Das Jordanvirus bedroht Tomaten und Paprika. Sein Vorkommen ist eine neue Herausforderung für die Landwirtschaft. Agroscope diagnostiziert im Quarantänelabor das Virus. Bei positivem Befund bleibt nur eins: Pflanzen vernichten.
Dieses Urteil fällten die landwirtschaftlichen Forschungsanstalten Agroscope in Changins VD und Wädenswil ZG kürzlich über 6000 Tomaten-Jungpflanzen im Flughafen Zürich. Wie sie am Dienstag mitteilten, musste die ganze per Flugzeug gelieferte Charge vernichtet werden.
Pflanzen werden vernichtet
Zur Bekämpfung des hochansteckenden Virus entnehmen Inspektorinnen und Inspektoren des Eidgenössischen Pflanzenschutzdienstes (ESPD) den Lieferungen einzelne Pflanzen und schicken sie an das speziell abgesicherte Quarantänelabor in Changins.
Bereits am Folgetag warten die Forschenden mit dem Befund der molekularen PCR-Tests auf. Bei einem Befall mit dem Jordanvirus ordnet der Pflanzenschutzdienst unverzüglich die Vernichtung der Pflanzen an.
Bisher drei Fälle
Der Fall mit den über 6000 Tomatenpflanzen ist kein Einzelfall mehr, wie die Forschungsanstalten feststellten. 2021 entdeckten sie das Jordanvirus erstmals auf importieren Pflanzen in einem Thurgauer Tomatenbetrieb. 2022 registrierten sie bisher drei Verdachtsfälle, wovon sich zwei als zutreffend erwiesen. «Es ist ein Kampf gegen die Zeit», meint Denise Altenbach, Leiterin der Forschungsgruppe Molekulare Diagnostik für geregelte Pflanzenschadorganismen bei Agroscope.
Weil Saat- und Pflanzengut global gehandelt werden, ist der Kampf gegen das Jordanvirus gemäss Agroscope auch einer gegen die Zeit. Das im November geschaffene Quarantänelabor ist noch im Aufbau und wird aufgestockt. «Fehler können wir uns nicht erlauben. Es muss verhindert werden, dass infizierte Jungpflanzen in Produktionsbetrieben und in den Hausgärten landen», so Altenbach.
Wollen die Pflanzenschutzdienste von Agroscope, Bund und Kantonen die Ausbreitung des ansteckenden Virus verhindern, müssen sie den Befall frühzeitig entdecken. Dieses Jahr sind darum bis zu 1000 Stichproben etwa in Tomaten- oder Paprikakulturen sowie in Gärtnereien oder Gartenzentren geplant. Hinzu kommen nicht planbare Importkontrollen.
Ernte trotz Befall möglich
Auch das Abwasser aus Gewächshäusern werden die Fachleute untersuchen. Fällt die Probe dabei positiv aus, können die Betriebe die Früchte unter strengen Hygienemassnahmen weiter ernten. Experten halten das Verbreitungsrisiko über die Früchte für gering. Nach Saisonende müssen die Produzenten die Pflanzen allerdings verbrennen und die betroffenen Gewächshäuser samt ihrem Bewässerungssystem dekontaminieren.
«Wir versuchen, die Landwirtschaft vor dem Virus zu schützen», erklärt Denise Altenbach. «Ähnlich wie bei Grippe und Covid-19 ist es allein anhand der Symptome nicht immer einfach, einen Befall mit dem Jordanvirus von anderen Viren zu unterscheiden. Erst unsere molekularen Tests klären, ob es sich um das Jordanvirus handelt oder nicht», fährt sie fort.
Zum Jordanvirus
Das Jordanvirus (Tomato Brown Rugose Fruit Virus, ToBRFV) ist 2021 erstmals in der Schweiz nachgewiesen worden - in einem Thurgauer Tomatenproduktionsbetrieb. Diese Pflanzenkrankheit befällt Tomaten und Paprika, weitere Wirtspflanzen auf dem Feld oder in der Umwelt sind derzeit nicht bekannt. Ertragsausfälle bis zu 100 Prozent sind möglich. Das Jordanvirus ist sehr ansteckend. Es überlebt lange auf Pflanzenresten, im Boden und in Gewächshäusern. Als Quarantäneorganismus ist das Jordanvirus melde- und bekämpfungspflichtig und wird von den Eidgenössischen- und den Kantonalen Pflanzenschutzdiensten überwacht.