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Was ein Investmentbanker auf dem Hof lernen könnte

Beatrice Blaser betreibt mit ihrer Familie, Angestellten und Auszubildenden einen vielseitigen Landwirtschaftsbetrieb in Granges-Paccot FR. In ihrer monatlichen Kolumne berichtet sie über Ereignisse, die sie aktuell beschäftigen. Heute sind es die Investmentbanker.

Beatrice Blaser |

Haben Sie sich auch schon gefragt, wie wohl ein CS-Investmentbanker als Kind war? Ich vermute jetzt mal, eher nicht. Dennoch lässt sich nicht verleugnen, dass diese, vorwiegend männlichen Finanzspezialisten, einmal Kinder waren.

Monopoly gespielt

Genau wie Sie, erlebte ich ein Déjà-vu, als ich die Hiobsbotschaft des CS-Bankendesasters vernahm, da ja die letzte Rettungsaktion einer «too-big-to-fail»-Bank, sprich UBS, erst 15 Jahre her ist. Tja, wir leben in einer schnelllebigen Zeit, da kann so etwas schon (noch) mal passieren, nicht wahr? Die Faktenlage ist allen mehr oder auch weniger klar, aber die Frage, wie das nur passieren konnte, darüber wird hin und her spekuliert.

Wenn Sie mich fragen, sind die Anfänge bereits in der Kindheit zu suchen. Ich kann mir bildlich vorstellen, wie so ein, ich nenne es CS-Investmentbanker-Kind, Monopoly gespielt haben muss. Voller Zuversicht und ungebremster Risikobereitschaft kaufte es bereits in der ersten Runde alle wichtigen Gesellschaften und Plätze auf. Allen voran den viel zu teuren «Zürich Paradeplatz», um dann schliesslich nach der zweiten Runde bereits im Gefängnis zu landen und am Ende zu wenig Geld zu haben, um überhaupt über den Start zu gelangen.

10er-Nötli

Oder stellen Sie sich vor, wie so ein CS-Investmentbanker-Kind in der Schule gute Leistungen erbrachte. Wahrscheinlich gaben ihm die Eltern jedes Mal, wenn es eine gute Note erhielt, ein 10er-Nötli. Und mit der Zeit hatte es einen gehörigen Batzen verdient, aber weil es vor allem Freude am Geld und nicht am Gelernten hatte, zockte es mit seinem Vermögen bereits auf dem Schulhof um Pokémon Karten.

In diesem Zusammenhang ein Einschub. Neulich hörte ich einem bekannten amerikanischen Neurologen zum Thema «Motivation» zu. Er stellte eine Studie vor, in welcher sie untersuchen wollten, wie Kinder auf Belohnung reagieren würden, also im Endeffekt, wie sich Belohnung auf ihren Dopaminspiegel – Dopamin aktiviert positive Stimmung, sorgt für Motivation, Antrieb und Lust, fördert die Leistungsfähigkeit und das Wohlbefinden – auswirken würde.

Glücksgefühl nur nach Belohnung

Was die Wissenschaftler herausgefunden hatten, passt irgendwie zu unserem CS-Investmentbanker-Kind: Die Kinder bekamen den Auftrag zu zeichnen. Eine Tätigkeit, die diese Kinder liebten, und dementsprechend war ihr Glücksgefühl während dem Zeichnen konstant vorhanden. Da nun neu, für jede, in den Augen der Experten, gute Zeichnung eine Belohnung erfolgte, strengten sich die Kinder immer mehr an. Nach einer Belohnung erhöhte sich der Dopaminspiegel.

Mit der Zeit jedoch, wenn der Erfolg ausblieb, dann sank das Glücksgefühl unter den Anfangswert des Tests, was schliesslich bedeutete, dass die Kinder nur noch Glücksgefühle hatten, wenn sie die Belohnung erhielten. Am Zeichnen selber hatten sie inzwischen keine Lust mehr. Die Belohnung zerstörte den Prozess des ursprünglich freudigen Zeichnens. Kurz, das Kind hatte nicht mehr Spass und Motivation am Tun sondern nur noch am Gewinn. Wirklich erstaunlich, nicht?

Reflektieren

Und nun zurück zu unserem CS-Investmentbanker-Kind. Wenn dann der Vater nachfragte, was es mit dem Geld gemacht hätte, dann antwortete es: «Hey, Alter, chill, no risk no fun!». Diese Aussage kann man ihm ja nicht verübeln, wenn man sich auf die Ergebnisse der oben genannten Studie bezieht.

Nun, die Frage ist jetzt, was tun die Eltern? Da sähe ich in der Landwirtschaft durchaus zielführende Vorgehensweisen zur Unterstützung von pädagogischen Erziehungsmassnahmen. Aber vorerst die naheliegendsten Lösungsvorschläge, die die Eltern ergreifen könnten: Entweder sie reden und reflektieren mit ihrem Sohnemann über sein Verhalten, in der Hoffnung, dass er von sich aus realisiert, dass man Geld nicht einfach so dumm und achtlos verspekuliert.

Sommerferien auf dem Hof

Oder, das wäre wohl vorerst die sicherste Variante für die Eltern, mal eine Zeit lang auf den Bonus zu verzichten, um die Selbstregulation des Dopaminspiegels in Gang zu setzen. Sollte Massnahme zwei jedoch nicht mehr greifen, da der Bub ja nur fürs Geld lernte, sprich das Ziel ist das Ziel und nicht der Weg ist das Ziel, könnte die Landwirtschaft hier didaktisch unter die Arme greifen. Denn damit der Nachwuchs konkret den Zusammenhang von Geld und Arbeit versteht, muss er es zuerst (be)greifen, im wahrsten Sinne des Wortes. Und was bietet sich da besser an, als die Sommerferien auf einem Bauernhof zu verbringen?

Der allererste Tag könnte in etwa so verlaufen: Der Bub steht um 3.30 Uhr zum Hühner laden auf, dann beginnt er mit Hühnerhalle waschen. Schliesslich gibts Sandwiches um 7.00 Uhr, bis 12 Uhr wird weitergewaschen, dann gibts Mittagessen, er schläft mit dem Kopf auf dem Tisch ein. Um 13 Uhr gehts weiter mit der Hochdruckreinigerarbeit, inzwischen tropfnass und um 17.00 Uhr geht er Kleider wechseln für die Stallarbeit: Kälber tränken, Kühe füttern, Laufstall sauber machen.  Um 18.30 Uhr Abendessen, nachher geht er duschen, sollte er nicht schon mit den Kleidern auf dem Bett eingeschlafen sein. Und am nächsten Tag wird bei 35 Grad am Schatten Heu gemäht, gekreiselt, abgeladen und so weiter und sofort. Gibt es dann mal einen gemütlicheren Tag, weil es das Wetter erlaubt, kann auch mal Monopoly gespielt werden.

Stolz und Zufriedenheit

Und wenn der Junge schliesslich die fünf Wochen erfahren hat, flammt in ihm möglicherweise ein Fünckchen Freude, Stolz und Zufriedenheit auf, weil die Arbeit mit Mensch, Tier und Natur irgendwie Sinn, Muskeln und eine gesunde Gesichtsfarbe macht. Des weiteren stimmt ihn das erlernte Wissen über gesunde Kreisläufe und natürliche Risiken demütig; hoffentlich nachhaltig. Gibt ihm der Bauer dann seinen wohlverdienten Lohn, kann ich mir gut vorstellen, dass der Bub, zumindest vorerst, kein Risiko mehr eingeht… ansonsten gibt’s ja wieder Sommerferien. 

Jetzt bleibt nur noch offen, in welche Bank das Kind das ehrlich und so hart verdiente Geld bringen soll. Zur UBS?

Kommentare (2)

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  • Daniela Blaser | 30.05.2024
    Ich finde es sehr interessant, wie Beatrice Blaser in ihrer Kolumne darstellt, welche Lehren ein Investmentbanker auf dem Hof lernen könnte. Ihre Schilderungen verdeutlichen eindrucksvoll, wie das Leben auf einem Bauernhof dazu beitragen kann, wichtige Werte wie harte Arbeit, Verantwortung und den Zusammenhang zwischen Geld und Arbeit zu verstehen.

    Blaser bringt auf den Punkt, dass das Erleben der Realität auf einem Landwirtschaftsbetrieb, wie das frühe Aufstehen und die körperlich anstrengende Arbeit, ein gutes Gegengewicht zu den oft abstrakten und risikoreichen Tätigkeiten in der Finanzwelt bietet. Indem sie schildert, wie ein Tag auf dem Hof aussieht – vom Hühnerladen um 3.30 Uhr über das Reinigen der Hühnerhalle und das Tränken der Kälber bis hin zur Arbeit im Stall und dem Heumähen – vermittelt sie ein eindrucksvolles Bild davon, was es heißt, wirklich zu arbeiten und die Früchte seiner Arbeit zu sehen.

    Ich habe den Artikel auf https://trovas.ch/bg verlinkt, weil ich denke, dass er eine wertvolle Perspektive bietet, insbesondere für Eltern, die ihre Kinder nicht nur in Bezug auf finanzielle Bildung, sondern auch in Bezug auf lebenspraktische Fähigkeiten und ethische Werte fördern möchten. Vielleicht inspiriert dieser Artikel auch andere, ihre Kinder in den Sommerferien mit dem Leben auf dem Hof in Berührung zu bringen – eine Erfahrung, die weit über das Spielen mit Bananenschachteln hinausgeht und tiefe, nachhaltige Eindrücke hinterlassen kann.
  • Darya | 14.12.2023
    sehr schön geschrieben, ich mag die Perspektive und den Vergleich zur kindlichen Entwicklung. Meine Lieblingsstelle: „weil die Arbeit mit Mensch, Tier und Natur irgendwie Sinn, Muskeln und eine gesunde Gesichtsfarbe macht“. Das Ende wirkt noch immer nach!
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