Der Schweizer Bauerverband (SBV) will die Initiative zusammen mit einer Allianz mit Tourismus und Energiewirtschaft bodigen. Doch gerade letztere scheut eine solche Abstimmung und kämpft für einen neuen Gegenvorschlag, der aber erst als Skizze vorliegt.
Zerreissprobe bei Bio Suisse
Die Umweltverbände und Bio Suisse appellieren an den Ständerat, doch noch einen Gegenvorschlag zu machen. Bio Suisse droht eine interne Zerreissprobe: Die Konsumenten erwarten ein Ja zur Initiative, während einige bürgerlich tickende Bio-Suisse-Mitglieder auch bedenken werden, was es bedeuten könnte, wenn in der Bundesverfassung stünde:
Artikel 78a: 1. In Ergänzung zu Artikel 78 sorgen Bund und Kantone im Rahmen ihrer Zuständigkeiten dafür, dass: (…) c. die zur Sicherung und Stärkung der Biodiversität erforderlichen Flächen, Mittel und Instrumente zur Verfügung stehen. 2. Der Bund bezeichnet nach Anhörung der Kantone die Schutzobjekte von gesamtschweizerischer Bedeutung. Die Kantone bezeichnen die Schutzobjekte von kantonaler Bedeutung.
30% der Landesfläche
Der Bundesrat hat an der Internationalen Biodiversitätskonferenz in Montreal im Dezember 2022 das Ziel von 30% Biodiversitätsvorrangflächen bis ins Jahr 2030 unterschrieben. Der Schweizer Bauernverband geht davon aus, dass diese 30% der Landesfläche in der Schweiz erreicht werden müssten, was die Landwirtschaft, die Alpwirtschaft und die Waldwirtschaft stark tangieren könnte, weil zusätzliche Flächen nötig seien. Der SBV will darum im Abstimmungskampf, den er schon vorbereitet, die Initiative als «extrem» brandmarken.
Er wird betonen, wie viele Ökoflächen die Schweizer Landwirtschaftsbetriebe schon angelegt hätten, wie viele Obstbäume und Hecken etc. gepflegt würden. Die Bundesverwaltung und auch Bundesrat Albert Rösti sagen, die 30% seien ein globales Ziel, die nicht von jedem Land einzeln erreicht werden müssten, und wenn man wirklich alle heute vorhandenen Flächen zusammenzähle, erreiche man schon fast das nötige Quorum.
Dem Bundesrat geht die Initiative zu weit. Er beschloss Ende 2020, ihr einen indirekten Gegenvorschlag entgegenzustellen. Die Regierung will etwa festlegen, dass Biodiversitäts- und Schutzgebiete insgesamt 17 Prozent der Schweizer Landesfläche ausmachen sollen. Diese Zahl strich der Nationalrat aus der Vorlage. Es sei besser, qualitative Vorgaben zu machen.
«Handlungsbedarf bei Biodiversität ist dringend»
Die Befürworter eines Gegenvorschlags argumentieren damit, dass die Biodiversität messbar zurückgegangen sei und der Handlungsbedarf nicht nur gegeben, sondern absolut dringend sei. Der vom Bundesamt für Umwelt neu skizzierte Gegenvorschlag verspricht, dass er auf die Qualität und die Aufwertung bestehender Biodiversitätsförderflächen fokussiert und keine zusätzlichen Ökoflächen will. Vielmehr soll in den Siedlungsgebieten die Biodiversität gefördert werden. So wollte man den Bauernverband ins Boot holen.
Dieser aber fürchtet, dass bei einer Öffnung des Geschäfts in der Debatte neue Forderungen aufkommen und eingebracht werden, wie es etwa mit dem Nährstoffabsenkpfad geschehen ist, der in die Parlamentarische Initiative 19.475 Eingang fand, obwohl diese den Titel «Die Risiken beim Einsatz von Pestiziden reduzieren» und es zuerst geheissen hatte, es gehe nur um Pflanzenschutzmittel.
Nun, der Bauernverband ist nicht im Boot, aber seine Verbündeten auf der bürgerlichen Seite fällt es jetzt noch schwerer als vorher, erneut für Nichteintreten auf einen Gegenvorschlag zu stimmen, wenn es heisst, es liege ein Gegenvorschlag vor, der die Interessen der Bauernfamilien berücksichtige. Darum wird bis am Donnerstag um die Stimmen der Ständeräte gekämpft werden.
Die Biodiversitätsinitiative will nach Angaben der Initianten den Schutz der Natur, der Landschaft und des baukulturellen Erbes der Schweiz als gemeinsame Aufgabe von Bund und Kantonen stärken. Sie will erreichen, dass die erforderlichen Flächen und Mittel für die Sicherung der gefährdeten Biodiversität, der Lebensräume und der Artenvielfalt zur Verfügung stehen.