Ein Burnout (deutsch: Ausbrennen) ist ein Zustand totaler körperlicher, emotionaler und geistiger Erschöpfung, der mit einer verminderten Leistungsfähigkeit einhergeht. Es ist in dem Sinne keine Krankheit, sondern ein Zustand, der sich auch wieder ändern lässt, wie die Geschichte von Agnes Betschart nahelegt.
Es waren verschiedene Ursachen, die Agnes Betschart in ein Burnout geführt haben, lässt sich dem Bericht des «Beobachter» entnehmen. Als Ratschläge aus der Geschichte von Agnes Betschart gehen hervor: die Symptome des Burnouts so früh wie möglich erkennen, sich rechtzeitig Hilfe holen und es also gar nicht so weit kommen lassen. Die Ostschweizer Fachhochschule ist dabei nur eine der Institutionen, die sich darum bemühen, den Ursachen des Burnouts entgegenzuwirken.
Nichts geht mehr
Burnout ist also keine Krankheit, sondern ein Erschöpfungszustand, der durch verschiedene Faktoren ausgelöst wird. Meist baut er sich auch über eine längere Zeit auf, bis es dann zu jenem Moment kommt, wo plötzlich nichts mehr geht. Agnes Betschart hat diesen Moment in einem Lebensmittelgeschäft erlebt. Sie stand vor einem Regal mit Milchprodukten. Und plötzlich ging nichts mehr. Alles war zuviel: Anlass für das Burnout waren die vielen Leute, der Lärm, die grosse Auswahl an Produkten. Doch die Ursachen für dieses Burnout haben schon viel früher ihren Anfang genommen.
Bereits Monate vor diesem Ereignis sei Agnes Betschart dünnhäutig und unkonzentriert gewesen, scheibt der «Beobachter» weiter. Sie hatte Tinnitus, also Ohrensausen, Sehstörungen und Schwierigkeiten einzuschlafen. Agnes Betschart schien zu spüren, dass etwas mit ihr geschieht, und dass es so nicht würde weitergehen können. Eine Frage begann zu dominieren: «Was soll ich jetzt tun?» Sie vertraute sich einer Freundin an, die ihr riet ärztliche Hilfe zu beanspruchen und eine längere Auszeit zu nehmen. Und das tat Agnes Betschart dann auch.
Burnout: wenn es irgendwann einfach nicht mehr weiter, gilt es sein Leben nachhaltig zu verändern. Bild: zvg
Burnout: wenn es irgendwann einfach nicht mehr weiter, gilt es sein Leben nachhaltig zu verändern.
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Bergzone 1
Mit ihrem Mann bewirtschaftet Agnes Betschart einen kleinen Hof in Küssnacht am Rigi SZ. Er befindet sich in der Bergzone 1 und ist also von vielen, auch steilen Hügeln umgeben. Die Betscharts betreiben Mutterkuhhaltung, halten Schafe und bewirtschaften 160 Hochstamm-Obstbäume. Ihr Mann ist daneben auch noch auswärts als Klauenpfleger tätig.
Agnes Betscharts Aufgabe auf dem Hof war es, zu den vier Kindern zu schauen, solange sie noch auf dem Hof wohnten. Dem «Beobachter» erzählt sie, wie die Kinder jeweils voller Enthusiasmus auf dem steilen Gelände herumkletterten. Das Jüngste hätte sie dabei immer in einem Kinderreisebett mitgenommen.
Generationenkonflikt als Stressfaktor
Und hier setzte dann auch bereits der erste Stressfaktor ein. Denn ihr Schwiegervater, der auch noch auf dem Hof wohnte, war damit nicht einverstanden. Die Kinder würden stören, habe er gesagt, erinnert sich Agnes Betschart. Der Schwiegervater hätte sich überall eingemischt, hätte dem jungen Paar Vorwürfe gemacht, sie zu unrentablen Arbeiten angetrieben und Dinge getan, die sie selbst nicht wollten. Auch habe er ihre Privatsphäre nicht genügend respektieren wollen.
Agnes Betschart versuchte Grenzen zu setzen, mit mässigem Erfolg. Ihr Ehemann ging mit dem Konflikt anders um. Er floh in die Arbeit im Nebenerwerb. Denn er war froh, dass ihn sein Vater auf dem Hof noch unterstützte. Erst als der Schwiegervater auszog, änderte sich die Situation.
Ich muss verstehen, was mit mir los ist. Nur so kann ich etwas verändern
«Selbstmord ist nicht mein Weg»
Doch auch der Beruf hat Agnes Betschart gefordert. Sie hätte sich dem enormen Arbeitstempo ihres Mannes angepasst. «Wenn wir das Heu mit dem Bläser wenden, dann rennen wir richtiggehend über die Hoger», erzählt Agnes Betschart. Das Ehepaar hätte sich gegenseitig zu immer höheren Leistungen angetrieben.
Als ihr Mann sich dann noch die Arbeit eines verstorbenen Klauenschneiders auflud, schien dies eine Verpflichtung zu viel gewesen zu sein. Agnes Betschart hatte Angst um ihren Mann. Sie fürchtete, dass er sich durch die zusätzliche Arbeit überlasten und dann vielleicht einen Unfall bauen würde. Also versuchte sie ihn zu entlasten. Sie wollte sich dabei auch nicht eingestehen, dass es zu viel war. «Was andere schaffen, schaffe ich auch!», dachte sie sich.
Körperliche und psychische Symptome zeigten die Überlastung so extrem, dass irgendwann kein Arbeiten mehr möglich war. Einmal zeigte sich kurz der Gedanke, aus dem Dachfenster zu klettern und zu springen. Doch sofort folgte kraftvoll der nächste Gedanke: «Das ist nicht mein Weg. Es geht um Veränderung», sagte Agnes Betschart zu sich. Um etwas Distanz zu gewinnen, hat sie sich für einen Klinikaufenthalt entschieden.
Statt der Schweine halten die Betscharts heute 20 Mutterschafe und ein Schafbock (Symbolbild). Auch durch diese Umstellungen haben sie sich etwas Freiraum geschaffen. Bild: Andreas Thomet
Statt der Schweine halten die Betscharts heute 20 Mutterschafe und ein Schafbock (Symbolbild). Auch durch diese Umstellungen haben sie sich etwas Freiraum geschaffen.
Andreas Thomet
Es einfach anders machen
Obschon sie oft daran zweifelte, glaubte sie fest daran wieder zu einem normalen Leben zurückzufinden. Während ihres Aufenthalts in der Klinik halfen die Kinder und Verwandte auf dem Hof aus. Nach 3 Monaten kehrte sie auf den Hof zurück. Doch denselben Rhythmus wieder aufzunehmen war sie nicht bereit.
Mit ihrem Mann überdachte sie also die Arbeitsabläufe und hat einiges verändert. So haben sie beispielsweise die Schweine verkauft und sich Schafe zugelegt, die weniger arbeitsintensiv sind. Sie hat ihre Garten- und Haushaltsarbeit reduziert, lässt auch einmal etwas liegen, gönnt sich vermehrt Auszeiten und vor allem einen fixen Ruhetag pro Woche.
Sie lässt sich einen Lohn auszahlen und bestimmt jetzt auf dem Hof mit. Heute fällt es anderen schwer sich vorzustellen, in welchem Zustand sie während des Burnouts war. «Ich muss verstehen, was mit mir los ist. Nur so kann ich etwas verändern», beschreibt sie dem «Beobachter» ihre Erkenntnis aus der einstigen Belastungssituation.
Mit Schicksal nicht allein
Dieses Wissen, auch über sich selbst, vermittelt Agnes Betschart heute gelegentlich an Vorträgen. Sie hat sich zum Lebenscoach ausbilden lassen und will Menschen für Burnout sensibilisieren. An den Vorträgen erzählt sie von ihrer Geschichte und von sich und ihrem Mann. Sie berichtet darüber, wie sich ihre Einstellung zur Arbeit und wie sie sich selbst verändert hat. Sie betreibt die Internetseite «Coaching für Veränderung» .
Wichtig sei es, sich rechtzeitig Hilfe zu holen. Agnes Betschart erfährt an diesen Vorträgen auch, dass sie mit ihrem Schicksal nicht allein ist. Denn immer wieder würde sie in den Gesichtern des Publikums eine Träne kullern sehen, so als würde sie eine Geschichte erzählen, die viele aus ihrem eigenen Leben kennen.
Lorez-Meuli ist diplomierte Sozialarbeiterin und Bäuerin und forscht an der Ostschweizer Fachhochschule zur Burn-out-Prävention in der Landwirtschaft mit. Bild: cadonau-chur.ch
cadonau-chur.ch
Burn-out-Prävention in der Landwirtschaft
Die Geschichte von Agnes Betschart lässt erkennen, dass ein Burnout meist mehrere Ursachen hat. Dazu gehören neben einer hohen Arbeitsbelastung, zusätzliche Belastungen durch Nebenerwerb oder Freiwilligenarbeit, auch die fehlenden Erholungszeit, Sorgen und Ängste. Dies ist auch ein Fazit, das Monika Lorez-Meuli dem «Beobachter» mitgibt.
Lorez-Meuli ist diplomierte Sozialarbeiterin und Bäuerin und forscht an der Ostschweizer Fachhochschule zur Burn-out-Prävention in der Landwirtschaft mit. Auch bei Agnes Betschart hätten diese Mehrfachbelastungen im Vordergrund gestanden, heisst es im Bericht weiter. Aber auch die hohen Erwartungen der Gesellschaft, etwa in Sachen Tierwohl und Ökologie, und die fehlende Wertschätzung würden viele Bäuerinnen und Bauern belasten, weiss Lorez-Meuli. Oft kämen auch grosse finanzielle Belastungen hinzu. Wie viele andere Bäuerinnen und Bauern holte sich Agnes Betschart lange keine Hilfe, erkennt Lorez-Meuli.
Wenn Sie mithelfen wollen, Betroffene vor einem Burnout zu bewahren, können Sie bei einem neuen Hilfsangebot mitwirken.
Neues Hilfsangebot
Bäuerinnen und Bauern seien Macher und könnten oft nicht so gut mit Belastungssituationen umgehen, sagt Monika Lorez-Meuli. Sie würden sich eher jemandem anvertrauen, der die Realität auf einem Bauernhof aus eigener Erfahrung kennen würde.
Die Bauernverbände der Ostschweiz sind deshalb daran, auch Tierärzte, Käserinnen, Besamer oder anderweitig in die Landwirtschaft eingebundene Personen auf diese Thematik zu sensibilisieren. Sie sollen bei den betroffenen Landwirtinnen und Landwirten die Symptome eines Burnouts frühzeitig erkennen und sie darauf ansprechen.
Über diese «Brückenbauer» könnte dann auch ein Kontakt zu entsprechenden Institutionen hergestellt werden. Diese Personen müssen dazu aber geschult werden, auch um ihre Rollen und Grenzen zu erkennen. Wer sich an diesem Burnout-Präventions-Projekt beteiligen möchte, kann mit Frau Monika Lorez-Meuli Konakt aufnehmen .