfragen. Das wäre allerdings nötig, wie eine kurze Recherche im öffentlich einsehbaren Online-Inventar der FFF und eine ebenso kurze Autofahrt nach Rubigen beweisen (vgl. Bilder 1, 2 und 3). Erich Linder vom AGR nimmt zu diesen drei Bildern wie folgt Stellung: Die Flächen in Bild 1 und 3 erfüllten die Kriterien für eine FFF nicht mehr. 2010 seien sie noch als Acker ausgewiesen worden. «Solche Korrekturen können erst bei der nächsten grösseren Aktualisierung des Inventars vorgenommen werden», betont er. Zu Bild 2 verweist Linder auf die Rekultivierungspflicht für die Grubenbetreiber: «Längerfristig werden die FFF wieder hergestellt werden müssen.»
«Nicht parzellenscharf»
Generell, so Linder, sei das Inventar der FFF eine behördenverbindliche Planungsgrundlage. Das Inventar sei nicht parzellenscharf und müsse es auch nicht sein. Wird allerdings genau hingeschaut, so stellen sich viele Fragen. Bei Landwirt Alfred Chervet in Clavaleyres BE bei Murten etwa ist ein teilweise terrassierter Rebberg mit teilweise eindeutig über 18% Neigung als FFF registriert (Bild 7). Dazu schreibt Linder: «Das Kriterium der Hangneigung ergibt sich aus den Bundesvorgaben. Es muss pragmatisch gehandhabt werden. Wir haben das bei den Zusatzflächen wie folgt umgesetzt: Zusatzflächen, die mehrere Stellen mit einer Hangneigung über 18% aufweisen, gelten in der Beurteilung der Geländeform als ‹unruhig› und werden nicht berücksichtigt.
Eine Zusatzfläche kann dann berücksichtigt werden, wenn der Flächenanteil mit einer Hangneigung >18% nicht grösser als 10% ist. Flächen mit einer Hangneigung von >25% dürfen nicht vorkommen.» Es zeigt sich also, dass der Kanton Bern das Kriterium des Bundes dehnt, ja eigentlich mehr als ausreizt.
Bis ganz an den Wald
Die FFF reichen etwa bei Stöckli-Gebäuden bis ganz an die Hauswand, auch wenn es wie in einem Fall in Clavaleyres eine asphaltierte Zufahrt hat. Und nicht nur bei Chervet reichen die FFF im heutigen Inventar bis ganz an den Waldrand. Dies betrifft im ganzen Kanton Bern wohl Tausende von Kilometern Waldrand. Dabei müssen die Landwirte im ÖLN bei Wäldern und Hecken einen Pufferstreifen von mindestens drei Metern einhalten, sonst verstossen sie gegen den ÖLN. Auch könnte der Pflug auf Wurzeln stossen, wenn einmal wirklich bis ganz an die Bestockung heran gepflügt werden sollte. Dazu, so schreibt Linder, gebe es keine Kriterien: «Im Inventar wird kein fixer Waldabstand vorgesehen.» Das gleiche gilt für Wege und Strassen, bei denen der Landwirt einen Abstand von mindestens 50 cm einhalten muss.
Auch die Flächen im Gewässerabstand, welche die Kriterien gemäss Bund erfüllen, werden im Inventar des Kantons Berns ausgewiesen, so Linder. Das sei mit dem Bund so abgesprochen. Böden, die von ihrer physischen Eignung her ackerfähig seien, könnten in diesem Sinne bis nahe ans Bachbord heranreichen. Unter anderem zu Bild 6 betont Linder: «Das Inventar der FFF erhebt nicht den Anspruch, die FFF metergenau darzustellen.»
2010 zuletzt überprüft
Mit Blick auf Bild 10 fordert Chervet eine kantonale Bodenkartierung, um die FFF zu erheben. Dazu sagt Linder: «Eine Bodenkartierung, wie sie der Kanton Zürich hat, würde für den Kanton Bern über 70 Mio. Franken kosten. Das konnte sich der Kanton Bern bisher nicht leisten. Er strebt aber an, die Grundlagen über die Böden im Kanton Bern zu verbessern.» Zum heutigen Inventar der FFF erklärt Linder, es sei Anfang der 1980er-Jahre erstellt und seither mehrmals aktualisiert worden. Eine Aktualisierung des Inventars bezüglich der Abgrenzung zu den Bauzonen könne jeweils dann vorgenommen werden, wenn die Bauzonen im digitalen Übersichtszonenplan nachgeführt würden.
Eine Aktualisierung der übrigen Abgrenzungen, insbesondere bezüglich baulichen Veränderungen ausserhalb der Bauzone und Veränderungen der Bodenbedeckung (Wald, Gewässer usw.) sei wesentlich aufwendiger und werde deshalb nur bei grösseren Nachführungen gemacht. «Eine letzte generelle Überprüfung des Inventars haben wir 2010 vorgenommen», sagt Linder. Im Übrigen werde eine Überprüfung der Inventarflächen nur dort vorgenommen, wo eine Fläche im konkreten Fall bestritten sei.
Fazit: Würde ganz genau hingeschaut, die Kriterien überall strikt eingehalten und müsste jeder einzelne Quadratmeter der ausgewiesenen FFF noch einen akzeptablen Ertrag abwerfen (was ja im Krisenfall so wäre), so hätte der Kanton Bern klar weniger als die heute inventarisierten 79026 ha FFF.
Kriterien für Fruchtfolgeflächen
Fruchtfolgeflächen (FFF) umfassen ackerfähiges Kulturland, vorab Ackerland und Kunstwiesen in Rotation sowie ackerfähige Naturwiesen. Der Bund gibt die folgenden Qualitätskriterien vor:
- Klimaeignung: Das Klima muss eine genügend lange Vegetationszeit aufweisen, damit Ackerbau möglich ist. Gemäss Klimaeignungskarte des Bundes kommen dafür die Kategorien A, B, C und D1–4 infrage.
- Hangneigung kleiner als 18% (maschinelle Bewirtschaftbarkeit)
- Gründigkeit des Bodens 50 cm oder mehr (Fruchtbarkeit des Bodens)
Mindestfläche in der Regel 1 ha oder mehr (rationelle Bewirtschaftbarkeit).