Bis am 4. März war die erste Etappe der Thursanierung bei der Gemeinde Wattwil SG aufgelegt. Die Interessengemeinschaft «Vernünftiger Hochwasserschutz Thur» übt scharfe Kritik am Projekt.
Der Fluss Thur soll bei Wattwil SG saniert werden. Der Plan des Kantons sieht vor, dass die Bauarbeiten 2026 beginnen sollen. Die Bauarbeiten sollen 4 bis 5 Jahre andauern. Insgesamt werden die Kosten auf rund 45 Millionen Franken geschätzt. Wobei der Kanton auch eine Abweichung von 25 Prozent angibt. Bis am 4. März 2023 lag die 1. Etappe, Thurabschnitt oberhalb der Waisenhausstrasse, öffentlich auf.
Weshalb braucht es Sanierung?
Das Thurbauwerk in Wattwil müsse jetzt erneuert werden, damit es auch für die kommenden 100 Jahre erhalten werden könne. «Die über 100 Jahre alten Uferverbauungen, erstellt im Rahmen der Thurkorrektion von 1907 bis 1914, sind heute teilweise stark beschädigt und müssen erneuert werden: Die Flusssohle hat sich abschnittsweise mehr als einen Meter eingetieft. Der Uferschutz wird dadurch unterspült, aufgelöst oder gar fortgeschwemmt. Dadurch können Böschungen und das angrenzende Land bei Hochwasser erodiert werden», heisst es auf der Website Thursanierung Wattwil.
Nebst den Mängeln an der Flusssohle gehe von der Thur eine «ernst zu nehmende Hochwassergefahr» aus, schreibt der Kanton. Die Thur verfüge im Siedlungsgebiet von Wattwil nicht über die notwendige Abflusskapazität, um ein grösseres Hochwasserereignis schadlos abzuleiten.
Das müsse deshalb getan werden: Verbreitern des Flussbetts zur Stabilisierung und Anhebung der Flusssohle, die Sanierung oder Ersatz der beschädigten Uferverbauungen und eine Vergrösserung des Abflussprofils.
Kritikpunkte nicht beachtet
Gegen die erste 1. Etappe der Thursanierung gibt es deutlichen Widerstand. Für die IG «Vernünftiger Hochwasserschutz an der Thur «schiesst das Projekt «deutlich über das Ziel hinaus». So seien beim Mitwirkungsverfahren im Jahr 2022 trotz 50 Rückmeldungen keiner der Kritikpunkte Landverbrauch, Kosten, Sicherheit und Verlust der Alleebäume berücksichtigt worden. «Die Projektverantwortlichen halten trotz der zahlreichen Mitwirkungseingaben fast vollumfänglich an ihren Detailplänen von Ende 2019 fest», lautet die Kritik. Lediglich die Umgebungsgestaltung bei den Hochhäusern sei angepasst worden.
Die Festlegung des Gewässerraums sei willkürlich erfolgt. «Die Breite des Gewässerraums wurde auf 75 Meter festgelegt, basierend auf einem einseitigen Gutachten der Firma INGE Flussbau, in welchem eine ‘natürliche’ Gerinnesohle der Thur konstruiert wurde», kritisiert die IG. Für einen wirksamen Hochwasserschutz und die ökologischen Anliegen wäre ein wesentlich geringerer Gewässerraum jedoch ausreichend gewesen.
Grosser Landverlust
Gemäss der Interessengemeinschaft fand der «sorgsame» Umgang mit den Ressourcen Boden (im Siedlungsraum) und Kulturland (in der Landwirtschaftszone) keine Beachtung. Die IG ist der Meinung, dass die Interessensabwägung nicht ausgewogen erfolgte und die Breite des Gewässerraums somit willkürlich festgelegt wurde. «Allein für die 1. Etappe mit einer Flusslänge von nur 400 Metern müssen die Anstösser mehr als 5‘000 Quadratmeter Land abgeben, was der Fläche von fast einem Fussballplatz entspricht», kritisiert die IG «Vernünftiger Hochwasserschutz an der Thur».
Das gesamte Projekt verschlinge gar 60'000 Quadratmeter Land, was etwa neun Fussballfeldern entspreche. «Es ist unsere Pflicht, den Bodenverschleiss auf einem Minimum zu halten. Denn Boden ist nicht vermehrbar», sagte Landwirt und IG-Vorstandsmitglied Emil Zwingli zum «St. Galler Tagblatt». Das Projekt mit dem Landverlust sei nicht enkeltauglich.
Philipp Gyr, Projektleiter Wasserbau beim kantonalen Amt für Wasser und Energie, bestätigte gegenüber der Zeitung der Kulturlandverbrauch: «Uns ist bewusst, dass da verschiedene Interessen aufeinanderstossen. Es muss eine Abwägung der Interessen der Landwirtschaft und der Vorgaben des Gewässerschutzgesetzes gemacht werden.»
Steinwüste
Kritisiert wird von der IG auch das Fällen von Alleen und die Verbreiterung des Flussbetts auf bis 40 Meter. Bei normalem Wasserstand verwandle dort das Flussbett in eine «hässliche Steinwüste». Zudem würden rund 450 «altehrwürdigen» Alleebäume gefällt. Dies bewirke keinen Hochwasserschutz. «Die Niederschlagsarmut infolge zunehmender Hitzeperioden sowie fehlender Schatten und die neu geschaffene Steinwüste bilden eine toxische Kombination, welche eine fatale Erwärmung des Flusswassers sowie eine enorme Hitzeabstrahlung zur Folge haben wird», warnt die IG.
Philipp Gyr bestätigte die Fällung der Allee gegenüber dem «St. Galler Tagblatt». Es werde aber eine neue Allee mit standortgerechten Bäumen gepflanzt. Zur Kritik «Steinwüste» sagte Gyr, dass mit den Kiesbänken neue, ökologisch wertvolle Lebensräume entstünden, gemäss Vorgabe des Gewässerschutzgesetzes.
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