Die Freiburgerin Anja Tschannen studiert Agronomie an der Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften (HAFL) in Zollikofen. In ihrem Blog berichtet sie über das Studium, aber auch über ihre Arbeit als Freie Mitarbeiterin beim Schweizer Bauer und ihre Hobbies.
Ein ohrenbetäubender Lärm reisst mich aus meiner geliebten Traumlandschaft. Ich stehe fast aufrecht im Bett und mache mich bereit zur Flucht. Erst jetzt realisiere ich, dass der gnadenlose Lärm am morgen früh nicht vom Feueralarm des Studentenwohnheimes, sondern von meiner Hassliebe, dem Wecker, kommt. Am liebsten würde ich den Schreihals quer durchs ganze Zimmer schleudern. Mein Blick wandert zum Zifferblatt und mein Bett kommt mir gerade jetzt besonders bequem und einladend vor. „Nur noch 5 Minuten!“, lockt die verführerische Stimme in meinem Kopf. Aber nichts da, mühsam quäle ich mich aus meinem weichen, warmen, kuscheligen Bett.
Ich komme mir vor wie gerädert. Knapp zwei Wochen Sommerferien, oder besser gesagt studienfreie Zeit und meine studentische Kondition macht sich am ganzen Körper bemerkbar. Ich wusste gar nicht, dass sich unter all dem Studentenspeck noch so viele Muskeln befinden und jeder meiner 200 Knochen sagt mir: „Selber schuld, wenn du immer so viel Sport machst und Schoggeli isst!“ Kopf und Körper verbünden sich zu einer hartnäckigen Allianz und versuchen mit allen Mitteln mich ins Bett zurück zu ziehen, doch der Geist ist stärker.
Einmal aus dem Haus ist die ganze Sache nur noch halb so schlimm. Der Fahrtwind bläst mir die frische Morgenluft ins Gesicht und ich Atme tief ein. Ich fahre am Schiffenensee entlang und die Sonne gibt dem neuen Tag einen lieblichen Kuss. Perfekt aufeinander Abgestimmt bilden die zarten Farben der Morgenstunden und das Licht eine Einheit und einmal mehr bewundere ich die Schönheit der Natur.
Heute Morgen führt mich mein Weg nicht zuerst zu Gigolino sondern in die Kirschenanlage des Self-Pick Hofladen von Martin Krebs in Schiffenen (FR). Kirschen pflücken für den anschliessenden Direktverkauf steht auf dem Programm. Bäumchen reiht sich an Bäumchen und tausende Kirschen warten darauf abgelesen zu werden. Nach rund drei Stunden ist die nötige Tagesration gepflückt und auch mein Bauch warnt mich vor weiterem Kirschenkonsum. Mhhh lecker sind sie halt schon die kleinen Früchte. Gut klein ist relativ, heutzutage gibt es ja mittlerweile XXL-Kirschen die schon pflaumenähnliche Dimensionen erreichen. Sie gehen besonders gut zum Pflücken und die Leute kaufen sie besonders gerne ein. Aber ich bevorzuge trotzdem die kleinen „Konfikirschen“, sie sind nämlich besonders süss und intensiv im Geschmack, dafür mühsam zum Ablesen. Man kann halt nicht alles haben.
Nach einer lustigen Kaffeerunde mit Chef und CO. geht’s wieder nach Hause. Die journalistischen Pflichten rufen, Blog schreiben, Termine abmachen und viele Fragen überlegen. Dann geht’s ab in den Stall. Beim Melken der 42 Kühe läuft mir der Schweiss in Bächen hinab. Nachdem ich „meine“ Ladys auf die Weide gebracht habe kümmere ich mich um die grosse Pferdefamilie. Trotz der Unterstützung des kleinen grünen „Baby-Weidemann“ habe ich fast eine Stunde um den Pferdestall für den nächsten Tag vorzubereiten, 16 Pferde fressen viel und machen viel Mist.
Jetzt muss Gigolino dran glauben, gemeinsam machen wir und auf in den Wald. Ein Spiessrutenlauf beginnt, eine richtige Bremseninvasion frisst uns fast auf. Endlich erreichen wir den schützenden Wald. Erst nach Sonnenuntergang getrauen wir uns wieder hinaus um den Heimweg anzutreten. Eine verdächtigte Stille umgibt uns. Vereinzelnde Bremen fliegen fluchtartig an uns vorbei, irgendetwas muss sie erschreckt haben. Gigolino und ich kümmern uns nicht weiter um die eingeschüchterten Bremen, sondern geniessen die Störenfired-freie-Zeit. Doch die Freude war nur von kurzer Dauer. Wir biegen um die nächste Kurve und da erwartet uns die nächste Überraschung.
Ein riesiger Schwarm laut summender Junikäfer steht uns gegenüber und spielt Bodygard bis wir das Stalltor erreichen. Nicht nur die Vegetation ist dieses Jahr verspätet, sondern auch die Insekten sind spät dran. Trotzdem lieber ein Begleitschutz von Junikäfern im Juli als eine Meute Bremen am Hals, denke ich und Gigolino schüttelt nur den Kopf und wiehert etwas von Sommerferien für Pferde…


