Sogenannte zellbasierte Milch verbraucht weniger Wasser, Fläche und Energie und reduziert somit den ökologischen Fussabdruck deutlich, so die Werbung verschiedener Hersteller.
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Das deutsche Startup Senara produziert Milch komplett ohne Kuhstall und Melkmaschine. Im sterilen Labor wächst echte Kuhmilch heran, die biochemisch nicht von klassischer Milch zu unterscheiden ist – das Euter einer echten Kuh hat sie nie gesehen.
«Humaner, sauberer und sicherer – unser Verfahren respektiert das Tierwohl und reduziert zugleich das Risiko von Krankheitserregern drastisch», wirbt Senara für ihre «Labormilch». «Wir arbeiten mit tierischen Zellen direkt aus der Kuh. Die Zellen landen in einer Nährlösung voller Vitamine und Nährstoffe, werden dann in einen Bioreaktor gefüllt, wo sie bei 37 Grad quasi im Hightech-Euter ausreifen und sich rund einen Monat lang vermehren, erklärt Senara-Gründerin Svenja Dannewitz gegenüber «n-tv.de» den weiteren Herstellungsvorgang.
40 Liter Kuhmilch
Zusammen mit ihrem Mann hätten die beiden das Ziel, den wissenschaftlichen Fortschritt aus dem Labor in die Praxis zu bringen. Derzeit produziere Senara nur im Pilotmassstab. Nach Angaben des Startups, wie auf «n‑tv.de» berichtet, bestehe ein riesiger Markt: Jeder Deutsche trinkt jährlich rund 40 Liter Kuhmilch. Zudem könnte die Labormilch als Ersatz für Milchpulver dienen.
Das Startup betont, das Potenzial für eine nachhaltigere, effizientere Milchproduktion ohne Massentierhaltung sei gross, und die Milch lasse sich zudem individuell anpassen – etwa als laktosefreie Variante oder mit besonders hohem Proteinanteil.
UnReal Milk
Auch in den USA bewegt sich die Branche: Wie das US-amerikanisches Wirtschaftsmagazin «Forbes» im Februar 2025 berichtete, wurde dort die erste komplette Kuhmilch aus dem Labor auf den Markt gebracht – die sogenannte UnReal Milk.
Thank you so much @Elliotswartz for sharing from our Forbes article that featured our world’s 1st showcase of cow-free real whole milk - UnReal Milk!
— Brown Foods (@BrownFoods1) February 28, 2025
Read the full forbes article here - https://t.co/6P0A8A1gSzhttps://t.co/8wT0K4HHqqpic.twitter.com/eIG8bcmIg7
Das Bostoner Startup Brown Foods, das hinter dem Produkt steht, nutz ebenfalls Säugetierzellen, um Nährwert, Geschmack und Textur traditioneller Milch zu reproduzieren. Den Gründern zufolge liessen sich daraus Butter, Käse und Eis herstellen. Sie gaben an, dass die Produktion 82 % weniger Treibhausgase, 90 % weniger Wasser und 95 % weniger Land benötige.
Emissionen können deutlich variieren
Auch Senara weist auf die Ressourcenvorteile hin: Ihre zellbasierte Milch verbraucht weniger Wasser, weniger Fläche und weniger Energie, was den ökologischen Fussabdruck deutlich reduziert. Analysen des Nicholas Institute for Environmental Policy Solutions an der Duke University bestätigen, dass die Herstellung von kultiviertem Milchprotein je nach Produktionsmethode weniger CO₂ ausstossen als herkömmliche Milch.
Etwa ob die Zellkulturen eher wie die Fermentation von Zitronensäure oder wie die Herstellung von kultiviertem Fleisch behandelt werden – können die Emissionen deutlich variieren. In manchen Szenarien liegen sie sogar über denen der traditionellen Milchproduktion, wie es in der Zusammenfassung der Studie heisst.
Das Ende der traditionellen Milchwirtschaft?
Die Entwicklung, dass Milch bald auch im Labor produziert werden könnte, nimmt «The Bullvine» zum Anlass für den Titel «Eine Innovation, die Landwirte nicht ignorieren können». Die Nachrichtenplattform für Personen und Betriebe in der Milchwirtschaft fragt sich gar, ob dies das Ende der traditionellen Milchwirtschaft oder der Beginn einer neuen Chance ist.
Milchprodukte aus Laboranbau würden die konventionelle Landwirtschaft nicht über Nacht ersetzen, ist man bei The Bullvine überzeugt. Diese Technologie zu ignorieren sei jedoch ein gefährliches Geschäftsmodell.
Laut dem Nachrichtenplattform «The Bullvine» bietet die Entwicklung sowohl Herausforderungen als auch Chancen für konventionelle Milchproduzenten.
Jakob Cotton
Die Hürden blieben trotz allem noch beträchtlich: Die aktuellen Produktionsmassstäbe sind im Vergleich zu kommerziellen Milchbetrieben winzig, die Extraktionsprozesse müssen verfeinert werden und die Kosten sind für Massenmarktanwendungen nach wie vor unerschwinglich, heisst es im Artikel «Milch aus dem Labor ist da».
Chancen für konventionelle Produzenten
«Diese Hürden sind jedoch technischer, nicht grundsätzlicher Natur, und werden mit Milliardeninvestitionen angegangen. Die Frage ist nicht, ob Labormilch die Preisparität mit konventioneller Milch erreichen wird, sondern wann bestimmte Anwendungen diese Schwelle erstmals überschreiten», so die Analyse des Artikels auf der Plattform.
Der Markt für herkömmliche Frischmilch werde wahrscheinlich noch einige Jahre brauchen, bis er nennenswerten Druck verspürt. Hochwertige Zutaten wie spezielle Proteine für die Lebensmittelherstellung könnten jedoch schon viel früher Konkurrenz bekommen. «Die ersten Schlachtfelder werden Spezialprodukte mit Umweltverträglichkeit sein, die zu höheren Preisen führen», wie es auf «The Bullvine» heisst.
Gesundheitsaspekte dominierten das Verbraucherinteresse an präzisionsfermentierten Milchprodukten, gefolgt von Tierschutz, Geschmack und Umweltvorteilen. Dies schafft laut dem Nachrichtenplattform sowohl Herausforderungen als auch Chancen für konventionelle Milchproduzenten. Es heisst, Betriebe, die besonders nachhaltig wirtschafteten und die Vorteile für Gesundheit und Tierwohl hervorhöben, könnten sich am Markt gut behaupten.