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Landschaftsqualität: Viel Aufwand – wenig Ertrag

In Appenzell Innerrhoden stapeln die Älpler Kuhfladen auf Haufen und verteilen sie später von Hand. Ab diesem Jahr bekommen sie dafür Geld aus Bern – und für manches andere ebenfalls.

Eveline Dudda, lid |

 

 

In Appenzell Innerrhoden stapeln die Älpler Kuhfladen auf Haufen und verteilen sie später von Hand. Ab diesem Jahr bekommen sie dafür Geld aus Bern – und für manches andere ebenfalls.

Seit Anfang Jahr ist die neue Agrarpolitik 2014-17 in Kraft. Statt wie bisher Tierbeiträge gibt es nun beispielsweise Geld für Landschaftsqualität und artenreiches Grünland. Genau um diese neuen Beiträge ging es kürzlich am zweiten Tag der Alpexkursion, welche Franz Sutter von der Agridea organisiert hat. Die Exkursion führte nach Appenzell Innerrhoden, wo sich das prächtige Alpenpanorama bis kurz vor der Abreise in Regenwolken hüllte. Doch die Teilnehmer waren ohnehin nicht zur Erholung da, sondern um sich auszutauschen und dazuzulernen.

Artenvielfalt auf Südhänge begrenzt

Primus Bärtschi vom Landwirtschaftsamt Appenzell berichtete von seinen Erfahrungen mit der Erfassung artenreicher Grünlandflächen im Sömmerungsgebiet. Sobald diese Flächen eine Mindestanzahl bestimmter Pflanzen aufweisen, können die Alpbesitzer neu einen Biodiversitätsbeitrag in Höhe von 150 Franken pro Hektar geltend machen. Bärtschi hat zwischen Anfang Mai und Ende Juli 117 der 153 Sömmerungsbetriebe des Kantons Innerrhoden kontrolliert.

Mit grossem Erfolg: Lediglich 13 Betriebe erreichten die Mindestanforderungen nicht, weitere 11 waren nicht zur Kontrolle angemeldet. Von den anderen erfüllte fast die Hälfte der Fläche (rund 42%) die Bedingungen, die der Bund für artenreiche Grün- und Streueflächen definiert hat. Allerdings ausschliesslich auf den Südhängen. Das liegt nicht an der Bewirtschaftung, sondern an den Beurteilungskriterien, wie Bärtschi bemängelt: "Der vorgegebene Pflanzenschlüssel benachteiligt ganz klar die Nordhänge."

Die Kontrolle selbst lässt sich mit einem geübten Auge recht speditiv erledigen. Schwieriger ist dagegen die Einschätzung der beitragsberechtigten Fläche: "Das war auch schon in den Kursen so. Bei der Frage des Flächenanteils mit Qualität gab es jeweils die grössten Unterschiede unter den Kontrolleuren." Und für die Auszahlung zählt nun mal ausschliesslich die Fläche. Kaum einen Einfluss auf das Ergebnis hat dagegen der Kontrollzeitpunkt, wie Bärtschi festgestellt hat: "Ausser der ährigen Rapunzel lassen sich alle Pflanzen über einen langen Zeitraum eindeutig bestimmen."

Appenzell wollte schlanke Umsetzung

Wesentlich komplexer als die Erfassung der artenreichen Weiden erwies sich die Umsetzung der neu eingeführten Landschaftsqualitätsbeiträge. Franziska Grossenbacher vom Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) führte noch einmal die Gründe für die Einführung dieser Beiträge ins Feld: "Es gab bislang keine Möglichkeit, landschaftsprägende Elemente wie Terrassenlandschaften im Engadin, Kastanienselven im Tessin oder Waldweiden im Jura zu fördern."

Da es in Appenzeller Innerrhoden (und den meisten anderen Kantonen) weder Kastanienselven noch Terrassenlandschaften oder Waldweiden gibt, mussten sich Bauern, Berater und Behördenvertreter etwas einfallen lassen, um die vom Bund in Aussicht gestellten Gelder abholen zu können. Stefan Müller vom Landwirtschaftsamt in Appenzell hatte ursprünglich "eine schlanke Umsetzung" im Kopf, doch es stellte sich heraus, dass das unmöglich ist.

Viel Aufwand – wenig Ertrag

Müller: "Wir wollten möglichst viele Interessengruppen einbeziehen und führten deshalb mehrere Workshops durch. Anschliessend besprachen wir unsere Vorschläge mit dem BLW." Dann kam die aufwändige Erarbeitung der Vereinbarungen mit den Betrieben zuletzt und nicht zuletzt die vielen Fragen: "Wir haben ständig Telefonanrufe wegen diesen Beiträgen." Eine Feststellung, die übrigens auch die Berater anderer Kantone machen.

Als Landschaftsqualitätselemente zählen im Innerrhödler Sömmerungsgebiet künftig neben Ordnung ums Alpgebäude, den gemischten Herden (Rindvieh und Geissen), der Milchverwertung mit Alpschweinen, traditionellen Holzzäunen um die Alphütte und anderem mehr auch die Kuhfladen, die traditionell zu einem Haufen zusammengetragen werden. Sie werden anschliessend ganz gezielt dort verteilt, wo man mit dem Miststreuer nur schlecht hinkommt.

Fur viele Touristen sind diese kleinen Misthaufen etwas Besonderes. Weil dahinter aber viel Handarbeit steckt werden die Fladenhaufen auch im traditionsbewussten Innerrhoden immer seltener. Künftig kann der Mehraufwand fürs Misthäufeln mit 10 Franken pro Are abgegolten werden. Reich werden die Bauern dabei nicht, wie Müller erklärte: "Im Schnitt erhalten die Betriebe alles in allem zwischen tausend und zweieinhalbtausend Franken Landschaftsqualitätsbeiträge." Sein Fazit fällt deshalb reichlich nüchtern aus: "Der administrative Aufwand ist im Vergleich zu den ausgeschöpften Mitteln sehr gross."

 

Locken höhere Beiträge mehr Talvieh in die Höhe?

Dass die neuen, höheren Alpungs- und Sömmerungsbeiträge in der AP14-17 den bisherigen Rückgang der Bestossungszahlen kaum stoppen werden, haben Stefan Mann und Gabi Mack von der Forschungsanstalt Agroscope mit Modellrechnungen aufgezeigt. Das erscheint logisch, denn je weniger Vieh gehalten wird, desto weniger wird auch gealpt. Daran ändern die neuen Alpungsbeiträge wenig. Diese Beiträge sind eigentlich nur für Talbetriebe und jene Betriebe, die bisher kein Vieh gealpt haben, wirklich interessant, weil sie damit den Wegfall der Übergangsbeiträge kompensieren können.

In der Praxis ergibt sich folgendes Bild: Am 1. Juli 2013 waren 368'165 Rinder auf einem Sömmerungsbetrieb registriert, dieses Jahr waren es 9'000 mehr, nämlich 377'319. Ob diese Rinder aus dem Tal- oder Berggebiet stammen, kann der Datenbank der Identitas zwar nicht entnommen werden. Jürg Guggisberg von der Identitas konnte aber einen Vergleich anstellen: "Wir verglichen die Anzahl Tiere aus dem Thurgau, Zürich und Aargau der Jahre 2013 und 2014." Das sind fast überwiegend Talbetriebe. Von den 377'319 Rindern des Jahres 2014 stammten 14'237 aus ZH/AG/TG. Letztes Jahr waren es etwas weniger, nämlich 12'633 (von total 368'165). Guggisberg betont jedoch, dass diese Abfrage nicht repräsentativ ist und will das Ergebnis nicht überbewerten: "Der Anstieg ist sicher nicht signifikant, aber doch feststellbar." ed

 

Vergandung bekämpfen oder Alpperimeter anpassen

Wenigstens müssen sich die Innerrhödler nicht auch noch mit den Vorschriften in der Direktzahlungsverordnung auseinandersetzen, die vorsieht, dass aufkommende Vergandung zu bekämpfen ist. Vergandung kennt man in Innerrhoden nicht. Die ist vor allem in jenen Regionen ein Problem, in denen es zu wenig Tiere für die Bestossung hat und wo zu wenig Personal für Massnahmen gegen die Verbuschung zur Verfügung steht. Cornel Weder vom Büro Alpe präsentierte einen neuen Leitfaden zu diesem Thema, der auf die Erfassung von Teil- und Problemflächen hinausläuft. Denn nicht jeder Busch muss gleich als Vergandung bewertet werden.

Und selbst wenn die Problempflanzen eine geschlossene Decke bilden, lautete die Empfehlung nicht immer ausreissen: "Wenn die vergandete Fläche nicht als Futterfläche benötigt wird, macht es keinen Sinn, sie zu bekämpfen." Mitunter ist es zweckmässiger, die zugewachsene Fläche aus dem Bewirtschaftungsperimeter der Alp zu entlassen. Das führt zwar dazu, dass der Normalbesatz neu berechnet werden muss – und damit die Anzahl der Tiere, die auf die Alp gebracht werden dürfen. Da die Vergandung aber ohnehin vor allem dort vorkommt, wo eher Unterbestossung herrscht, dürfte das nur selten ein Hinderungsgrund sein.

Nicht schützbare Alpen werden aufgegeben

Damit würde das Sömmerungsgebiet definitionsgemäss kleiner. Dieser Trend ist auch deshalb zu vermuten, weil künftig wohl einige Schafalpen nicht mehr bestossen werden. Diese Prognose gab Herdenschutzexperte Daniel Mettler ab: "Einige Alpen, die nicht vor Grossraubtieren geschützt werden können, werden künftig vermutlich aufgegeben." Allerdings steht aus Mettlers Sicht trotzdem genügend Alpfläche zur Verfügung, um diese Tiere sömmern zu können.

Ob die Tierhalter mitmachen, ist jedoch fraglich. Dafür, dass die Grossraubtiere die Bestossung mehr beeinflussen als die Alpungsbeiträge, liefert Innerrhoden bereits einen Beweis: Jahrelang wurde die Alp rund um die "Stauberen" von 120 bis 150 Schafen beweidet. Seit sich mehrere Luchse in der Region niederliessen, haben die Tierverluste dort deutlich zugenommen. Nun wird die Alp nicht mehr bestossen. Dem Schafbesitzer lag das Wohl seiner Tiere mehr am Herzen.

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