Die beiden jungen Älplerinnen Stefanie Huber und Melissa Wyss führen eine von fünf Sennten auf der Engstlenalp BE. Zwei aufgestellte Powerfrauen, angesteckt mit dem Älpler-Virus und grossem Sinn für das Einfache. Mit Video und Bildergalerie
Die 22-jährige Stefanie Huber aus Hasliberg BE ist Älplerin aus Leidenschaft. Das Älpler-Virus hat sie bereits im Alter von 10 Jahren gepackt. Ihre Schulferien verbrachte die aufgestellte Steffi jeden Sommer auf der Alp. Immer wenn die Ferien zu Ende waren, flossen Tränen. Nicht wie man denken könnte, weil der Schulalltag wieder einkehren würde, sondern weil sie von der Alp wieder hinunter ins Tal musste. Nach ihrer Ausbildung zur Schreinerin beschloss sie, schnellstmöglich selber «z’Alp» zu gehen.
«Mädchentraum»
Ihr Vater führt einen Landwirtschaftsbetrieb in Hasliberg BE, zudem steht ihm ein Senntum auf der Engstlenalp zu. Und so kam Stefanie dazu, ihren Mädchentraum zu verwirklichen und den Sommer mit den Kühen und Rindern auf der Alp zu verbringen. Hubers sömmern ihre eigenen- sowie die Kühe von vier weiteren Bauern. Melissa Wyss (21) aus Grindelwald, ebenfalls gelernte Schreinerin, verbringt dieses Jahr den ersten Sommer mit Stefanie auf Engstlen.
Die beiden harmonieren wunderbar. Beide jung, beide bodenständig, humorvoll, hilfsbereit und «gwärchig». Apropos hilfsbereit, die beiden Sennerinnen führen eine von fünf Sennten auf der Engstlenalp. Die übrigen vier werden demnach von anderen Älplern bewirtschaftet. Insgesamt werden 170 Kühe und gegen 200 Rinder auf der 1834 m.ü.M. gelegenen Engstlenalp gesömmert.
Älplerabend auf Engstlen
«Das Schöne hier oben ist, dass man sich gegenseitig hilft.» Wenn also eine Kuh nicht bei guter Gesundheit ist, oder sonst irgendwo etwas fehlt, unterstützen wir einander gegenseitig. «Der Zusammenhalt mit den anderen Sennen ist in diesem Sommer besonders toll. Oft kommen die anderen zu uns und nehmen mit uns «Znüni oder Zvieri».
Manchmal halten wir auch einfach spontan am Mittwoch einen «Älplerabend» ab. Da wird gegessen, getrunken, geredet, gesungen, vor allem viel gelacht» schwärmt Stefanie Huber. Der Sommer auf der Alp ist zwar streng, aber schön. «Hier oben merkt man, in welch einem Überfluss wir unten im Tal leben» meint Stefanie weiter. Nach diesem Sommer sieht Melissa vor, wieder ihrem Beruf als Schreinerin nachzugehen. Stefanie plant, übernächsten Winter die Bäuerinnenschule auf dem Inforama in Hondrich zu absolvieren. Ab Juni will sie aber wieder auf die Alp.
10 Sommer auf der Alp
Sie hat sich vorgenommen, mindestens 10 Sommer auf der Alp zu verbringen. Und so geht die Suche nach einem «Nebensenn» für den nächsten Sommer los. Ob es sich dabei um eine Frau oder einen Mann handelt, ist Stefanie Huber völlig egal. «Was super wäre, wenn sie oder er gut in der Klauenpflege bewandert wäre» sagt Stefanie mit einem Lächeln. Und dies obwohl sie selber, den Grundkurs zur Klauenpflege besucht hat. Huber hat zusätzlich einen Kurs «Homöopathie für Tiere» absolviert. Mit diesem Wissen kann Stefanie viele kleine Blessuren der Kühe und Rinder selber pflegen.
Für alles was nicht mit Homöopathie zu bekämpfen ist, ist schnell ein Tierarzt zur Stelle. So auch, als an einem Nachmittag beim Eintreiben der Tiere, bei einer Kuh eine grosse Wunde am Hals entdeckt wurde. Am Abend zuvor stiessen die beiden Sennerinnen auf eine faustgrosse Beule am Hals von Kuh Fanny. «Sie hat aber normal gefressen. Am nächsten Morgen floss bei ihr jedoch weniger Milch als gewohnt in den Kessel. Gefressen hat sie aber nach wie vor» sagt Meslissa. Weil der Tierarzt sowieso wegen einer lahmen Kuh vor Ort war, konnte er Fanny sofort untersuchen. Die Haut löste sich bereits grossflächig und sie blutete. «Eindeutig ein Schlangenbiss» meinte der Tierarzt. Nach der Behandlung durfte Fanny wieder in den Stall zu den anderen Kühen.
Vertrauen der Bauern
Auf die grosse Verantwortung auf der Alp angesprochen, antwortet Stefanie: «Die Bauern vertrauen uns im Frühling ihr Vieh an. Wir geben unser Bestes, die Tiere nach der Sömmerung im Herbst wieder gesund ins Tal bringen zu können.» Zurzeit greifen den Sennerinnen zwei «Ferienkinder» tatkräftig unter die Arme. Zum einen Tamara, eine von drei Schwestern von Stefanie.
Zum anderen verbringt der 12-jährige «Älpler-Bueb» Yanik strenge Ferien auf Engstlen. Bereits seit anderthalb Wochen steht er den beiden Älplerinnen tatkräftig zur Seite. Auf die Frage, ob ihn denn nicht langsam das Heimweh plage, meint er: «Wenn ich meine Eltern und mein zu Hause vermisse, so greife ich zum Telefonhörer. Weil aber unsere Kühe hier bei Hubers auf der Alp sömmern, kommt das Heimweh etwas weniger auf.»
Ein Tag auf der Alp
Frühmorgens um vier Uhr klingelt der Wecker im einfachen Schlafzimmer, oberhalb des Stalles. Die Kühe werden eingestallt und gemolken. Danach bringt Stefanie mit dem Quad Töff die Milch zur nahe gelegenen Schaukäserei. Die Kühe dürfen bereits wieder raus. Währenddessen beginnt Melissa mit dem Putzen der Ställe. Denn die beiden melken jeweils 29 Kühe im einen- und 25 im anderen Stall. Stefanie hilft nach dem Gang zur Käserei beim Putzen. Anschliessend machen sie sich auf den Weg zu den Galtkühen. «Wir vermuten, dass sich bei Kuh Flori eine Mastitis entwickelt, also suchen wir sie» erklärt Melissa.
Danach wird der Käse geschmiert. Wenn der Käse zirka 6 Wochen alt ist, wird er von der Schaukäserei in den Spycher verlagert, nach Bauern in den Regalen aufgeteilt und alle zwei Tage gepflegt. Mittagszeit: Stefanie bereitet das Mittagessen zu. In der Sennhütte gibt es Strom und fliessend Wasser, sogar eine Gefriertruhe und ein Backofen stehen in der sonst sehr einfachen Küche. Am Nachmittag starten die beiden ihren Quad-Töff und fahren dem schönen Engstlensee entlang zur Talstation der Jochpass-Sesselbahn. Mit dieser gelangen sie nach oben, um abwärts marschierend die Rinder zu besuchen. Mit einer Liste werden alle Ohrmarkennummern kontrolliert und die Gesundheit der Tiere beurteilt. Die zutraulichen Rinder werden mit Salz belohnt.
Die Aussicht, welche die Tiere im Sommer auf der Engstlenalp geniessen dürfen, ist einzigartig. Ist der Blick nach unten gerichtet, präsentiert sich der tiefblaue Engstlensee, aufwärts schauend, eröffnet sich die Sicht Richtung Titlis oberhalb Engelberg OW. Nach dem alle Rinder gesichtet wurden, steht bereits wieder das Treiben der Kühe über die grosse Fläche der Alp Weide in den Stall auf dem Programm. Es ist bereits wieder Melkenszeit, die Abendmilch wird danach in die Käserei gebracht. Gegen 19 Uhr dürfen die Kühe wieder raus. Die Sennten sprechen sich dabei ab und lassen die Tiere jeweils gleichzeitig auf die Weide. Danach werden die Ställe erneut gemistet und geputzt. Bevor nach einem langen und strengen Tag der Feierabend winkt.