Andreas Blank, Verwaltungsratspräsident der Schweizer Zucker AG, sagt, was ihn am «Rundschau»-Beitrag ärgerte, wie sich die Zuckerrübenpreise entwickeln und welche Forderungen er an die AP22+ hat.
«Schweizer Bauer»: Der Süssgetränkehersteller Red Bull profitiert indirekt von Zahlungen an die Bauern. Das berichtete die «Rundschau» des Schweizer Fernsehens SRF. Es wird von Misswirtschaft gesprochen. Was sagen Sie dazu?
Andreas Blank: Wenn Landwirtschaftsprodukte subventioniert werden, profitieren von den Bundesgeldern indirekt auch diejenigen, die das Produkt, wie etwa in der Schoggi- und Biscuitindustrie, verarbeiten, auch der Endverbraucher. Die Berichterstattung in der «Rundschau» zum Thema Zucker ist ärgerlich. Es ist bedenklich, dass derart einseitig und unvollständig berichtet wurde.
Nennen Sie mir ein Beispiel.
Im Beitrag wird behauptet, dass bei Red Bull Geld «versickere», weil einerseits die Zuckerrübenpreise gesunken und andererseits die Subventionen erhöht worden seien. Das sind «Fake-News» (Falschnachrichten).
Weshalb?
Seit der Aufhebung der Zuckerproduktionsquote und der Exportlimite in der EU im Jahr 2017 wurden die Produktionsmengen dort massiv erhöht. Die Preise fielen in den Keller. Das führte auch in der Schweiz zu tieferen Zuckerpreisen und damit zu tieferen Zuckerrübenpreisen. Gleichzeitig mussten die Subventionen erhöht werden, dass überhaupt noch produziert werden konnte.
Man kann also nicht von Misswirtschaft sprechen.
Wenn wir in der Schweiz eine nachhaltige Lebensmittelproduktion wollen, muss dies vom Bund unterstützt werden. Und diese Inlandproduktion stellt niemand infrage.
Trotzdem müssten Unternehmen wie Red Bull bereit sein, für bessere Rübenpreise mehr für nachhaltigen Schweizer Zucker zu bezahlen.
Wir wünschten uns, dass die Industrie mehr für Schweizer Zucker bezahlt. Denn Schweizer Zucker hat einen Mehrwert. Schweizer Zucker ist insbesondere deutlich nachhaltiger als EU-Zucker. Der Bundesrat hat aber bereits 2005 mit der «Doppel-Null»-Lösung entschieden, dass verarbeiteter Zucker weder im Import noch im Export verzollt wird. Demzufolge darf der Preisunterschied zwischen dem EU-Raum und der Schweiz nicht zu gross sein. Sonst hätte die verarbeitende Industrie nicht gleich lange Spiesse.
Unternehmen wie Red Bull würden bei einem höheren Zuckerpreis also auf EU-Zucker ausweichen.
Das könnte die Folge sein. Der Preis ist auch für Red Bull ein wichtiges Kriterium.
Red Bull hat mit seiner Marktmacht viel Verhandlungsmacht. Ist das nicht problematisch?
Die Preisunterschiede sind nicht gross. Oft sind es mehrjährige Kontrakte. Alleine aus diesem Grund fallen die Preise unterschiedlich aus.
25% des Zuckers
Red Bull ist in den vergangenen 15 Jahren zum wichtigsten Abnehmer von Schweizer Zucker aufgestiegen. 2005 wurde die Produktion im Widnau im St. Galler Rheintal aufgenommen. Red Bull hat im vergangenen Jahr weltweit rund 7,5 Milliarden Dosen seiner Getränke verkauft. Knapp die Hälfte der Dosen dürfte in der Schweiz hergestellt worden sein. Jede Büchse enthält 27 Gramm Zucker. Gesamthaft wurden 2019 in der Schweiz 240000 Tonnen Zucker produziert. Ein Viertel – rund 60'000 Tonnen – davon nimmt Red Bull ab. blu
Sie wollen die Landwirte wieder vermehrt für den Zuckerrübenanbau begeistern. Mit welchen «Zückerchen»?
Selbst die EU-Produzenten konnten in den letzten Jahren mit den tiefen Preisen nicht mehr leben. Die Rübenproduktion geht wieder zurück, einzelne Zuckerfabriken haben schliessen müssen. Deshalb haben wir nun steigende Preise. Wie erwartet kommen wir aus der Talsohle heraus.
Welche Forderungen stellen Sie an die AP22+?
Wir werden dafür kämpfen, dass der bis Ende 2021 befristete Einzelkulturbeitrag von 2100 Fr./ha und auch der Mindestgrenzschutz beibehalten wird. Mir bereitet Sorge, dass der Selbstversorgungsgrad mit der AP22+ entgegen früherer Versprechungen des Bundesrates reduziert werden soll. Hoffentlich führt die Coronavirus-Epidemie zu einem Umdenken. Nur mit Globalisierung und Freihandel steht die Schweiz in solchen Krisen schlecht da.
Wie geht die Schweizer Zucker AG mit den Pflanzenschutz-Initiativen um?
Wir nehmen das Thema sehr ernst, und es stellt uns vor grosse Herausforderungen. Weil Pflanzenschutzmittel in jedem Fall unter Druck geraten werden, wollen wir uns weiterentwickeln, etwa im Bereich des Smart Farming.
SRF stellt Red Bull als Profiteur hin
Der Süssgetränkehersteller Red Bull profitiere indirekt von Zahlungen an die Bauern. Das berichtete vergangene Woche die «Rundschau» des Schweizer Fernsehens SRF. Die Zuckerpreise sind seit Jahren auf Talfahrt. «Wenn die Preise nicht stimmen, kann man mit einem Kunden nicht zufrieden sein», sagte Josef Meyer, Präsident der Schweizer Zuckerrübenproduzenten, zur «Rundschau». Red Bull setze die Schweizer Bauern mit den Preisen von EU-Zucker unter Druck, so Meyer. Das wirkt sich auf die Produktion aus. Die Zuckerrübenfläche in der Schweiz ist seit Jahren rückläufig. 2019 bauten noch 4500 Landwirte auf rund 18000 Hektaren Rüben an. 2017 und 2018 wurden noch auf über 19000 Hektaren Rüben kultiviert. In den vergangenen vier Jahren haben 400 Bauern die Produktion aufgegeben.
Obwohl der Bund mehr Zahlungen ausrichtet, sind die Preise gesunken. Mittlerweile haben sie sich auf tiefem Niveau stabilisiert. Doch im System läuft einiges schief. Der Bund hat gemäss «Rundschau» die Zuckerrübenproduzenten 2019 mit 36 Millionen Franken unterstützt. Die wahren Profiteure dieser Steuergeld-Millionen waren gemäss dem TV-Sender nicht die Bauern, sondern die Grossabnehmer des Zuckers – Red Bull, Migros, Coop und die Schoggihersteller. «Wenn Subventionen an Bauern gezahlt werden, wird ein geringerer Preis bezahlt. Auf diese Art gehen Subventionen indirekt an die Nachfrager», sagte Mathias Binswanger, Professor für Ökonomie an der Fachhochschule Nordwestschweiz, gegenüber der «Rundschau». blu