Am zweiten Tag der Leserreise nach Kanada führte die Route nordwärts in Richtung Edmonten. Die Schweizer Auswandererfamilie Haeni betreibt erfolgreich eine Jerseyfarm. Auch ein Besuch bei den Hutterer stand auf dem Programm. Mit modernsten Maschinen ausgerüstet leben sie aber noch nach einem Rollenbild, wie es bei uns vor mehr als 100 Jahren der Fall war. Mit Bildergalerie
Nun geht es los. Nach einem problemlosen Flug nach Calgary erwartet uns am Freitagabend die Ölstadt Calgary. Der Olympiaort von 1988 liegt auf rund 1000 m. ü. M. und erinnert im Sommer nicht wirklich nach Wintersport. Nach einer kurzen Fahrt vom Flughafen treffen wir im Geschäftsviertel (Downtown) der Cowboystadt ein. Die mondänen Hochhäuser sind beeindruckend, Banken und Ölfirmen wechseln sie als Mieter bei den "Türmen" ab. Hochhäuser sind nicht jedermanns Sache, doch den Schreibenden faszinieren sie immer wieder aufs Neue. Sie wirkt sehr sauber und gepflegt, aber nur dank der Stampede (Rodeo) ist in Downtown überhaupt etwas los.
"Man nimmt, was es gibt"
Am Samstag geht’s nun wirklich los. Um 7.45 Uhr folgt die Fahrt zur Familie Haeni, eine Stunde nördlich von Calgary. Die Fahrt zur Jersey-Züchter-Familie wird durch die weiten Ebenen geprägt. Hunderte Hektaren Raps und Weizen wachsen auf den Feldern. Doch die beiden letzten Jahre waren alles andere als gut für die Getreidefarmer. Viel zu nasses Wetter führte zu grosser Verspätung bei der Aussaat. So ist der Weizen teilweise erst 10 Zentimeter hoch, der Raps beginnt erst zu blühen, obwohl um diese Zeit eigentlich die Ernte beginnen sollte. Im nördlichen Teil Alberta wird nach dem Motto geerntet "Man sät und nimmt, was es gibt".
Erfolgreiche Jersey-Züchter
Die Familie Haeni erwartet uns bereits. Sie haben rund 200 bis 240 Tiere und melken das ganze Jahr über immer 85 bis 90 Kühe, um eine kontinuierliche Milchmenge abliefern zu können. In Kanada wird der Milchpreis nach Gehaltszahlung (Fett+Eiweiss) vorgenommen. Es gibt keine Milchkontingente, sondern man darf eine tägliche Menge Butterfett abliefern. Die Familie Haeni beträgt dieser Wert 99,9 kg Butterfett pro Tag (Tagesmilch pro Tier rund 27 Liter; Werte: 5,2% Fett und 4% Eiweiss). Die Grösse des Hofes beträgt rund 320 Hektaren, davon 200 ha unter Pflug. Angesät wird Gerste, Raps und Weizen. Hänis lassen ihre Tiere noch auf die Weide zum Grasen, eine Seltenheit in Kanada.
Regeln wie vor 100 Jahren
Nach gut zweieinhalb Stunden fährt die Leserreise-Gruppe weiter zu den Hutterer. Diese Glaubensgemeinschaft hat ihren Ursprung im deutschsprachigen Raum, was sie beim Vortragen von entsprechenden Liedern auch demonstrieren. Männer und Frauen haben strikt getrennte Rollenbilder. Der Mann arbeitet auf dem Feld und beaufsichtigt das Vieh, die Frau kocht und putzt (auch die Autos der Männer....). Zudem fallen sie auch auf durch ihre Kleidung.
Die Fairview-Kolonie macht eigentlich alles selbst. Sie hat eine Schreinerei, Schlosserei, Bäckerei, schlachtet die eigenen Poulets, verkauft diese an Kunden, um Geld in die Kassen der Kolonie zu generieren. Doch der Maschinenpark ist eindrücklich. So haben sie sich neue John-Deere-Mähdrescher gekauft, dazu vor einer Woche einen brandneuen Truck, um Güter zu anderen Kolonien zu transportieren. Was noch beeindruckender ist: Die Käufe tätigen die Hutterer ohne Hilfe einer Bank, sämtliche Maschinen und sonstige Einkäufe werden Cash bezahlt. Die Fairview-Kolonie hat momentan 14 Familien (vor sieben Jahre erfolge eine Teilung (Splitting)) und besitzt rund 2800 Hektaren Land.