Emmi ist der Schweiz grösste Käsehändlerin. Othmar Dubach, langjähriger Verantwortlicher für das Geschäft, über die Öffnung, den Wert der Schweizer Herkunft und die Widersprüchlichkeit der Konsumenten.
«Schweizer Bauer»: Sie sind seit fast 35 Jahre beim führenden Schweizer Milchverarbeiter und Käsehändler Emmi tätig. Welches ist ihr Lieblingskäse?
Othmar Dubach: Das wechselt von Zeit zu Zeit. Mal bevorzuge ich etwas reifere, mal mildere Sorten.
In den Köpfen der Leute ist die Schweiz noch immer weltbekannt für ihren Käse. Aber wie steht es um das Nationalgut tatsächlich? 
Im internationalen Detailhandel lässt sich Schweizer Käse noch immer klar hochpreisiger positionieren. In Helsinki beispielsweise wird unser Kaltbach-Käse für 36 Fr./kg verkauft. Der ausländische Konsument ist nach wie vor bereit, einen Mehrpreis für Schweizer Herkunft zu bezahlen.
Sie sprechen von Kaltbach, einem Markenprodukt also, wo Emmi Absatz und Preis in den eigenen Händen hält. Wie sieht es aber bei den Sorten aus, wo sie mit anderen Exporteuren konkurrieren müssen?
Hier bieten verschiedene Händler dasselbe Produkt an, woraus natürlich ein Wettbewerb entsteht. Da machen wir uns gegenseitig das Leben schwer – und das zur Freude des ausländischen Handels, der die Preisvorteile selten weitergibt, sondern einfach eine höhere Marge generieren kann. Für uns bedeutet das, dass wir uns hier in der Preiskalkulation ausschliesslich an den Produktionskosten zu orientieren haben. Aber ohne Mehrerlös können wir auch keine entsprechenden Werbemassnahmen finanzieren. Wir können damit nur in Marken investieren, welche uns auch gehören. 
Seit dem 1. Juni 2007 kennt die Schweiz den Freihandel mit der EU. Wie haben Sie die Liberalisierung erlebt? 
Der Freihandel hat sich von langer Hand abgezeichnet, der Übergang war ein sanfter. In mehreren Jahren wurden Zölle reduziert oder die Verkäsungszulage eingeführt. Der Rückzug des Bundes war sehr gut organisiert. Auch Befürchtungen, wonach es erdrutschartig zu massiven Importen kommt oder die Exporte einbrechen werden, haben sich nicht bewahrheitet. 
Das stimmt generell. Je nach Sorte und Markt gab es aber sehr wohl grosse Verwerfungen. Zum Beispiel ist der Verkauf von Emmentaler AOP in Italien in zehn Jahren um 5000 Tonnen eingebrochen?
Ja. Das Emmentalergeschäft in Italien leidet seit Jahren. Dort  ist die Konkurrenz stärker geworden. Früher war der Emmentaler im Grosslochkäsesegment einsame Spitze. Heute gibt es europaweit sehr viele Hersteller von ähnlichen Käsen, und deren Qualität wird immer besser. 
Der Abverkäufe der beiden wichtigsten Sortenkäse Emmentaler AOP und Gruyère AOP haben sich mit den offenen Grenzen ganz unterschiedlich entwickelt. Der Emmentaler serbelt, der Gruyère konnte die Verkaufszahlen halten. Trifft der Gruyère eher den europäischen Gaumen? 
Das Exportgeschäft beim Gruyère ist breiter verteilt als dasjenige des Emmentalers, der mit dem wichtigen Absatzmarkt Italien ein bedeutendes Klumpenrisiko besitzt. Zudem hat der Gruyère die besseren Alleinstellungsmerkmale. Eine solche Art Käse in punkto Geschmack, Konsistenz oder Aussehen gibt es sonst fast nicht. 
Gemäss TSM und Zollstatistik konnte 2006 ein Kilo Schweizer Käse im Schnitt noch für 9.05 Fr./kg exportiert werden. 2016 waren es noch 8.20 Fr./kg. Ein Ausdruck eines härteren Marktes? 
Dies ist zum Teil auch Ausdruck einer Verschiebung innerhalb des Absatzes hin zu preisgünstigeren Käsesorten. 
Im Vergleich zu 2007 kann  heute generell weniger Sortenkäse, dafür mehr «No name»-Käse verkauft werden. Um welche Art Käse handelt es sich hier? 
Das lässt sich nicht pauschal beantworten. Es sind neben Industriekäse auch sehr viele kleinere, feine Sorten, die im Nischenbereich zugelegt haben. Ein Beispiel ist unser Scharfer Maxx, der im Ausland sehr beliebt ist.
Noch stärker als der Export hat der Import zugenommen. Werden hier die Mengen weiter steigen? Welche Rolle spielt die Herkunft im Verkauf? 
Der Schweizer Konsument setzt vor allem beim Halbhart- und Hartkäse auf Schweizer Herkunft. Weichkäse wird von internationalen Marken, vor allem aus Frankreich, dominiert. Und beim Frischkäse gibt es internationale Marken wie Cantadou oder Philadelphia, die auch die Kühlregale in der Schweiz dominieren.
Die Schweizer Milchproduzenten erarbeiten derzeit eine Mehrwertstrategie, damit sie sich die Produkte daraus einst am Markt differenzieren lassen (bspw. Raufutter-Fütterung, gentechfrei etc.). Auch Emmi legt Produktionsbedingungen für Lieferanten fest. Interessieren solche Argumente im internationalen Käsehandel überhaupt? 
Die Schweizer Milchproduktion hat im Ausland noch immer ein sehr gutes und natürliches Image. Dieses Bild gilt es auch in Zukunft zu erhalten. Doch es gibt in der Realität durchaus auch in der Schweizer Milchwirtschaft problematische Themen. Beispielsweise Betriebe mit sehr hohen Milchleistungen pro Kuh und anderen Eigenschaften, die diesem Bild widersprechen. Von daher finde ich es gut, dass sich die Produzenten über Verkaufsargumente und eine entsprechende Gesamtstrategie Gedanken machen. Beim einzelnen Produkt hingegen spielen produktionsrelevante Geschichten eher eine untergeordnete Rolle. Und wir dürfen uns nichts vormachen: Der Konsument legt ein ambivalentes Verhalten an den Tag. Das heisst, dass er sich bei jeder Befragung sehr wohl für Tierwohl und Ökologie ausspricht, den Tatbeweis am Verkaufsregal aber nicht immer erbringt. 



