Am 27. September 2020 stimmt die Schweiz über das revidierte Jagdgesetz ab. Das Gesetz kommt zur Abstimmung, weil Naturschutzverbände gegen die Vorlage das Referendum ergriffen haben. Wie werden Sie abstimmen? Nehmen Sie an unserer Umfrage und diskutieren Sie mit
Die Debatten rund um die Revision des Jagdgesetzes sind emotional; an den Fronten herrscht erbitterter Kampf. Auf der einen Seite setzen sich unter anderem Jagd Schweiz, die Schweizerische Arbeitsgemeinschaft für Berggebiete (SAB) und der Schweizer Bauernverband (SBV) für ein Ja ein. Auf der anderen Seite kämpfen Organisationen wie Pro Natura, WWF oder BirdLife gegen die Annahme der Revision.
Aktuelles Gesetz von 1986
Für das Eidgenössische Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK) ist die Revision eine Anpassung an die heutige Zeit. Das aktuelle Gesetz stammt aus dem Jahr 1986, als es keine Wölfe in der Schweiz gab. Heute gibt es rund 80 Wölfe in acht Rudeln.
Die Revision soll ein Instrument bieten, mit dem vorausschauend und massvoll in die Wolfsbestände eingegriffen werden kann, da der Bestand weiterwachsen wird. Zudem würde die Revision verschiedene Wildtiere und ihre Lebensräume besser schützen.
Was ist das Jagdgesetz?
Die 1988 in Kraft getretene geltende Gesetzesgrundlage heisst Bundesgesetz über die Jagd und den Schutz wildlebender Säugetiere und Vögel, kurz auch Jagdgesetz genannt. Das Jagdgesetz bezweckt die Erhaltung der einheimischen Artenvielfalt und der Lebensräume, den Schutz bedrohter Tierarten, die Begrenzung von durch Wild gemachten Schäden an Wald und Landwirtschafts-Kulturen und die Gewährleistung einer angemessenen Nutzung der Wildbestände durch die Jagd.
Zudem bestimmt die Verordnung über die Jagd und den Schutz wildlebender Säugetiere und Vögel über weitere Einzelheiten.
Was würde sich bei einem Ja für die Revision des Jagdgesetzes ändern?
Die Revision sieht Änderungen in verschiedenen Bereichen vor.
Wolf
Der Wolf gilt künftig als regulierbare Art. Dabei behält er immer noch den Status einer geschützten Art. Neu können die Kantone im Sinne der Bestands-Regulierung über Abschüsse von Wölfen entscheiden. Der Wolf kann auch dann geschossen werden, wenn er noch keine Schäden angerichtet hat. Mit Änderungen des bestehenden Artikels 7 wurde zusätzlicher Artikel 7a verfasst.
Wölfe gehören also künftig nebst den Steinböcken auch zu den regulierbaren geschützten Arten. Zuerst muss aber der Kanton das Bundesamt für Umwelt (BAFU) anhören, welches die kantonale Verfügung auf die Konsistenz mit dem Bundesrecht prüft. Weiter ist die Ermächtigung des Bundesrats vorgesehen, weitere geschützte Tierarten als regulierbar zu bezeichnen.
Dem erläuternden Bericht zur Änderung der Jagdverordnung ist zu entnehmen, dass der Höckerschwan künftig ebenfalls auf Verordnungsebene reguliert werden kann. Der Bundesrat respektiert den Entscheid des Parlaments, nicht in die Bestände von Biber, Luchs, Gänsesäger und Graureiher einzugreifen.
Weitere Arten
Kantone haben die Ermächtigung, bei nicht einheimischen Tierarten ganzjährig den Abschuss zuzulassen. Für Damhirsche, Sikahirsche, Mufflons und verwilderte Haus- und Nutztiere verfallen also die Schonzeiten.
Die Nebelkrähe kann neu ganzjährlich geschossen werden, wenn sie in Schwärmen auf landwirtschaftlichen Kulturen auftritt, anstatt lediglich ausserhalb ihrer Schonzeit. Die Waldschnepfe wird neu eine um einen Monat längere Schonzeit erhalten. Die Schonzeit vom Kormoran verkürzt sich um zwei Wochen. Anstatt der Erlaubnis für das Jagen aller Wildenten mit Ausnahme von 10 geschützten Arten stehen neu im Gesetz lediglich die drei jagdbaren Arten Krickente, Reiherente und Stockente.
Eine weitere Änderung wird der Ersatz des Ausdrucks «Jagdbanngebiete» durch «Wildtierschutzgebiete» sein. Das soll den Fokus nicht mehr auf das Verbot einer Aktivität (bannen), sondern auf den aktiven Schutz legen.
Keine Jagd in Schutzgebieten
Kantone sind verpflichtet, die Grundsätze der Nachhaltigkeit und Anliegen des Tierschutzes und der Tiergesundheit in der Jagdplanung zu berücksichtigen. In Wildtierschutzgebieten und Vogelreservaten bleibt die Jagd verboten. Nach neuem Gesetz können dort aber sowohl jagdbare Arten, als auch Steinbock und Wolf abgeschossen werden, wenn es für den Schutz der Lebensräume, für die Erhaltung der Artenvielfalt, zur Hege oder zur Verhütung von übermässigen Wildschäden notwendig ist. Fachgerechte Nachsuchen bei verletzten Wildtieren werden zur Pflicht.
Bundesrat und Kantone werden verpflichtet, Wildtierkorridore von überregionaler Bedeutung im Sinne der Vernetzung der Wildtiere zu definieren. Dabei muss der Bund den Kantonen Abgeltungen an Massnahmen zur Sicherung dieser Wildtierkorridore gewähren.
Jagd bei auffälligem Verhalten
Bei einzelnen geschützten oder jagdbaren Tieren können neu schon bei auffälligem Verhalten, Anrichten von Schaden oder Gefährdung von Menschen Massnahmen ergriffen werden, anstatt nur dann, wenn bereits erheblicher Schaden angerichtet wurde.
Zudem fördert der Bund Massnahmen der Kantone zur Verhütung von Biber-Schäden an Bauten, welche zum Beispiel an Erschliessungswegen für Landwirtschaftsbetriebe von Bedeutung sind. Schäden, die von Tieren geschützter Arten verursacht werden, werden zu einem Teil vom Bund und Kanton vergütet, soweit die Massnahmen zur Verhütung getroffen worden sind.
Argumente
Pro
- Die Revision setzt Massnahmen, die einem harmonischen Nebeneinander zwischen Wolf und Mensch dienen. Das betrifft vor allem Bergkantone. Dort kommt es trotz Schutzmassnahmen immer wieder zu Schadensfällen. Der Wolfsbestand wächst stetig an, und nur mit einer Regulierung können Konflikte vermieden werden. Zudem behält der Wolf den Status einer geschützten Tierart.
- Die Artenvielfalt wird klar gefördert. Zugvogelreservate, Schutzgebiete und Wildtierkorridore werden durch den Bund unterstützt.
- Das alte Gesetz ist nicht zeitgemäss und stammt aus einer Zeit, in der es keine Wölfe in der Schweiz gab. Bestände von Wolf, Biber und Höckerschwan haben sich seither massiv vergrössert und führen zu Konflikten in Land- und Forstwirtschaft und Fischerei.
- Die Jagd hat eine lange Tradition in der Schweiz. Das revidierte Gesetz verpflichtet Jägerinnen und Jäger, anspruchsvolle Prüfungen abzulegen. Da Nachsuchen zur Pflicht werden, werden Tiergesundheit und Tierschutz gestärkt.
- Erlaubt sind Abschüsse erst nach Rücksprache mit dem Bundesamt für Umwelt (BAFU). Staatliche Stellen und spezialisierte Fachkräfte sind mit den regulierenden Massnahmen betraut. Zudem können Naturschutzorganisationen bei den Massnahmen immer noch Einsprachen erheben, da sie über das Verbandsbeschwerderecht verfügen.
- Die Revision schafft einen Anreiz für mehr Herdenschutz, da Schäden an Nutztieren, bei denen keine vorherigen Schutzmassnahmen ergriffen worden sind, keinen Anspruch auf Entschädigungen haben.
Contra
- Mit der Revision können Abschüsse auf Vorrat gemacht werden. Ein Individuum kann geschossen werden, ohne Schaden angerichtet zu haben, bloss weil er existiert. Das revidierte Gesetz bietet nicht mehr Schutz und ist deshalb ein Abschussgesetz.
- Schon mit dem geltenden Gesetz ist die Bestandsregulierung von geschützten Arten möglich. Die Revision ist daher unnötig und gleichzeitig eine verpasste Chance, andere Arten im Sinne des Schutzes und der Förderung der Artenvielfalt endgültig und klar zu schützen. Das betrifft zum Beispiel bedrohte Arten wie Feldhase, Birkhahn, Schneehuhn und Waldschnepfe. Diese sind immer noch jagdbar.
- Mit der Revision sind Biber, Luchs, Schwan und weitere Arten in Gefahr, da der Bund eigenhändig die Liste der regulierbaren geschützten Arten anpassen kann.
- Die Bestandsregulierung von Wildtieren muss eine Bundessache bleiben, da Wildtiere keine Kantonsgrenzen kennen. Zudem besteht die Gefahr, dass Kantone zu schnell den Jäger oder die Jägerin konsultieren.
- Die Revision ist kontraproduktiv bezüglich des Herdenschutzes. Es wird dafür kein Anreiz mehr geschaffen, da ein Abschuss eine schnellere und kostengünstigere Lösung sein kann.
- Wölfe und Luchse verhindern den übermässigen Verbiss der Hirsche und Rehe. Eine verfrühte Regulierung der Grossraubtiere würde dem Wald schaden, da die forstliche Regulierung dank den Wölfen nicht mehr gewährleistet wird. Die natürliche Verjüngung des Waldes wird verhindert.