Der Bundesrat hat am Mittwoch den Vorschlag für einen direkten Gegenentwurf zur Initiative des Schweizer Bauernverbandes SBV in die Vernehmlassung geschickt.
Mit dem Gegenentwurf soll gemäss einer Mitteilung die Ernährungssicherheit in einem umfassenden Sinn langfristig sichergestellt werden. Die Vernehmlassung dauert bis am 14. April 2015.
Die am 8. Juli 2014 eingereichte Volksinitiative „Für Ernährungssicherheit" will insbesondere die Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln aus einheimischer Produktion stärken. Der Bundesrat anerkennt, dass die Schweizer Landwirtschaft mit ihrer Produktion einen wichtigen Beitrag zur Versorgung leistet. Eine einseitige Fokussierung auf die Inlandproduktion greift jedoch zu kurz.
Neben der Inlandproduktion sind für die Ernährungssicherheit auch die Produktionsgrundlagen, die Wettbewerbsfähigkeit der Wertschöpfungskette, die Lebensmittelimporte und der Konsum von Bedeutung. "Mit dem direkten Gegenentwurf werden diese Elemente in ein umfassendes und kohärentes Gesamtkonzept integriert", heisst es in der Mitteilung des Bundesrates.
Mit dem direkten Gegenentwurf wolle der Bundesrat eine langfristig ausgerichtete Antwort geben auf die künftigen Herausforderungen, die sich beispielsweise aus dem Bevölkerungswachstum und der Verknappung der natürlichen Ressourcen ergeben.
Für Volksinitiativen zur Lebensmittelproduktion sammeln zurzeit auch die Bauerngewerkschaft Uniterre und die Grünen Unterschriften. Und die IG Hornkuh will mit der Hornkuh-Initiative erreichen, dass Bauern besondere finanzielle Unterstützung erhalten, wenn ihre ausgewachsenen Kühe, Stiere und Ziegen Hörner tragen.
Vergleich Initiativen SBV und Gegenentwurf
Bei einem Vergleich der Texte von Initiative und Gegenentwurf fällt auf, dass es mehr Unterschiede als Gemeinsamkeiten gibt:
Gemeinsamkeiten:
1. Kulturlandschutz: Die Volksinitiative will „den Verlust an Kulturland“ stoppen. Der Gegenentwurf will die Grundlagen für die landwirtschaftliche Produktion „insbesondere des Kulturlandes“ sichern.
2. Nachhaltige Produktion: Die Volksinitiative will Lebensmittel aus „vielfältiger und nachhaltiger“ Produktion. Der Gegenentwurf will eine „standortangepasste und ressourceneffiziente“ Produktion von Lebensmitteln.
Unterschiede:
1. Formelles Vorgehen: Die Volksinitiative will den Artikel 104 der Bundesverfassung ergänzen. Der Gegenentwurf den Artikel 102.
2. Menge der produzierten Lebensmittel: Die Volksinitiative will die Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln stärken. Der Gegenentwurf will die Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln nur „sicherstellen“ und nicht stärken.
3. Grenzöffnung: Die Volksinitiative setzt den Akzent bei den Lebensmitteln explizit „aus vielfältiger und einheimischer Produktion“. Der Gegenentwurf betont im Gegenteil den „Zugang zu den internationalen Agrarmärkten“. Der Gegenentwurf will zudem„eine wettbewerbsfähige Land- und Ernährungswirtschaft“. Das deutet darauf hin, die Agrarbranche wettbewerbsfähig für eine Grenzöffnung zu machen.
4. Administrativer Aufwand: Der Administrative Aufwand soll mit der Initiative gesenkt werden. Im Gegenentwurf fehlt er.
5. Food Waste: Der Gegenentwurf will „einen ressourcenschonenden Konsum von Lebensmitteln“. Die Initiative sagt nichts dazu.
Der Wortlaut des Gegenvorschlags
Bundesbeschluss über die Ernährungssicherheit
(Gegenentwurf zur Volksinitiative «Für Ernährungssicherheit»)Die Bundesversammlung der Schweizerischen Eidgenossenschaft, gestützt auf Artikel 139 Absatz 5 der Bundesverfassung1, nach Prüfung der am 8. Juli 20142 eingereichten Volksinitiative «Für Ernährungssicherheit», nach Einsicht in die Botschaft des Bundesrates vom …3, beschliesst:
I
Die Bundesverfassung wird wie folgt geändert:
Art. 102a Ernährungssicherheit
Zur Sicherstellung der Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln schafft der Bund Rahmenbedingungen, welche die Nachhaltigkeit unterstützen und günstig sind für:
a. die Sicherung der Grundlagen für die landwirtschaftliche Produktion, insbesondere des Kulturlandes;
b. eine standortangepasste und ressourceneffiziente Produktion von Lebensmitteln;
c. eine wettbewerbsfähige Land- und Ernährungswirtschaft;
d. den Zugang zu den internationalen Agrarmärkten;
e. einen ressourcenschonenden Konsum von Lebensmitteln.
II
Dieser Gegenentwurf wird Volk und Ständen zur Abstimmung unterbreitet. Sofern die Volksinitiative «Für Ernährungssicherheit» nicht zurückgezogen wird, wird er zusammen mit der Volksinitiative nach dem Verfahren gemäss Artikel 139b der Bundesverfassung Volk und Ständen zur Abstimmung unterbreitet.