Die Strategie soll die Bauernfamilien unterstützen, trotz Einfluss des Klimawandels genügend zu produzieren und sie soll einen Beitrag leisten, die Klimaziele zu erreichen, sagte Christian Hofer, Direktor des Bundesamts für Landwirtschaft BLW, am Dienstag vor den Medien in Bern. Die Strategie betreffe die ganze Wertschöpfungskette.
«Klima- und standortangepasst»
Die neue Klimastrategie löst die Strategie des BLW von 2011 ab. An der Erarbeitung beteiligt waren neben dem BLW auch das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen BLV und das Bundesamt für Umwelt (Bafu).
Konzeptionelle Darstellung eines klimafreundlichen und -resilienten Ernährungssystems mit den beiden Handlungsebenen (die Bausteine entsprechen den acht Teilzielen der Strategien)
Bund
Konkret soll die Landwirtschaft bis 2050 «klima- und standortangepasst» produzieren und so einen Selbstversorgungsgrad von mindestens 50 Prozent erreichen. Auch bei wachsender Bevölkerung. Zudem soll die Bevölkerung sich gesund und ausgewogen ernähren. So soll sich laut der Klimastrategie der Treibhausgas-Fussabdruck der Ernährung gegenüber 2020 um zwei Drittel verringern. Ausserdem sollen auch die Treibhausgasemissionen der landwirtschaftlichen Produktion im Inland um 40 Prozent im Vergleich zu 1990 reduziert werden. -> Mehr zur Strategie gibt es hier
Dies soll durch verschiedene Massnahmen erreicht werden. Auf der Seite der Landwirtschaft betreffen diese insbesondere die Anpassung an den Klimawandel. Auf der Seite der Konsumentinnen und Konsumenten soll auf Sensibilisierung gesetzt werden.
Kleinbauern: Handel in Pflicht nehmen
Das Echo von Verbänden und Organisationen war gross. Einigen geht es zu wenig, andere kritisieren, dass nur die Bauern, aber nicht der Handel in die Pflicht genommen wird.
Verschiedene Organisationen aus dem linken Lager kritisieren diese Massnahmen als ungenügend, um die gesetzten Ziele zu erreichen. Slow Food Schweiz, Vision Landwirtschaft und die Kleinbauern-Vereinigung VKMB schrieben in einer gemeinsamen Mitteilung, dass es eine grosse Diskrepanz zwischen den gesetzten Zielen und dem Massnahmenpaket gebe. «Wir müssen die grossen Hebel von Verarbeitung, Handel bis zum Konsum jetzt anpacken. Die in der Strategie verfolgten Ziele werden mit den vorgeschlagenen Massnahmen nicht erreicht werden können», sagt Kilian Baumann, Präsident der Kleinbauern- Vereinigung.
Das heute bereits sehr komplexe Direktzahlungssystem für die Landwirtschaft zeigt, dass die Bäuerinnen und Bauern nicht allein die Lösung liefern können, sagt der Nationalrat und Biolandwirt. Dass die Klimastrategie bei der Landwirtschaft und Ernährung ansetze, widerspiegle sich noch nicht genügend beim Massnahmenkatalog. «In erster Linie die Bäuerinnen und Bauern mit einer grossen Zahl weiterer Massnahmen in die Pflicht zu nehmen, ist nicht zielführend», so Laura Spring, Geschäftsführerin von Vision Landwirtschaft.
Animal Rights: Tierbestände senken
Auch der Tierschutzverband Animal Rights Switzerland kritisierte ungenügende Massnahmen. Das Ziel, ackerfähige Flächen vermehrt direkt für die menschliche Ernährung zu nutzen, wird hingegen begrüsst. «Es ist sinnvoll, dass unsere Ackerflächen zunehmend für uns Menschen bepflanzt werden. Dass auf dem Grossteil des Ackerlandes – auf rund 60% – Tierfutter wie Mais und Futtergetreide angebaut wird, ist ein Unding. Nun müssen zwingend die Tierbestände sinken», so Céline Schlegel von Animal Rights Switzerland. Vom Wandel weg vom Konsum von Tierprodukten und der damit verbundenen Reduktion der Tierbestände profitieren laut den Organisationen insbesondere auch die Tiere. «Die meisten Tiere leiden auch hierzulande unter fragwürdigen Lebensbedingungen und sehen den Himmel nur am Tag ihrer Schlachtung. Eine allgemeine Reduktion der Tierbestände ist aus tierethischer Sicht darum klar die richtige Lösung», sagt Philipp Ryf, Co-Geschäftsleiter von Sentience und ehemaliger Co-Kampagnenleiter der Initiative gegen Massentierhaltung.
Der Umweltverband WWF betonte in einer Mitteilung zudem, dass offen bleibe, ob der politische Wille bestehe, die vorgeschlagenen Massnahmen auch wirklich anzugehen. Zudem ignoriere der Zeithorizont 2050 die heute schon bestehenden Herausforderungen durch die Klimakrise.
SBV will Abbau von Nutztierhaltung bekämpfen
Neben verschiedenen positiven, sehe der Schweizer Bauernverband SBV auch kritische Punkte, heisst es in einer Medienmitteilung . Die Massnahmen müssten dazu beitragen, ein vielfältiges, nachhaltiges, aber auch marktkonformes Lebensmittelangebot aus der Schweiz sicherzustellen. Als sehr positiv wertet es der SBV, dass im Bericht auch die Anpassung an den Klimawandel Thema sei, etwa beim Wasserzugang oder der Züchtung.
Als problematisch erachtet der Verband Bemühungen, die tierische Produktion einzuschränken und den Konsum zu lenken. Erstens werde deren Wirkung überschätzt und zweitens seien Marktrealitäten anzuerkennen. Die Konsumentinnen und Konsumenten fragen tierische Produkte nach und gemäss Ernährungsempfehlungen sollten mehr Milchprodukte konsumiert werden. Der SBV lehne deshalb eine politisch gesteuerte Schwächung der einheimischen, standortgerechten Tierhaltung ab. Zudem sei es kontraproduktiv, Importe von Lebensmitteln mit hohen Umweltstandards zu erleichtern und es fehlten Regelungen zur Finanzierung. Ein weiterer Kritikpunkt ist die fehlende Regelung bezüglich Finanzierung. Mit einer reinen Umverteilung der bestehenden Mittel lassen sich die geplanten Massnahmen nicht umsetzen, kritisiert der SBV.
Bio Suisse: Biolandbau profitiert
Auch Bio Suisse schlägt in die gleiche Kerbe: Mit der neuen Klimastrategie liefere der Bundesrat erstmals eine Gesamtschau, wie nachhaltige Landwirtschaft und gesunder, klimafreundlicher Konsum bis 2050 zu erreichen sind, hiess es in einer Mitteilung des Verbands. Bio Suisse geht gemäss der Mitteilung davon aus, dass damit wichtige Entwicklungen ermöglicht werden und der Biolandbau davon profitieren wird. Bio-Betriebe investierten viel in den Boden. Der Humusgehalt sei höher, und der Boden speichere mehr klimarelevantes CO₂. Bio-Böden könnten mehr Wasser aufnehmen, was sowohl bei grosser Nässe als auch bei Hitze ein Vorteil sei. Die Strategie sei aber stark verspätet fertiggestellt werden.
Junglandwirtekommission: Resultat ungenügend
Das Resultat der Klimastrategie lasse zu wünschen übrig, so die Junglandwirtekommission des Bauernverbandes Jula. Die konkreten Massnahmen seien vor allem auf die Landwirtschaft ausgerichtet und würde die aktuellen Marktrealitäten ungenügend anerkennen. Eine politisch verordnete Schwächung der Tierproduktion sei nicht nachhaltig und daher für die Jula nicht akzeptabel. Zielorientierter sei die Förderung des Pflanzenbaus. Ein nachhaltiges Ernährungssystem sei langfristig nur mit griffigen Massnahmen entlang der gesamten Wertschöpfungskette möglich.
«Der Grenzschutz ist in seiner heutigen Funktion eine wichtige Stütze einer nachhaltigen und diversen Schweizer Landwirtschaft. Bestrebungen die Importbestimmungenanzupassen, sind kontraproduktiv und daher zwingend abzulehnen», macht die Jula deutlich. Ausserdem ist die Finanzierungs- und Kostenfrage der Strategie zu klären.
Landwirtschaftsdirektoren fordern Fokus auf Konsumenten
Die Konferenz der kantonalen Landwirtschaftsdirektoren LDK stelle fest, dass die Klimastrategie die eigenen und oft bereits bestehenden Aktionspläne der Kantone positiv unterstützen können, heisst es in einer Medienmitteilung . Die Klimastrategie könne einen gemeinsamen Zielrahmen setzen und neue Massnahmen für die ganze Schweiz anregen. Die LDK regt dazu an, den Fokus noch stärker auf die Konsumentinnen und Konsumenten auszurichten. Den deren Einkaufsverhalten bestimmte wesentlich das von der Landwirtschaft zu produzierende «Menu».
Grosses Potenzial der Klimastrategie sehen die Landwirtschaftsdirektoren in der objektiven Aufdeckung, der gründlichen Diskussion und schliesslich der Auflösung von Zielkonflikten. Diese Arbeit sei unverzichtbar für die Weiterentwicklung der Land- und Ernährungswirtschaft. Je eher sie gemacht werde, desto besser, heisst es.
Agrarallianz: Strategie richtungsweisend
Die Agrarallianz – eine Vereinigung von 20 Organisationen aus den Bereichen Umwelt, Tierschutz, Konsumenten und Landwirtschaft – bezeichnet die Klimastrategie als richtungsweisend. Sie schaffe einen verlässlichen und sinnvollen Rahmen für die Akteure der Land- und Ernährungswirtschaft. Es sei zudem richtig, dass die Strategie eine Systemperspektive einnehme und damit sowohl die Produzentinnen als auch die Konsumenten in die Pflicht nehme, heisst es in einer Mitteilung . Als positiv beurteilt die Allianz auch, dass die produktive, nachhaltige Landwirtschaft im Fokus stehe.
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