Franziska Borer ist neu am Ruder des kriselnden Emmentaler. Sie will das Schiff durch stürmische See steuern und glaubt an die Zukunft des Emmentalers. Vorerst bündelt die Sortenorganisation die Kräfte neu.
«Schweizer Bauer: Der Emmentaler steckt in der Krise. Anfang Jahr übernahmen Sie die Geschäftsleitung. Was hat Sie dazu bewogen?
Franziska Borer: Vorab möchte ich klarstellen, dass der Emmentaler kein sinkendes Schiff ist. Emmentaler AOC ist ein hervorragendes Produkt, mit dem ich mich sehr gut identifizieren kann. Zum Emmentaler habe nicht nur ich, sondern viele Menschen eine positive Beziehung. Nebst dem Emmentaler selbst reizte mich die Geschäftsführung einer Organisation im milchwirtschaftlichen Bereich. Es ist eine Krönung meiner Laufbahn.
Essen Sie gerne Emmentaler?
Ja, er ist mein Lieblingskäse schon seit Kindesalter. In meinem Kühlschrank findet sich immer ein grosses Stück davon.
Weshalb sind Sie die richtige Person, um den Emmentaler aus dem Schlamassel zu ziehen?
Ich habe einerseits gute Branchenkenntnisse, bin aber anderseits im Emmentaler Sektor noch ein unbeschriebenes Blatt. Ich habe das Know-how und die Berufserfahrung, um ein Schiff auch in stürmischer See zu steuern.
Andere zum Teil erfolgreichere Käsesorten werden mit eiserner Hand geführt.
Die Mentalität unter den Akteuren in der Emmentaler Branche ist eine andere als etwa beim Gruyère. Ich setze da lieber auf Kommunikation. Zudem wurden Mengenüberschreitungen oder Fälschungen beim Emmentaler AOC durch die Geschäftsstelle ES immer strengstens geahndet.
Was hat die Sortenorganisation Emmentaler Switzerland (ES) falsch gemacht, dass es überhaupt zur Emmentaler Krise kommen konnte?
Ich masse es mir nicht an, Kritik zu üben oder Geleistetes zu verurteilen. Man muss sich immer vor Augen halten, dass der Emmentaler das Spiegelbild ist, für das, was im ganzen Milchsektor passiert. Angefangen hat die Emmentaler Krise damit, dass Schweizer Käser in die weite Welt zogen, um Emmentaler herzustellen. Beigetragen haben auch die Käseunion, die Milchüberproduktion, der starke Franken und vor allem die Aufhebung der Mengensteuerung.
Welche Rolle spielten die Mehrmengen?
Mehrmengen wurden zwar erteilt, jedoch nur für solche Käsereien, die mit der vorhandenen Milch die Käsereferenzmengen nicht erfüllen konnten. Es wurde also damit nicht mehr Emmentaler hergestellt, als von der ES zugeteilt wurde.
Was muss jetzt geschehen, damit es bergauf geht?
Die Menge muss wieder geführt werden. Dabei ist auch wichtig, dass ein einheitlicher Verkaufspreis ab Rampe Käserei festgelegt wird. Obschon der Preis massiv einbrach, konnte nicht mehr Menge abgesetzt werden. Dies kommt aber nicht zuletzt davon, dass noch während der Mengensteuerung der ES zu viel produziert wurde. Die vollen Lager wurden im letzen Jahr geleert, was den Preis zusammenriss. Schafft man es wieder, eine sinnvolle Mengen-Preis-Politik zu machen, bin ich überzeugt, dass sich der Emmentaler schon bald wieder für Fr. 7.00 je Kilo ab Rampe verkaufen lässt .
Die Dachorganisation der Käser Fromarte unternimmt einen Rettungsversuch. Weshalb tut dies nicht die ES?
Die ES versuchte letzten Frühling mit enormen Anstrengungen die Branche zu einen, scheiterte aber mit der sogenannten Charta. Beim Projekt der Fromarte muss nur die Stufe der Hersteller, also die Käser respektive die Genossenschaften, zustimmen. Die Hürde ist also kleiner. Wir hoffen, dass es die Fromarte schafft, das Modell umzusetzen. Übrigens, es wird oft kritisiert, die Geschäftsstelle ES sei passiv. Dabei arbeiten wir mit viel Elan und Engagement an unseren anderen Kernaufgaben, nämlich Marketing, Qualitätssicherung und Markenschutz. Zudem kann die Geschäftsstelle ES nur tun, was der Vorstand und damit die Branche ihr auftragen.
Dann fehlte es dem Vorstand an Tatendrang?
Das kann man so nicht sagen. Nach dem Scheitern der Charta bündelt er seine Kräfte neu.
Sinkende Produktionsmengen führen zu Überkapazitäten bei den Käsereien. Wie viele müssen noch über die Klinge springen?
Meiner Meinung nach möglichst keine. Klar, jene, die Alternativen haben, sollen diese nutzen. Es darf jetzt aber nicht sein, dass Strukturen zerschlagen werden, die wir einmal wieder bräuchten.
In den letzten Jahren sind viele Emmentalerkäsereien gewachsen. Grosse Betriebe produzieren aber selten gute Qualität. Doch genau diese halb-industriellen Betriebe werden wohl die Krise überleben.
Die Qualität hängt weniger mit der Verarbeitungsmenge als viel mehr mit der Anzahl Produktionschargen zusammen. Es darf aber nicht das Ziel sein, dass Emmentaler nur noch in grossen Käsereien hergestellt wird. Unser Marketing setzt auf die kleinen, gewerblichen Dorfkäsereien. Und genau für eine solche Produktion sind unsere Kunden bereit, einen Mehrpreis zu bezahlen.
Was raten Sie den Emmentalerkäsereien, respektive ihren Milchproduzenten?
Jetzt gilt es, Nerven zu bewahren. Ich weiss aber, dass dieser Rat vom Schreibtisch aus sehr einfach zu geben ist. Ich hoffe, dass es schon bald wieder bergauf geht. Vielleicht bringt das Fromarte-Modell schon bald Besserung, und dann bringt der Emmentaler wieder bessere Milchpreise. Ich persönlich glaube an die Zukunft des Emmentalers.
Zur Person
Die gelernte Landwirtin und Ing. Agr. ETH Franziska Borer (46) arbeitete als Tierzuchtlehrerin, war bei der Agridea tätig, gestaltete bei der Lobag den Milchkontingentsausstieg mit und arbeitete beim BLW im Bereich Mehrmengenzuteilung. Seit 1. Dezember 2011 ist sie Direktorin der Sortenorganisation Emmentaler Switzerland.