Lucky (l.) und Martina Enderlin treten seit vielen Jahren als «Enderlin Chicks» auf.
zvg
In knappen Corsagen, zerrissenen oder ganz kurzen Jeans sitzen sie auf einem Quad. Sie schauen lachend in die Kamera. So zeigen sich Martina und Lucky Enderlin, die «Enderlin Chicks» aus Bühler AR, auf ihrem ersten Album, das sie selbst geschrieben haben. Es kam 2016 heraus und ist ein Country-Album. Nebst ihren klaren, gut harmonierenden Stimmen hört man Banjo- und Mundharmonikaklänge, die ebenso wie ihr Bandname an die Südstaaten der USA erinnern.
In Idylle aufgewachsen
Sieht man, wo die beiden Schwestern aufgewachsen sind und wo Lucky, die jüngere von ihnen, noch immer wohnt, überrascht das. Es ist ein kleiner Hof mit Besenbeiz. Ziemlich abgelegen und nur mit dem Auto oder zu Fuss über eine kurvige, steile Strasse durch den Wald erreichbar. Selbst der Wanderweg führt abseits ihrer Häuser vorbei. Es ist die pure Idylle. Das ist auch an einem trüben Tag zu erkennen.
Die frühlingsgrünen Hügel erheben sich unter dem grauen Himmel, der Nebel und die Wolken am Horizont lassen den Alpstein darunter nur vermuten, es riecht nach feuchtem Gras, und aufgrund der besonderen Windverhältnisse weht das Glockengeläut der entfernten Kirche in Bühler herüber. Von hier würde man eher Jodel als Country erwarten.
Tatsächlich liegt man damit nicht ganz falsch. Lucky und Martina sind heute nicht mehr die jungen Frauen auf dem CD-Cover. Lucky hat zwei Kinder und arbeitet in einem Büro. Martina ist Köchin und gibt als Selbstständige Kurse zu gesunder Ernährung und gutem Kochen.
Plattenfirma war begeistert
Musik machen sie aber immer noch. Damit haben sie nie aufgehört. Schon als Kinder hat Martina dank der musikalischen Mutter Schwyzerörgeli gespielt und Lucky gejodelt. 2010 traten sie in der SRF-Sendung «Die grössten Schweizer Hits» zusammen mit einem volkstümlichen Medley auf.
Die grosse Plattenfirma Universal war begeistert. Sie wollte sie unter Vertrag nehmen mit dieser Art von Musik. Die Enderlin-Schwestern wollten zu diesem Zeitpunkt aber etwas Neues. Sie wollten weg vom Althergebrachten, ausbrechen aus dem, was sie immer gemacht hatten. Sie wollten Country-Musik spielen.
Also gingen sie in die USA und nahmen unter Universal ihr erstes Album «All Kinds of Beautiful» auf.
Später trennten sie sich vom grossen Partner Universal, um mehr selbst zu entscheiden. Das erste Album mit selbst geschriebenen Songs «On Our Own» kam heraus. Das CD-Cover zeigte sie damals eben mit Corsage und kurzen Jeans.
Das Englische und Amerikanische habe damals zu ihnen gepasst, erzählen sie heute in der Stube der Besenbeiz auf dem Hof ihrer Eltern. Mit den Jahren hatten sie aber immer mehr die Sehnsucht, zu ihren Wurzeln zurückzukehren. Zu mehr Volkstümlichem und vor allem zu ihrer Sprache. Zunächst hätten sie sich nicht getraut, im Appenzeller Dialekt zu singen.
Mut zur Mundart
Heute machen sie genau das. Das Schreiben der Texte fällt ihnen leichter, weil es authentischer ist und besser zu ihnen passt. Gleichzeitig müssen Mundarttexte mehr «Hand und Fuss» haben, wie Martina sagt, weil sie alle verstehen. In ihrer 2021 erschienenen EP, die sinnigerweise «Mundart» heisst, singen sie übers Heimkommen «Hä cho», in «S’Chend» besingen sie ihre Kindheit in der Land- und Waldidylle abseits von Bühler. Zwar sind Country-Einflüsse noch hörbar, tönt mit ihrem Appenzeller Dialekt aber deutlich volkstümlicher.
Ihre neue Ausrichtung kommt gut an. Sie erhielten Anfragen, um mit grossen Namen der Schweizer Musikszene auf Tour zu gehen. Das wäre eine Riesenchance gewesen für die Enderlin Chicks. Sie wären in den grössten Konzertlokalen der Schweiz vor Tausenden von Menschen aufgetreten.
Intensives Hobby
«Wir haben lange überlegt», sagen sie. Dann lehnten sie ab. Es hätte zu viel Einschränkung, zu viel Verpflichtung bedeutet. «Obwohl wir nun wieder mehr Richtung Volksmusik gehen, wollen wir die Freiheit haben, auch mal unsere Folk- und Popstücke zu spielen», sagt Lucky, auf deren T-Shirt «Choose Happy», wähle das Glücklichsein, steht.
«Und wir wollen frei sein in der Annahme unserer Engagements», ergänzt Martina. Sie spielen an kleineren Anlässen, an Hochzeiten und einmal im Monat in der eigenen Besenbeiz an ihren Singabenden. So sind sie nahe bei den Menschen, spüren deren Emotionen und können ihre eigenen besser rüberbringen.
Und sie können frei und spontan bestimmen, mit wem sie zusammenarbeiten wollen. Ihre aktuelle Single klingt sehr volkstümlich und enthält Jodelelemente. Die Enderlin Chicks haben sie zusammen mit Hess-Rusch-Hegner, einer Volksmusikformation, aufgenommen. «Üses Herz schloht Musig», heisst sie und fasst wohl gut zusammen, worum es den beiden geht. Sie wollen, dass ihre Musik ein Hobby bleibt.
Mit den rund 50 Auftritten sei es zwar ein sehr intensives. Aber vermutlich sei die Entscheidung, die Musik nie zum Beruf gemacht zu haben, der Grund, warum sie noch immer mit Freude Songs schreiben und auftreten. Gerade sind die beiden wieder im Tonstudio und arbeiten an einer neuen CD mit Jodel und Mundartmusik, die voraussichtlich Anfang nächsten Jahres erscheint.
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