Wenn man als Landwirt einen Flughafen bewirtschaftet, gelten etwas andere Vorschriften. Dabei ist viel Flexibilität gefragt.
Statt mit einem Stacheldrahtzaun ist der Engadin Airport in Samedan GR mit einem einfachen Flexinetz umzäunt. Das ist recht ungewöhnlich. Es gibt noch manch anderes, das den Flughafen im Oberengadin von einem gewöhnlichen unterscheidet. «Wir sind nicht nur ein Flugplatz, sondern ein internationaler Regionalflughafen, den man von jedem Ort der Welt aus mit modernen Jets anfliegen kann, dazu noch Europas höchstgelegener», erklärt Christian Gorfer, Mitglied der Geschäftsleitung der Engadin Airport AG.
Nicht nur Promis
Es sei keineswegs so, dass hier nur Prominente und reiche Menschen landen, die im nahe gelegenen St. Moritz ihren Urlaub geniessen. «Wir haben auch Gäste, die mit dem Flugzeug hierherfliegen, sich in der Lounge des Flughafens umziehen und dann auf den Langlaufloipen direkt neben der Piste einige Runden drehen», erzählt Gorfer. Trotzdem seien nur etwa 2000 der insgesamt 14000 Bewegungen, die am Engadin Airport registriert werden, Passagierflüge. Mit diesem kleinen Anteil werden jedoch etwa 80% vom Umsatz erwirtschaftet.
Die Mehrheit der Starts und Landungen dient der öffentlichen Sicherheit. So wird der Airport von der Rega und anderen Helifirmen für Rettungsflüge, Lawinensprengungen oder die Versorgung von Berg- und Alphütten genutzt. Zusätzlich nutzen viele Segelflieger den Platz, die sogar noch nach 19 Uhr landen dürfen, wenn der Flughafenbetrieb bereits eingestellt ist.
In direkter Nachbarschaft zum Flughafen, der in den nächsten Jahren grosszügig modernisiert und teils neu gebaut werden soll, befindet sich ein Stall mit 44 Milchkühen, wo Bergmilch für die Engadiner Molkerei in Bever produziert wird. Die Tiere gehören Silvio Steiner, der eine Fläche von insgesamt 80 Hektaren bewirtschaftet. Alleine die Hälfte der Fläche gehört zum Flughafenareal.
Um die Grünflächen des Areals zu bewirtschaften, muss Steiner einige Vorschriften einhalten. Sobald er das Flughafenareal betreten bzw. bewirtschaften will, muss er mit der Flugsicherung in permanentem Funkkontakt stehen. «Erst frage ich den Flugleiter, ob und wann Flugzeuge erwartet werden», erklärt Steiner.
Arbeiten nach 19 Uhr
Er kann jederzeit aufgefordert werden, die Arbeit zu unterbrechen oder gar ein bestimmtes Areal zu verlassen. Dies ist der Fall, wenn er zum Hindernis für ein landendes oder startendes Flugzeug werden könnte. Um effizient zu sein, führt Steiner seine Arbeiten daher überwiegend nach 19 Uhr oder noch vor 8 Uhr am Morgen aus, also dann, wenn der Flughafen offiziell geschlossen ist. «Da Segelflugzeuge jederzeit anfliegen können, muss ich auch abends stets nach oben schauen und dem Funkverkehr aufmerksam zuhören», erzählt Steiner. Auf dem Traktor hat er ein Drehlicht, durch das er von oben gut sichtbar ist. Dies bedeutet eine zusätzliche Sicherheit.
«Vor 15 Jahren haben wir etwa drei Wochen benötigt, um auf dem Flughafenareal zu heuen», sinniert Steiner. Dank moderner Rundballenpressen ist das Heuen heute einfacher geworden. Er muss rechtzeitig mähen, denn zur Sicherheit der Segelfliegerei darf das Gras nicht zu hoch wachsen. Gülle bringt er mit dem Schleppschlauchverteiler aus. Nicht gestattet ist ihm einzig das Beweiden des Flughafenareals mit seinen Kühen. Ist die Sommersaison vorbei, hilftt er bei der Schneeräumung auf dem Heliport.
Weil er am Rand des Flughafens wohnt und arbeitet, wird Steiner manchmal sogar zum unfreiwilligen Sicherheitsmitarbeiter. Nicht selten beobachtet er Wildtiere, ja sogar Menschen, die sich verbotenerweise auf dem Flughafengelände aufhalten oder gar die Pisten überqueren. Solche Vorkommnisse muss er jeweils dem Flughafendienst melden.
Bauern profitieren
Steiner ist davon überzeugt, dass auch andere Oberengadiner Bauern vom Flughafenbetrieb profitieren. Einige, darunter auch Steiner selbst, haben im Winter ein Nebeneinkommen, indem sie als Skilehrer arbeiten. Letztlich profitiere die Landwirtschaft sogar von denen, die mit ihren Privatjets herkommen. «Ein einziger Privatjet bringt etwa gleich viel Wertschöpfung wie ein Charterflug mit 150 Passagieren», schätzt Steiner, «denn auch Promis konsumieren lokale Produkte und unsere Milch.»
Manches Produkt aus der regionalen Landwirtschaft wird in der Flughafenküche verarbeitet. Die Küchenchefs achten auf regionalen Einkauf und frische Produkte. Manchmal erfüllen sie auch spezielle Wünsche. «Wir haben Kunden, die sich Bündner Gerstensuppe zubereiten und abpacken lassen wollen, bevor sie wieder weiterfliegen», verrät Christian Gorfer von der Geschäftsleitung der Engadin Airport AG.


