Martin Venzin aus Lufingen ZH ist Schäfer, Ackerbauer und – Linienpilot bei Swiss International Air Lines. Die Landwirtschaft und die Fliegerei unter einen Hut zu bringen, gelingt ihm nicht immer, wie er zugibt.
Martin Venzin ist Nebenerwerbs-Landwirt – mit Leib und Seele. In Lufingen ZH bewirtschaftet er einen 15-Hektaren-Betrieb mit rund 80 Mutterschafen – Schwarz-Braune Bergschafe (SBS) um ihrer Fruchtbarkeit willen, Suffolk um des Fleisches willen und auch ein paar Shropshire, die zwischen Christbaumkulturen weiden können.
Lieblingsdestination ist Dublin
Auf etwa fünf Hektaren baut er zudem Mais, Weizen oder Gerste an. Doch während andere Bauern morgens früh um 6 Uhr in den Stall gehen, begibt er sich erstmal nach Athen, Stockholm, London oder in irgendeine andere von insgesamt 78 Städten, welche die Swiss International Air Lines anfliegen. Denn Venzin arbeitet in einem 65-Prozent-Pensum als Linienpilot, Airbus-320-Familie, fliegt ein Kurzstreckenflugzeug für bis zu 219 Passagiere.
Gemäss den Vorschriften darf Venzin derzeit nur Flugzeuge dieser einen Typ-Familie fliegen, mit denen aber nur Destinationen zwischen Island, den Kanarischen Inseln, dem Nahen Osten oder Moskau angeflogen werden. «Meine Lieblingsdestination ist Dublin», ergänzt Venzin, dies vor allem, weil Irland eine faszinierende Insel sei, aber auch, weil der Anflug auf den dortigen Flughafen, wo häufig Wind wehe, speziell sei.
Bubenträume erfüllt
Das Fliegen ist für ihn die Erfüllung eines Bubentraums. Er ist im Zürcher Wehntal aufgewachsen, wo er häufig die am nahen Flughafen startenden Flugzeuge beobachtete. Doch dann wurde er erst mal Landmaschinen-Mechaniker. «Erst, nachdem mir eine Kollegin, eine Flight-Attendant, von ihren Reiseerlebnissen erzählte, habe auch ich mich beworben und konnte daraufhin meine Ausbildung beginnen», erinnert sich Venzin.
Seither sind 28 Jahre vergangen. Vier Jahre später konnte er sich aber auch noch seinen zweiten Bubentraum erfüllen und im nahen Lufingen einen Landwirtschaftsbetrieb kaufen. «Mein Hof ist nur 3½ Kilometer Luftlinie vom Pistenkreuz des Flughafens Zürich entfernt», so Venzin.
Nur noch Kurzstrecken
«Die Fliegerei und die Landwirtschaft unter einen Hut zu bringen, ist eine Herausforderung, die mir nicht immer gelingt», gibt Venzin zu. Doch er kann auf die Unterstützung seiner Frau und der beiden Kinder im Alter von 15 und 17 Jahren zählen. Und er fliegt keine Langstrecken mehr, denn diese erfordern es, oft tagelang von zu Hause wegzubleiben. Denn nach einem bis zu 13-stündigen Non-Stop-Flug muss die Besatzung zwei bis vier Tage lang in einer Stadt, weit von zu Hause entfernt, ausruhen.
Hinzu kommen die vielen Zeitverschiebungen. Wenn es etwa nach Tokio ging, musste er die Uhr etwa um elf Stunden zurückdrehen und sie kurz danach, wenn es vielleicht nach Los Angeles weiterging, um elf Stunden vorwärtsdrehen. Als Kurzstrecken-Pilot verbringt Venzin jedoch nur noch drei bis vier Nächte pro Monat in Städten wie etwa Athen, Moskau oder London.
Austausch mit Schäferkollegen
In manch anderer Hinsicht, so ist Venzin überzeugt, profitiert sein Betrieb aber auch von seiner langjährigen Erfahrung als Kapitän eines grossen Passagier-Flugzeugs. Zum einen, weil er sich auf manchen Reisen – dies dann allerdings in der Freizeit – mit Schäferkollegen, etwa von den Britischen Inseln, austauschen kann. Vor allem aber, weil die gesamte Cabin-Crew (Besatzung) eines Flugzeugs ein harmonisches Team bilden muss.
Mit dem Co-Piloten stimmt er etwa den jeweiligen Flugplan ab. Zusammen berechnen sie, wie viel Treibstoff benötigt wird, unter Berücksichtigung des Wetters am Start- und am Ziel-Flughafen.
Der Blick von oben
Für den letzten Sicherheits-Check, noch vor dem Start, ist er allein zuständig. «Ich entscheide, ob das Flugzeug flugtauglich ist, indem ich mir mein Flugzeug vor jedem Start erst mal genau anschaue.» Findet er etwa unter dem Flugzeug Öl oder eine Schraube oder wird eine Unregelmässigkeit an einem der Triebwerke festgestellt, lässt er die Passagiere aussteigen und auf ein anderes Flugzeug umsteigen, denn die Sicherheit hat jederzeit oberste Priorität. Meist ist aber alles in Ordnung.





