Die Redaktion von «Schweizer Bauer» und «schweizerbauer.ch» wünscht Ihnen besinnliche Weihnachten. Die folgende Weihnachtsgeschichte soll zum Schmunzeln, aber auch zum Nachdenken anregen.
Schokolade! Ausgerechnet Schokolade wünschte sich seine Frau zu Weihnacht. Jahrelang hatte sie ein paar Pfunde zu viel um ihre Hüften. Zumindest aus ihrer Sicht. Arnold selber gefielen die Rundungen seiner Rosmarie eigentlich sehr gut. Sie selber sah es aber anders. Im vergangenen Jahr hatte sie sich nun zum Ziel gesetzt, einige Pfunde herunter zu hungern. Und tatsächlich: Sie war erfolgreich. Sehr sogar. «Schon fast zu sehr», dachte sich Arnold, der zwar gerne milchbetonte Holstein-Kühe melkt, aber bei weiblichen Vertreterinnen der eigenen Art eher auf runde Formen steht.
Nun aber war die Zeit des Hungerns vorbei. Bei Rosmarie war Fastenbrechen angesagt. Sie hatte monatelang auf ihre geliebte Schokolade verzichtet. Aber nun an Weihnachten – und zwar nur an Weihnachten – wollte sie mal wieder richtig zuschlagen. Sie hatte sich von ihm Schokolade zu Weihnachten gewünscht. Feinste Ragusa aus dem Berner Jura. Selbstverständlich würde er ihr auch noch einen schönen Blumenstrauss schenken. Also eigentlich Grund zur Freude?
Doch an diesem Abend kurz vor Weihnachten hielt sich seine Begeisterung in Grenzen. Soeben hatte er die letzten Kühe in den Melkstand gelassen. Zuvorderst schritt majestätisch seine liebste und beste Kuh hinein: Die Goldwyn-Tochter Amélie! Sie war EX 91 eingestuft und hatte in ihrer besten Laktation sage und schreibe 12'500 kg Milch produziert.
Doch heute Abend wollte bei Arnold selbst beim Anblick von Amélies Traumeuter keine Begeisterung aufkommen. Denn die viele Milch, welche sich nun in die Zitzenbecher entleerte, galt im vergangenen Jahr so wenig, wie noch nie. Zeitweise hatte er nur noch gut 50 Rp./kg ausbezahlt bekommen. Und dies trotz hohem Lademengenzuschlag. So machte selbst dem begeisterten Viehzüchter das Melken nicht mehr Freude.
Und jetzt noch das! Immer wieder «Schoggi» in den Zeitungen! Das «Schoggigesetz» werde in fünf Jahren abgeschafft, musste er am vergangenen Wochenende auf «schweizerbauer.ch» lesen. Auch wenn ihm der Mechanismus sagenhaft kompliziert erscheint, hatte Arnold schon lange begriffen, dass sein Milchpreis mit dem Schoggigesetz zu tun hatte.
Auch sein Milchhändler schrieb in den Mitteilungen an die Bauern immer wieder, wie wichtig es sei, dass der Bund genügend Geld fürs Schoggigesetz zur Verfügung stelle. Deshalb hatte er sich letzte Woche sehr gefreut, als das Parlament fürs Jahr 2016 nun doch genügend Geld im Budget bewilligte.
Doch die Freude war bald verflogen! In Afrika hatte die Welthandelsorganisation WTO beschlossen, das Schoggigesetz abzuschaffen. Und nun fürchtete Arnold, dass sein Milchpreis noch einmal fallen könnte. Spätestens in fünf Jahren. Er mochte das Wort Schokolade deshalb nicht mehr hören. Die grossen Lebensmittelkonzerne nervten ihn. Sie drohten bereits, ihre Produktion aus der Schweiz abzuziehen.
Ausgerechnet Schokolade wollte seine Frau zu Weihnachten! So gerne er ihr diesen Gefallen tat, so sehr nervte es ihn gleichzeitig, diesen arroganten Firmen ihr Produkt abkaufen zu müssen. Langsam trottete Kuh Amélie wieder aus dem Melkstand. Melkmaschine waschen und dann noch mal durch den Stall. Das war nun sein Programm.
Die Kühe waren friedlich am Fressen. Für einmal gab es kein Gedränge. In Reih und Glied standen sie da und füllten ihre Bäuche. Neben seiner Familie war die Holstein-Herde sein ganzer Stolz! Viehzucht war seine Leidenschaft. «Auch wenn ich nicht mehr viel damit verdiene, ist die Milchviehzucht doch so was Schönes», dachte er sich.
Langsam ging er aus dem Stall. Er hatte ganz vergessen, dass Heiligabend war. «Arnold, wo bist Du?», tönte es ihm entgegen. Seine Rosmarie stand in der Haustüre und strahlte ihn an. «Sie ist schon eine tolle Frau», dachte er bei sich. Doch was war mit ihr los? Sie hatte Tränen in den Augen! Noch war er nicht ganz beim Haus, als sie auf ihn zu rannte und ihm um den Hals fiel. «Du bist der beste Mann der Welt», meinte sie schluchzend. Er spürte in seinem Rücken, dass sie was in der Hand hielt. «So was Schönes hat mir noch nie jemand für mich geschrieben», fuhr sie nun fort.
Jetzt dämmerte es ihm, was sie meinte. Sie hatte wohl seinen Brief gelesen, den er ihr zu den Blumen und zur grossen Ragusa-Schachtel gelegt hatte. Dort drin stand: «Iss die Schokolade mit Genuss und ohne Reue. Denn jedes Gramm an Dir ist goldwert!»