«Initiative hat wenig Fleisch am Knochen»Der Schweizerische Bauernverband (SBV) will mit einer Volksinitiative die Versorgung mit einheimischen Nahrungsmitteln stärken. Doch gemäss Paul Richli, Rechtsprofessor an der Uni Luzern, tut sie das nicht.
«Schweizer Bauer»: Sie haben sich in der «Zentralschweiz am Sonntag» recht kritisch zum Text der SBV-Initiative geäussert. Bringt denn diese aus Ihrer Sicht nichts?
Paul Richli: Nichts tönt vielleicht etwas hart. Aber Tatsache ist, dass die im SBV-Text vorgeschlagenen rechtlichen Grundlagen schon vorhanden sind. So kann man das Kulturlandschon heute ausreichend schützen. Vor allem, wenn man das Raumplanungsrecht mit in Betracht zieht. Dort ist bereits ein haushälterischer Umgang mit dem Boden und der Schutz der Fruchtfolgeflächen vorgesehen.
Die Raumplanung ist ein Aspekt der Initiative. Ein anderer ist die Stärkung der wirtschaftlichen Position der Bauern. Was bringt die Initiative hier?
Wir haben schon heute im Artikel 5 des Landwirtschaftsgesetzes die Verpflichtung, dass über mehrere Jahre gesehen vergleichbare Einkommen mit der übrigen Bevölkerung erreicht werden sollten. Ich habe schon vor Jahren darauf hingewiesen, dass das, was das Bundesamt für Landwirtschaft macht, problematisch ist. Denn das BLW interpretiert Artikel 5 so, dass nur das beste Quartil, also die 25 Prozent der Betriebe, welche am besten wirtschaften, ein mit der übrigen berufstätigen Bevölkerung vergleichbares Einkommen haben sollten. Das ist problematisch. Von mir aus gesehen sollte das Vergleichseinkommen von mindestens 50 Prozent der Bauern und nicht nur von den besten 25 erreicht werden können. Das Vergleichseinkommen wäre aber nichtdestotrotz also schon lange in unserem Recht verankert.
Dann orten Sie eher ein Umsetzungsproblem?
Ja, es ist ein Umsetzungs- und nicht ein Kompetenzproblem. Die rechtlichen Grundlagen wären gegeben.
Im vom SBV vorgeschlagenen neuen Artikel 104a der Bundesverfassung wird gefordert, dass der Bund die Versorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln aus nachhaltiger inländischer Produktion stärken soll. Würde dies den Selbstversorgungsgrad stärken?
Im SBV-Text steht im Grunde ja gar nichts drin zum Selbstversorgungsgrad. Die Förderung einer nachhaltigen inländischen Produktion steht schon heute im Verfassungsartikel. Wir haben hier keine wirkliche Zielsetzung von einem Anteil drin. Das ist im neusten Entwurf des anderen Initiativtexts der Gruppe um Nationalrat Rudolf Joder (SVP, BE) besser. Dort steht, dass eine möglichst grosse Selbstversorgung anzustreben sei. Das ist zwar schwächer als im ersten Entwurf, aber es ist besser, als wenn man sagt stärkt. Beim Initiativtext von Joder ist trotzdem noch immer eindeutig mehr Fleisch am Knochen als beim SBV-Vorschlag.
Sie haben die Initiative der Gruppe Joder angesprochen. Diese Gruppe hatte als Erste die Idee für eine Initiative gehabt. Sie haben da offenbar selber auch mitgewirkt?
Ich hatte mit dem SBV keinen Kontakt, während ich hingegen von Rudolf Joder angesprochen wurde. Ich bin kein Aktivist, sondern Rechtsberater. Ich würde in keinem Komitee mitmachen und es ist auch nicht so, dass ich den Inhalt in allen Teilen unterstützen würde.
Sie haben aber am Text mitgewirkt?
Ja, ich habe Nationalrat Joder davon überzeugt, einiges aus dem erstem Entwurf rauszustreichen, weil es wegen der WTO-Bestimmungen nicht durchsetzbar gewesen wäre.
Der SBV will in seinem Text nichts gegen zusätzliche Liberalisierungen machen. Die Gruppe Joder hingegen möchte, dass zunehmende Importe kompensiert werden müssten. Wie würde das umgesetzt?
Wenn man liberalisiert und mehr Ware hineinkommt, sinken dadurch die Preise. Kompensation heisst deshalb, dass die wegen der Importzunahme sinkenden Produktepreise und dadurch sinkenden Einkommen durch mehr Bundesmittel, sprich durch mehr Direktzahlungen kompensiert werden müssten. Allenfalls könnte man auch mehr Geld fürs Marketing ausgeben. Sehr viel andere Kompensationsmöglichkeiten kann ich mir nicht vorstellen.
Wie können Sie sich erklären, dass der SBV eine Initiative präsentiert, welche gemäss Ihrer Einschätzung kaum etwas bringt?
Ich bin mir nicht sicher, ob der SBV mit seinem Vorschlag konkret viel erreichen will oder ob er nicht ganz einfach der Gruppe Joder den Wind aus den Segeln nehmen will.