Die landesweit wichtigste Population des seltenen Dohlenkrebses ist ausgelöscht: In der Lützel bei Laufen wurden Hunderte tote Tiere gefunden. Sie starben an der Krebspest, einer durch resistente fremde Krebsarten sowie Wassernutzer verschleppten Pilzerkrankung.
Vor rund einem Monat war die Krebspest schon im Basler Rhein sowie den lokalen Nebenflüssen Wiese und Birsig festgestellt worden. Dort fand man sie indes bei Signal- und Kamberkrebsen, also bei unempfindlichen eingewanderten Arten. Diese Flüsse wurden zu Sperrgebieten erklärt, um die Verbreitung der Krebspest zu verhindern.
In der Lützel, die bei Laufen BL in die Birs mündet, ist nun jedoch der geschützte seltene einheimische Dohlenkrebs betroffen, wie die Baselbieter Volkswirtschafts- und Gesundheitsdirektion (VGD) am Montag mitteilte. Dessen bisher guter Bestand in der Lützel hatte nationale Bedeutung, auch als Reservoir für Wiederansiedelungen.
Massnahmen uneinheitlich
Die Krebspest habe jetzt aber diesen Bestand «fast zu hundert Prozent» ausgelöscht. Bei den einheimischen Arten Stein-, Dohlen- und Edelkrebs endet die akut verlaufende und durch Sporen ansteckende Erkrankung fast immer tödlich. Die Birs und ihre Nebenbäche waren bisher von der Krebspest verschont geblieben.
Weil die Lützel teils die Grenze zu Frankreich ist, hat der Baselbieter Fischereiaufseher Daniel Zopfi mit den Nachbarbehörden Kontakt aufgenommen. Zu klären sei etwa allfälliger Besatz. Da das Krebspest-Problem nun eine nationale Dimension erreicht habe, hoffe er auch auf Unterstützung vom Bund, sagte er zur Nachrichtenagentur sda.
Wie die Krebspest in den bislang unbehelligten Bach kam, ist noch unklar. Laut Zopfi könnten infizierte Signalkrebse zugewandert oder ausgesetzt oder auch Sporen durch Menschen oder wandernde Tiere eingeschleppt worden sein. Fischer oder Badende kämen also ebenso in Frage wie Vögel. Man habe tote Dohlenkrebs bis hinauf zum Lac de Lucelle im Jura gefunden. Ob in jenem Stau einheimische Krebse überlebt haben und ob es dort Signalkrebse gibt, werde noch untersucht.
lle Gewässer-Nutzer sensibilisieren
Bekämpft wird die für Menschen ungefährliche Krebspest nun mit einem Verbot im ganzen Lützel-Einzugsgebiet, Krebse zu entnehmen und Krebse auszusetzen. Zopfi hofft nicht zuletzt auf die Sensibilisierung aller Gewässer-Nutzenden durch die Berichterstattung.
Fischer werden überdies von den Behörden per Verordnung angewiesen, ihre Angelruten, Stiefel und weitere Utensilien zu desinfizieren, bevor sie diese in anderen Gewässern verwenden. Besonders zu schützen seien jetzt Dohlen- und Edelkrebsbestände in einzelnen Oberbaselbieter Bächen, sagte Zopfi.
Der Kanton Jura, wo die Lützel als Lucelle entspringt, wird laut VGD nicht aktiv; der Bach werde dort nicht befischt. Auch der Kanton Solothurn, dessen Exklave Kleinlützel betroffen ist, verzichte auf Massnahmen. Im Baselbiet und im Jura werden allerdings alle Lützel-nahen Teiche und Tümpel mittels Reusen auf Signalkrebse untersucht.
Wegen bachab geschwemmter Sporen gelten Fliessgewässer unterhalb einer Krebspest-Befallsstelle als verloren für einheimische Krebse. Falls jedoch keine fremden Krebse in der Lützel leben, sondern das Dohlenkrebs-Sterben nur durch eine einmalige Infektion ausgelöst wurde, könnte der Bach nach dem Abebben der Krankheit mangels Wirten wieder durch Dohlenkrebse besiedelt werden, hofft Zopfi.
Reusen-Schlacht
Signal- und Kamberkrebse werden als invasive Arten nicht nur in beiden Basel seit Jahren bekämpft. Unter anderem versucht Zopfi mit arbeitsintensivem Reusen-Abfischen unterhalb des Wehrs Duggingen seit 2006 das Aufsteigen der bachabwärts zahlreichen Signalkrebse in saubere Birsabschnitte zu verhindern. Im letzten Jahr wurden dennoch einzelne Signalkrebse bei Laufen BL gefangen.
Der ursprünglich amerikanische Signalkrebs verdankt seinen Namen blauen Stellen an seinen Scheren. Weil dieser denselben Bach-Lebensraum liebt wie die einheimischen Krebse, bedroht er den Dohlenkrebs. In der Lützel indes wurden gemäss der Mitteilung bislang noch keine Signalkrebse gefunden. Im Gegensatz zu den robusteren, grösseren Einwanderern sind einheimische Krebse rar, weil sie zum Leben saubere naturnahe Gewässer brauchen. «Einheimisch» ist indes relativ: Mönche hatten die Edelkrebse im Mittelalter zum Verspeisen eingeführt.
Einheimische Krebse sind so selten geworden, dass man gegen die Neuen vieles versucht, etwa Austrocknen, Raubfische, Strom oder Gülle. Sie zu eliminieren, wie es geltendes Recht geböte, misslang. Grenzen setzen Verhältnismässigkeit und Akzeptanz, wie der Streit um eine Sumpfkrebs-Vergiftungsaktion im Schübelweiher in Küsnacht ZH Ende der 90er-Jahre zeigte.