Will die Menschheit nicht nur die Klimaerwärmung stoppen, sondern auch andere Schäden wie steigende Meeresspiegel oder schrumpfende Ernten verhindern, muss sie deutlich weniger CO2 ausstossen als angepeilt. Zu diesem Schluss kommen Berner Forscher nach der Berechnung von diversen Szenarien.
Nach all den zähen Verhandlungen konnte sich die Welt knapp auf ein Ziel einigen: Der Klimagasausstoss soll so weit reduziert werden, dass die globale Temperatur nicht mehr als zwei Grad über das Niveau zu Beginn der Industrialisierung steigt. So könnten die schlimmsten Konsequenzen des Klimawandels abgewendet werden, so die Hoffnung.
Dies könnte aber ein Trugschluss sein, warnt nun das Forscherteam vom Oeschger-Zentrum für Klimaforschung der Universität Bern: Um auch andere Nebenwirkungen des Klimawandels - wie den Anstieg des Meeresspiegels, die Versauerung der Ozeane oder Ertragsausfälle in der Landwirtschaft - zu verhindern, müsse noch viel mehr Kohlendioxid eingespart werden, schreiben sie im Fachblatt «Nature».
Doppelte Reduktion nötig
«Wenn wir alle Ziele zusammen berücksichtigen, muss der CO2-Ausstoss doppelt so stark reduziert werden wie wenn wir einzig das Zwei-Grad-Ziel erreichen wollen», sagte Hauptautor Marco Steinacher in einer Mitteilung der Uni Bern vom Mittwoch. Insbesondere um die Versauerung der Ozeane zu stoppen, die Korallenriffe schädigt, müsste der CO2-Ausstoss massiv reduziert werden.
Die Modellrechnungen zeigten nämlich deutlich, dass Kohlendioxid (CO2) der Haupttreiber dieser Entwicklungen ist, erklärte Mitautor Fortunat Joos der Nachrichtenagentur sda. Andere Klimagase wie Methan oder Lachgas (N2O) fielen weniger ins Gewicht. Der einzige Weg, um diese Ziele zu erreichen, führe somit über eine Reduktion der Verbrennung von fossilen Energieträgern, sagte er.
Schwellenwerte berechnen
Grundlage der Berechnungen ist eine breite Palette von Treibhausgas-Szenarien, die auf realistischen Annahmen über die künftige wirtschaftliche Entwicklung basieren. Das Modell, das die Berner hierfür entwickelt haben, kann die zu erwartenden Energie- und Stoffbilanzen an Land und in den Ozeanen berechnen.
Damit lässt sich die Schlüsselfrage beantworten: Wie hoch dürfen die Emissionen sein, wenn man einen gewissen Schwellenwert zum Beispiel an landwirtschaftlichen Ertragseinbussen oder des Meeresspiegelanstiegs nicht überschreiten will?
Handlungsspielraum schwindet
«Welche Umweltveränderungen wir noch akzeptieren wollen, und welche Risiken wir bereit sind einzugehen, ist schlussendlich eine gesellschaftliche und politische Frage», sagte Joos. Doch der ständig steigende CO2-Ausstoss verringere den Handlungsspielraum zunehmend.
Für die Forscher steht nach ihren Modellrechnungen fest: «Die Welt sollte sich nicht auf ein einziges Klimaziel konzentrieren - die globale Temperatur -, sondern die verschiedenen Ziele umfassender anschauen», sagte Joos.
Gaskraftwerke in der Schweiz?
Für die Schweiz stelle sich mit Blick auf die geplante Energiewende zum Beispiel die Frage, ob es wirklich sinnvoll ist, in Gaspipelines und Gaskraftwerke zu investieren, die weiterhin auf fossile Energien setzen, sagte Joos. Oder ob nicht stattdessen CO2-freie Technologien stärker gefördert werden sollten.

