Martin Cantieni aus Pignia GR ist nicht nur Landwirt, sondern zusätzlich auch noch Zimmermann, Jäger und Damhirschhalter. Nebenbei ist er auch noch Mitglied im Gemeindevorstand von Andeer. Er führt aus, weshalb ihm Engerlinge und Wölfe Sorgen bereiten.
Wenn der Hof von Martin Cantieni in Pignia GR von der milden Herbstsonne beschienen wird, wirkt er wie ein Bilderbuchidyll. Wo andere Ferien machen, bewirtschaftet der Bauer seinen Bergbetrieb mit knapp 20 Hektaren Land.
Hirsche und Kühe
Doch damit sein Betrieb, dessen Land in der Bergzone III und zu einem noch grösseren Teil in der Bergzone IV liegt, auch rentabel bewirtschaftet werden kann, musste Martin Cantieni einige Änderungen vornehmen, nachdem er ihn von seinem Vater übernommen hat.
«Mein Vater hat früher Milchvieh plus Aufzucht im Anbindestall gehalten. Ich wusste, dass das mit den veränderten, strengen Auflagen heute auf unserem Betrieb nicht mehr funktioniert», erklärt der Landwirt. Darum habe er auf Mutterkühe und weg vom Anbindestall auf Freilaufhaltung und zusätzlich auf biologische Produktion umgestellt. «Mein Vater hat es zuerst schon bedauert, dass bei uns nicht mehr gemolken wird. Trotzdem hat er meine Entscheidung verstanden und unterstützt.» 2016 stieg Martin Cantieni zusätzlich in die Damhirschzucht ein.
Damhirsche sehr schüchtern
«Das ist eine spannende Nische, da das Fleisch besonders im Herbst sehr gefragt ist. Es ist zart und hat einen viel weniger stark ausgeprägten Wildgeschmack, als es das Hirschfleisch von der Jagd hat.» Im Kanton Graubünden waren es im Jahr 2016 nur 16 Betriebe, auf denen Damhirsche gezüchtet wurden. «Das ist relativ wenig, wenn man bedenkt, dass es in der gesamten Schweiz über 300 Betriebe mit Damhirschhaltung gibt.» Um sich das Fachwissen für den richtigen Umgang mit seinen Tieren anzueignen, hat Martin Cantieni Weiterbildungskurse besucht.
Therese Krähenbühl
«Im Vergleich zu Kühen sind Damhirsche sehr schüchtern und eben doch eher Wildtiere.» Auch die Zucht sei etwas komplexer. Toni, ein imposanter Damhirsch, ist der Chef seiner Herde. Ein jüngerer Hirsch, den Martin Cantieni zur Zucht nachziehen will, fordert Toni immer mal wieder zum Kampf heraus. «Heute ist Toni aber sehr ruhig. Es ist Brunftzeit, und er war wohl die ganze Nacht beschäftigt», stellt der Bauer lachend fest.
Anfang Herbst ist die Zeit, in der Martin Cantieni einige Tiere aus seiner Herde schiesst. «Vorher ist eine Schau der Tiere durch einen Veterinär vorgeschrieben.» Das Schiessen von Tieren ist Martin Cantieni als passioniertem Jäger vertraut. «Es ist aber schon ein Unterschied, ob man einen Damhirsch oder ausgewachsenes Rotwild vor der Flinte hat.»
Wölfe und Engerlinge
Zu Martin Cantienis Betrieb gehören auch noch zwei Maiensässe und Land bis auf 2200 Meter hoch. Auch hier hat er seinen Betrieb um ein weiteres Standbein erweitert. Er hat ein Maiensäss umgebaut und vermietet es nun an Feriengäste. Für den gelernten Zimmermann, er hat auch den Unterstand für seine Hirsche selbst gebaut, war das ein spannendes Projekt. «Ich arbeite immer noch von Oktober bis Ende Mai 60 Prozent als Zimmermann», erklärt Martin Cantieni.
Zusätzlich ist der Landwirt auch noch Mitglied des Gemeindevorstandes von Andeer, zu dem sein Wohnort Pignia gehört. In der Funktion als Gemeindevertreter und Bauer bereitet ihm für den kommenden Winter auch das Beverin-Wolfsrudel Sorgen. «Es ist ein Problemrudel, das sogar in den Medien immer wieder auftaucht. Uns hat es in einem Sommer auf der Alp einen Esel gerissen.» Doch es seien nicht nur die Tiere, die es zu beschützen gelte.
Therese Krähenbühl
Wolf regulieren
«Viele Familien haben mittlerweile Angst, ihre Kinder an den dunklen Wintertagen allein zur Schule zu schicken oder draussen spielen zu lassen, da die Wölfe immer wieder am Dorfrand gesehen werden.» Für Martin Cantieni ist klar, dass man schneller eingreifen und den Bestand rigoros regulieren sollte. «Leider gibt es auch zahlreiche Menschen aus der städtischen Umgebung, die das nicht verstehen, weil sie nicht direkt von diesem Problem betroffen sind und nicht wissen, wie sich die Angst um die eigenen Tiere anfühlt.»
Dies ärgere ihn vor allem auch deshalb, weil die Wölfe nicht zur Versorgung mit Nahrung jagen würden. «Wir finden immer wieder Tiere, die nur angebissen wurden und dann langsam und qualvoll verenden.» Nebst den Wölfen sind es auch noch Engerlinge, die auf dem Betrieb für Herausforderungen sorgen. «Seit drei Jahren machen sie unsere Weiden kaputt, obwohl wir versuchen, sie mit einem Pilz im Boden zu bekämpfen.»
Therese Krähenbühl
Ein Familienbetrieb
An diesem sonnigen Herbsttag sind solche Probleme irgendwie unvorstellbar, und dennoch gehören sie genauso zu Martin Cantienis Leben wie das imposante, malerische Bergpanorama. «Einen Betrieb wie meinen zu führen, bringt seine Herausforderungen mit sich. Ich bin aber sehr dankbar, dass ich von meiner Familie und der Partnerin unterstützt werde», betont Martin Cantieni. Da kommt auch schon sein Neffe Marco Stucki um die Ecke gefahren.
Er ist extra, wie fast jedes Wochenende, aus Zürich angereist, um bei seinem Onkel und Götti auf dem Betrieb zu arbeiten. Nach einem kurzen Wortwechsel fährt der junge Mann mit einer grossen Ladung Mist, die ausgebracht werden muss, weiter. «Ohne solche Hilfe wäre es nicht möglich, die steilen Bergwiesen, bei denen so viel Handarbeit anfällt, zu bewirtschaften.»
Aber auch für solche Leute wird es sich bald ändern.