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80 Kühe, 10 Tonnen Alpkäse und 6 Kinder

Kürzlich zogen die letzten Tiere der Familie Moret ins Tal. Davor waren sie auf einer Alp oberhalb von Bulle FR. Sonja Moret stellte dort Gruyère und Vacherin Fribourgeois d’Alpage AOP her. Und gleichzeitig kümmerte sich um ihre grosse Familie.

Julia Spahr |

Die Stube ist einfach eingerichtet. Ein langer Tisch, ein Tresen, dahinter die wichtigsten Küchengeräte. Ansonsten ist der mit Holz ausgekleidete und niedere Raum leer. Trotzdem ist er voller Leben. Während Olivier Moret in der Alpkäserei gerade Älplermagronen über dem offenen Feuer aufwärmt, deckt Sonja Moret den Tisch. Links und rechts des Raumes öffnen sich ständig Türen.

80 Kühe

Kinder schauen rein, verschwinden wieder. Rufen einander zu, lachen und lassen die Türen ins Schloss fallen. Dann kommen sie allmählich und helfen der Mutter. Die 20-jährige Emilie setzt sich neben die 14-jährige Nathalie. Ihnen gegenüber nehmen Mélanie und Adèle Platz (12 und 10). Sie sind den ganzen Frühling und Sommer auf der Alp Les Portes d’Enhaut oberhalb von Bulle und gehen von dort aus zur Schule im Tal.

Auf der Alp stellen die Eltern aus der Milch ihrer 80 Kühe Gruyère d’Alpage AOP und Vacherin Fribourgeois AOP her. Ihr Bruder Nicolas und ihre Schwester Julie sind dieses Jahr nicht dabei, weil sie in der Lehre zum Landwirt respektive zur Schreinerin sind.

Kein Schwimmbad

Während der Sommerferien sind die Schulkinder die ganze Zeit auf der Alp. Und helfen mit. Sie kümmern sich etwa um die Ziegen, wie der nächste Morgen zeigen wird. Während die Mutter schon früh in der Alpkäserei Feuer unter dem Kupferkessi macht, Kulturen und anschliessend Lab in die Milch gibt, die eingedickte Milch schneidet, was den Bruch ergibt, treiben die Mädchen die Ziegen in den Stall, melken sie, schicken sie wieder auf die Weide und misten den Stall.

Emilie, die Älteste und frischgebackene Landwirtin, ist derweil mit der jüngsten Schwester Adèle in Vuadens FR, wo der 46 Hektaren grosse Talbetrieb der Familie steht. Dort kümmern sie sich um die frisch gekalbten Kühe und Kälber, die seit Anfang August wieder auf dem Heimbetrieb sind. Am Abend zuvor, die rauchig dampfenden Älplermagronen stehen auf dem Tisch, tuscheln die Mädchen auf Französisch.

Ob es ihnen nichts ausmacht, die ganzen Ferien auf der Alp zu sein und zu arbeiten, während ihre Freundinnen ins Schwimmbad gehen? «Nein», sagen sie. Und schauen, als hätten sie die Frage nicht verstanden. Der selbst hergestellte Vacherin Fribourgeois AOP schmilzt schnell auf den Älplermagronen. Er ist sehr cremig, leicht säuerlich-milchig – oder laktisch, wie es im Fachjargon heisst. Da sind aber auch würzige Noten, Aromen nach Gras und etwas leicht Fruchtiges. Es ist der Geschmack dieser Alp.

Strenge Auflagen

Von den Pflanzen, die die Kühe der Familie Moret auf den 30 Hektaren Weide während des Sommers fressen. 100’000 Kilo Milch geben sie, und Sonja Moret verkäst sie zu 5 Tonnen Vacherin Fribourgeois AOP und 5,4 Tonnen Gruyère AOP d’Alpage. Dafür muss sie strenge Auflagen einhalten. Die Pflichtenhefte der jeweiligen Käsesortenorganisationen geben sie vor.

Lange ist es noch nicht her, dass sich Morets dem Käse verschrieben haben. Zuvor produzierten sie auf der gepachteten Alp Milch, die zuerst in die Käserei ging und später als Industriemilch abgeliefert wurde. Vor acht Jahren reichten Morets bei den Sortenorganisationen ein Gesuch um ein Alpkontingent ein. Nach mehreren Inspektionen, Investitionen und Anschaffungen von Käsereimaterial bekamen sie das Okay des Lebensmittelamtes. Und Sonja Moret besuchte einen Alpkäserkurs an der freiburgischen landwirtschaftlichen Schule Grangeneuve.

Bis zu 1’500 Laibe

2020 startete sie mit der Produktion von Vacherin Fribourgeois AOP. Zu Beginn der ersten Alpsaison unterstützte sie der pensionierte Käsermeister François Raemy. Das Jahr darauf erhielten Morets auch das Gruyèrekontingent. Raemy sollte ihr auch bei der Produktion dieses Käses helfen. Aber er hatte einen Unfall. Und Olivier und Sonja Moret waren schon nach wenigen Tagen auf sich allein gestellt. Der Käse gelang trotzdem. Schon bei der ersten Gruyèretaxierung wurden alle Käselaibe 1. Klasse taxiert mit 19 von 20 Punkten.

Gelagert wird der Käse nur ein paar Tage bei ihnen auf der Alp. Zu klein ist ihr Reifungsschrank. Nach kurzer Zeit kommt er in den Käsekeller La Tzintre in Charmey der Freiburger Genossenschaft der Alpkäseproduzenten. Dort werden bis zu 1’500 Laibe Vacherin Fribourgeois d’Alpage AOP und 6’000 Stück Gruyère d’Alpage AOP gelagert. Neben vielem anderem hat Sonja Moret diesen Keller neu kennen gelernt. Aber auch wenn sie zuvor keinen Käse produziert hat, war sie schon immer nah an der Landwirtschaft.

Erste Einschränkungen

Sie ist auf einem Bauernhof in Mümliswil SO aufgewachsen und hat später Veterinärmedizin studiert. Während der kalten Jahreszeit ist sie als Ärztin für Grosstiere unterwegs. «Im Winter arbeite ich gegen und im Sommer mit den Bakterien», sagt sie mit Bezug aufs Käsen, wo Milchsäurebakterien eine wichtige Rolle spielen. Bald liegt das Alpleben schon wieder hinter ihnen. Die Gusti kommen in diesen Tagen runter. Die Kühe sind bereits im Tal.

Aus ihrer Milch wird auch fortan Gruyère AOP und Vacherin Fribourgeois AOP. Nicht aber aus eigener Produktion. Die Milch geht in die lokale Käserei. Zurzeit sind Sonja und Olivier Moret etwas besorgt, wie sich bei einer Kaffeepause auf der Alp zeigt. Die USA sind ein wichtiger Markt für Gruyère. Mit den neu eingeführten Zöllen wird der Käse dort aber kaum mehr bezahlbar, was zu einem Einbruch im Export führen könnte. Erste Einschränkung wurden von der Sortenorganisation Gruyère bereits erlassen.

Kuhverkauf wegen Trump

«Wir wissen nicht, was Trump bezüglich Zöllen noch entscheiden wird. Wir wissen nur, dass wir uns an die Einschränkungen halten und etwas mehr Kühe verkaufen werden», sagt Sonja Moret. Denn überschüssige Milch in Industriekanäle abzuliefern, nütze weder ihnen noch der gesamten Branche. Sie blickt vor sich auf den Tisch. Bevor sie wieder ans Kessi geht, um den Käse fertigzustellen, schaut sie auf, in die Gesichter der beiden Töchter, die sich zum Kaffee zu den Eltern gesetzt haben.

«Wollt ihr noch etwas singen?» Ohne sich zu zieren, stehen die beiden Mädchen auf und jodeln mit hellen Stimmen und fehlerfreien Harmonien ein Lied aus dem Kanton Freiburg. Wie die Klänge über die Wiesen ziehen, ist Donald Trump schnell vergessen. Und man denkt, dass aus diesen Wiesen letztlich der Käse wird, der von ihrem Geschmack und der Liebe der Familie zeugt, die ihn den Sommer über jeden Tag mit Liebe herstellt.

Kommentare (5)

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  • Elivaldo | 19.10.2025

    Wie schön, es öffnete sich ein Fenster mit Blick auf eine heile Welt! Meinen Glückwunsch und meinen Dank an die Familie und den Repórter dafür.

  • Stefan | 18.10.2025
    Ich möchte gerne eine Woche bei euch arbeiten seh schöne geshicte mit 6 Kinder super Bravo
  • Özsönmez | 18.10.2025
    Es ist sehr beeindruckend S
  • Martin Koster | 18.10.2025

    Wunderschön zu hören das es heute noch solche Familien gibt. Ein unglaubliches Glück wenn man darf in eine solche Familie hinein geboren werden . Gesundheit, Zufriedenheit und etwas Bescheidenheit sind in der heutigen Zeit vielfach kein Thema mehr. Die Wünsche und Ansprüche sind enorm. Wenige sind noch bereit für ein Miteinander und für die Allgemeinheit einzustehen. Es verlangt von den Eltern bestimmt viel Verzicht und ein Grosseinsatz ab. Aber die haben noch Vorbilder helfen meistens gerne mit. Für solche Leute gibt es bestimmt keine Zukunftsängste. Ich gratuliere euch Eltern und der ganzen Familie für eure Grossleistung. Wünsche euch viel Glück , weiterhin einen guten Zusammenhalt Erfolg und Gesundheit.

  • Ueli | 18.10.2025
    Ein sehr schön geschriebener Artikel.
    Voller emotionaler Einblicke in das Leben der sorgsam umtriebigen Produzenten von wertvollen Nahrungs-, ja Genussmitteln.
    Und Demut ist spürbar - vielen herzlichen Dank für dieses lebenswichtige Engagement in unseren Alpen und für das Feingespür im Artikel.
    Grandios!
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