Im Herbst ist bekanntlich Pilzsaison. Dieses Jahr scheinen Pilze besonders viel Präsenz zu haben. Und zwar nicht nur wie gewohnt in Saucen zum Wild, in Form von Eierschwämmchen über dem Nüssler oder als Trophäen nach einem Herbstausflug in einem Körbchen auf Instagram. Es sind eher die Zuchtpilze, die omnipräsent schienen.
Pilze als Fleischersatz
Letzen Monat fand in Zürich die Food Zurich , ein Festival rund um Lebensmittel und Essen, statt. In diesem Rahmen wurden diverse Mittagessen, Dinner und Apéros serviert. Im Vordergrund standen des Öfteren Pilze. Verschiedene Zuchtpilze wie etwas der Austern-, der Zitronen- oder der Rosenseitling. Ebenso der Igelstachelbart etc. Oft wurden sie als Fleischersatz gereicht.
Raphael Lüthy, der Kreativkoch der vegetarischen Tibits-Restaurants , kochte an einem Anlass im Rahmen der Food Zurich zum Beispiel ein Sechs-Gang-Menu, das praktisch nur aus Pilzen bestand. Da gab es zum Beispiel eine Misosuppe mit Shiitake-Pilzen oder einen Ring aus dem Stamm des Kräuterseitlings, der einer Jakobsmuschel gleich auf einem Spinat-Safran-Risotto daherkam.
Für Lüthy sind Pilze interessant, weil er fleischlos kocht. «Mit ihre Vielseitigkeit können sie jedes Gericht besonders machen. Pilze sind auch aus ernährungstechnischer Sicht ein Mehrwert für jede Küche. Immer häufiger bieten sie eine ideale Alternative zu Fleisch und Meeresfrüchten», sagt er.
Tibits-Koch Rahpael Lüthy kocht gern mit Pilzen
zvg
Food Scouts setzen auf Abwechslung
Auch der Autor und Food Scout Dominik Flammer sagt, dass Pilze in die Gastronomie gehören und jedes Gericht bereichern können. Er sieht sie allerdings nicht primär als Fleischersatz. «Wir sind Omnivore und können Fleisch in unsere Ernährung integrieren.» Er selbst liebe gutes Fleisch.
Pilze seien aber eine fantastische Möglichkeit, unseren Speiseplan abwechslungsreicher zu gestalten. «Jeden Tag ein Schnitzel zu essen, wird mit der Zeit langweilig. Da kann ein gutes Pilzgericht sehr gelegen kommen», fährt er fort. Im Rahmen seines Mushroom Pre-Labs veranstaltete er diverse Kurse primär für Gastronominnen und Gastronomen, weil er die Pilze vermehrt in die Restaurants bringen will.
Gesteigertes, aber immer noch eher bescheidenes Interesse
Nicole Badertscher, Geschäftsführerin der Schweizer Pilzproduzenten (VSP) , bestätigt, dass sich ein gesteigertes Interesse rund um Zuchtpilze abzeichnet. Vereinzelt in der Gastronomie, vorwiegend aber in privaten Haushalten finden sie vermehrt Eingang, weil sie vielseitig einsetzbar seien und zu einer ausgewogenen Ernährung beitragen, sagt sie.
Zudem können sie eine interessante, natürliche und unverarbeitete Fleischalternative darstellen. Nicht nur in einer Saucen, sondern auch als Hauptbestandteil eines Gerichts. «Pilze sind im Trend», sagt sie. Der werde sich noch weiter entwickeln wegen der neuen Ess- und Kochgewohnheiten und durch Inputs aus der ganzen Welt über die sozialen Medien.
Gerade in der asiatischen Küche bestehen viele Gerichte mit Pilzen. In einigen asiatischen Ländern liege der Pro-Kopf-Konsum von Pilzen bei mehr als 12 kg im Jahr, sagt Badertscher. In der Schweiz sind es noch nicht ganz so viele. Im Durchschnitt essen Schweizerinnen und Schweizer 1,5 kg Pilze pro Jahr. Mit leicht steigender Tendenz.
Nicole Badertscher ist Geschäftsführerin der Schweizer Pilzproduzenten.
zvg
Kalorienarm
Auch bei gesundheitsbewussten Menschen sind Pilze interessant, weil sie wenig Kalorien enthalten. Das war allerdings lange der Grund gewesen, warum sie gerade keinen Eingang in unsere Küche fanden. Pilze haben zwar einige Vitamine und Mineralstoffe, enthalten aber kaum Fett oder Kalorien.
Früher brauchten die Leute aber genau das. «Vor über 100 Jahren waren viele Bauern, Förster oder Fischer, sie bewegten sich viel und hatten kaum Interesse an kalorienarmen Speisen», sagt Food Scout Flammer. Deshalb erlebten Pilze erst nach und nach einen Aufschwung. Der ist jetzt aber im Gang, und einige wollten Teil davon sein: «Wir erhalten in der letzten Zeit mehr Anfragen von Leuten, die Pilze züchten wollen», sagt sie.
Chancen in der Direktvermarktung
Es werden einige kleinere Betriebe und Start-ups gegründet, die nicht Mitglieder im Verband seien, weshalb Badertscher dazu keine klaren Zahlen nennen könne. Der VSP zählt 13 Mitglieder. Auf die Anfragen gebe sie jeweils zu bedenken, dass es «für eine professionelle Pilzzucht eine fachgerechte Infrastruktur braucht.
Dazu benötigt es Investitionskapital.» Chancen sehe Badertscher in der regionalen oder der Direktvermarktung. Der Detailhandel ist mit Schweizer Kulturpilzen momentan gut abgedeckt. Dort gibt es etwa Austern- und Kräuterseitlinge zu kaufen oder
Shiitake.
Wer andere aussergewöhnlichere Edelpilze will wie Zitronenseitling, Rosenseitling oder den Igelstachelbart, wendet sich an die Start-ups und kleineren regionale Produzenten. An die Firma Ostschweizer Pilze zum Beispiel, an Regio-Pilz in Oberrieden ZH oder an Fungi Futuri in Steffisburg BE, um nur einige zu nennen.
Der Biobetrieb der Familie Schneebeli konzentriert sich bei der Pilzzucht vor allem auf die Produktion von Austernpilzen, baut aber auch noch Shiitake und Limonenseitlinge an.
Renate Hodel
Bessere Holzpreise
Flammer ermuntert Landwirtinnen und Landwirte, die Möglichkeit der Pilzzucht trotz Hürden für sich zu prüfen. «Die Nachfrage wird noch mehr steigen, da bin ich überzeugt», sagt er. «Wenn Bäuerinnen und Bauern die Chance verpassen, machen es andere.»
Als Chance für Bauern sieht er auch, dass Pilzzüchterinnen für ihre Kulturen Substrate brauchen, in denen zum Beispiel Buchenholz enthalten ist. Er ist der Meinung, dass direkte Zusammenarbeit zwischen Pilzzüchtern und Bauern gewinnbringend sein kann und dass Bauern auf diese Art bessere Preise für ihr Holz erzielen können.
Kräuterseitlinge wachsen aus einem Substrat, in dem auch Buchenholz enthalten sein kann.
jul
Tipps von Spezialisten
Selbst wenn Bäuerinnen und Bauern gerade keine Möglichkeit haben sollten, in die Pilzproduktion einzusteigen, können sie sich von den neuen Geschmäckern überzeugen, die Pilze zurzeit in immer grösseren Stil in unsere Küche bringen. Flammer sagt zum Beispiel, dass der Igelstachelbart auf japanische Art, tempuramässig paniert, hervorragend schmecke. Oder ein gebratener Rosenseitlig sei wahnsinnig gut zu Rösti.
Raphael Lüthy vom Tibits hebt besonders den Kräuterseitling hervor: «Wenn man ihn in feine Streifen schneidet, richtig mariniert und im Ofen heiss bäckt, schmeckt er ein bisschen nach Poulet. Da er ziemlich gross sei, könne man ihn ausserdem füllen, zum Beispiel mit getrockneten Tomaten und Oliven.
«Sehr gut schmecken Kräuterseitlinge aber auch einfach halbiert auf dem Grill mit vielen Kräutern wie Rosmarin, Thymian und Salbei», so der Koch.
Der «Schweizer Bauer» hat von zwei erfolgreichen Pilzzucht-Betrieben berichtet: