Ein junger Mann joggt über tiefverschneite Felder, durch kleine Tannenwälder. Der Schnee knirscht regelmässig unter seinen Füssen, ein paar Krähen rufen in den stillen Winternachmittag. Der junge Mann zündet die Stirnlampe an, so düster ist es schon. Noch düsterer ist es in seinem Stall, wo er kurz darauf mistet. Die Kühe sind an rasselnde Ketten gebunden, er muss die Schubkarre so stellen, dass sie das von der Decke tropfende Wasser auffängt.
In landwirtschaftlicher Welt
So fängt «Bisons» an. Der neue Film von Pierre Monnard, der an den Solothurner Filmtagen Premiere feierte, dort für den Prix du Public nominiert war und jetzt im Rennen ist für den Schweizer Filmpreis. Monnards Name dürfte vielen nicht auf Anhieb geläufig sein. Ganz anders seine Arbeiten. «Platzspitzbaby», den Film über die Tochter einer heroinsüchtigen Frau, die SRF-Krimiserie «Wilder» und die SRF-Serie «Neumatt» dürften die meisten kennen.
Mit Letzterer hat sich Monnard bereits der landwirtschaftlichen Welt gewidmet, und «Bisons» spielt wie in schon den ersten Szenen des Films zu erkennen, ebenfalls im bäuerlichen Milieu. Nicht aber auf einem Betrieb nahe Zürich, sondern auf einem abgeschiedenen Hof im Waadtländer Jura.
An den Solothurner Filmtage feiert der neue Film von Pierre Monnard, «Bisons» Premiere.
zvg
Hoffnung und Konflikte
Stall und Wohnhaus sind nicht auf dem neusten Stand. Alles ist heruntergekommen, behelfsmässig geflickt. Steve, der schweigsame, kräftige junge Mann arbeitet unerbittlich gegen die Widrigkeiten. Der kranken Kuh misst er Fieber, zum Ausgleich geht er ins Schwingtraining. Dort bekommt er als grosse Hoffnung fürs Eidgenössische Schwingfest Anerkennung.
Dann kehrt der Bruder Joël nach drei Jahren aus dem Gefängnis zurück. Er ist nicht schweigsam wie Steve, er ist aufbrausend, das schwarze Schaf. Mit seiner Rückkehr brechen Konflikte auf. Der kürzlich verstorbene Vater hat der Mutter und den beiden Söhnen nichts als Schulden hinterlassen. Der Gläubiger treibt sie nun ein. Kann die Familie nicht zahlen, will er den Hof kaufen.
Hier war die Welt noch in Ordnung. Steve als Schwingerhoffnung fürs Eidgenössische.
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Illegale Kämpfe
Das will Joël nicht zulassen. Der verzweifelten Mutter sagt er mantramässig: «Wir verkaufen den Hof nicht.» Und er überredet seinen kräftigen Schwinger-Bruder, an illegalen Kämpfen in Frankreich teilzunehmen. Der will nicht. Joël verweist aufs Heu, das niemals bis Ende Winter reichen würde, die fiebrige Kuh wird notgeschlachtet und aus dem Stall gezerrt. «Jetzt ist kein guter Moment für ein schlechtes Gewissen. Wir brauchen Geld», sagt er dem Bruder.
Der Vater habe ihn gelehrt, Respekt vor dem Gegner zu haben. Das unterscheide den Menschen vom Tier, sagt Steve. Beim Schwingen sei das Wichtigste, dem unterlegenen Gegner am Schluss das Sägemehl vom Rücken zu klopfen. Das brauche er bei diesen Kämpfen nicht zu tun, sagt Joël. Steve steigt also in den Ring. Erfolgreich. Sie gewinnen Geld. Viel Geld. Ein Lichtblick für den Hof. Doch zu welchem Preis? Steve ist ständig verletzt, wird aggressiv und fliegt aus dem Schwingclub, ein anderer steigt zur Hoffnung fürs Eidgenössische auf, der Trainer, eine Vaterfigur, verstösst Steve.
Intime Momente
Er muss die Schwingerwelt hinter sich lassen. Wenn er einem unterlegenen Gegner doch den Rücken klopft, fühlt sich dieser provoziert und schlägt ihn. Die befreundete Tierärztin muss spätnachts die tiefen Wunden verarbeiten, was zu einer der berührenden Szenen des Films führt. Die Ausschnitte und die Aufnahmen erinnern an den intimen Moment vor einem ersten Kuss, wie sie ihm zögerlich den Reissverschluss des Pullovers öffnet, um die Wunde zu sehen, an schüchterne erste Annäherungsversuche. Wäre da nicht das Elend, könnte sich hier etwas Schönes entspinnen. Doch sie desinfiziert die Wunde und näht. Bald steht der nächste Kampf an.
Nach einem gewonnenen Kampf ist die Euphorie gross.
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Nichts von Vergebung
Während Joël und Steve ständig nach Frankreich reisen, Steve seine Wunden zu verbergen sucht, resigniert die Mutter. Sie meint: Der Gläubiger wolle einen guten Preis zahlen, Steve könne auf seinem Hof arbeiten. Doch die Brüder wollen davon nichts wissen. Während ihrer Reisen tragen sie Konflikte aus der Vergangenheit aus. Die Ablehnung des Vaters sitzt bei Joël tief, die Last der Verantwortung bei Steve.
Am Grab ihres Mannes hält die Mutter eine versöhnliche Rede. Man glaubt, es ende nun alles gut, sie lernten Vergebung und Loslassen. Doch die Brüder haben einen Plan für die Zukunft des Hofs. Der Plan gibt dem Film den Namen. Dafür brauchen sie noch mehr Geld. Das wollen sie bei einem «letzten Kampf» verdienen.
Aus anderen Filmen weiss man zur Genüge, dass ein «letztes Mal» selten gut ausgeht.
Kampf im Käfig
Steve kämpft diesmal in einer besonders unangenehmen Umgebung. In einem Käfig. Wie schon bei den anderen Kampfszenen ist sie nicht voyeuristisch gefilmt. Die Körper werden nur ausschnitthaft gezeigt, oft geht die Kamera auf die Zuschauer. Die Kämpfe, bei denen keine Regeln zu gelten scheinen, werden so nicht zur Zumutung für die Zuschauenden, und trotzdem wird die Brutalität deutlich. Der Kampf ist zu Ende, alles scheint gut zu sein. Doch ist es das wirklich? Steve irrt durch dunkle Räume und sucht seinen Bruder. Das Motiv der Düsterheit wird erneut aufgegriffen, wie zu Beginn im Stall. Nicht nur, um zu erfahren, wie der Film ausgeht, lohnt sich ein Kinobesuch.
Der Schmerz, die Last der Verantwortung und der Vergangenheit werden nicht zuletzt dank dem Schauspieler Maxime Valvini, der Steve verkörpert und privat Kampfsport betreibt, deutlich. Durch sein bedächtiges, ruhiges Spiel vermittelt er die Stimmung der Schwermut überzeugend und berührend.
Die euphorischen Momente, z.B. im Sonnenschein am Meer nach einem gewonnenen Kampf, in denen Joël, gespielt von Karim Barras, richtig aufblüht, verheissen letztendlich doch noch Hoffnung auf ein gutes Ende. Wie hell oder dunkel die Zukunft der Familie tatsächlich sein wird, lässt das Ende des Films vermuten.
«Bisons» kommt diese Woche in die Schweizer Kinos.
Verlosung
Wir verlosen 5x2 Kinotickets. Sie sind in der ganzen Schweiz in jedem Kino, das «Bisons» zeigt, einlösbar.
Senden Sie uns ein Mail mit dem Betreff «Bisons» und geben Sie ihre Postadresse an. Einsendeschluss ist der 18. Februar um Mitternacht.
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