Bundesrat Guy Parmelin erachtet die Ziele der Ernährungsinitiative als unrealistisch.
Bund
Die geforderte Erhöhung des Netto-Selbstversorgungsgrades auf 70 Prozent innerhalb von zehn Jahren, bei gleichzeitiger Erreichung der Umweltziele für die Landwirtschaft, könne nur mit tiefen Eingriffen in die Produktion und den Konsum von Lebensmitteln erreicht werden. Das schrieb der Bundesrat am Mittwoch. Und die Initiative hätte weit rechende Folgen für die Produktion und den Konsum von Lebensmitteln.
«Ziel unrealistisch»
«Die Landwirtschaft müsste die Tierbestände um fast die Hälfte senken. Betroffen sind vor allem Betriebe, die Mastgeflügel und Schweine halten. Die Brotgetreideproduktion würde massiv ausgebaut. Das hätte eine tiefgreifende Transformation für den gesamten Sektor zur Folge», warnte Bundesrat Guy Parmelin an der Medienkonferenz am Mittwochnachmittag.
Die Initiative hätte auch Auswirkungen für die Konsumenten. «Wir müssten, staatlich angeordnet, unsere Essgewohnheiten radikal umstellen», führte er aus. Ohne Mitwirken der Konsumenten könne das Ziel der Initianten nicht erreicht werden. «Die Konsumenten sollen weiterhin selbst entscheiden, was sie essen möchten», so der Agrarminister. Er sagte weiter, der Gesetzgeber stehe hinter ambitionierten Zielen, die sich umsetzen lassen würden. Die Ziele müssten aber realistisch sein. Das Ziel, den Netto-Selbstversorgungsgrad innerhalb von 10 Jahren nach Annahme auf 70 Prozent zu erhöhen, sei nicht möglich. «Was die Initiative will, ist nicht ambitioniert, sondern unrealistisch», sagte der Agrarminister.
Der Bundesrat strebe an, den Selbstversorgungsgrad über 50% zu halten und die Ernährungssicherheit zu stärken, ohne die Konsumenten zu zwingen, ihre Essgewohnheiten radikal zu ändern, so Parmelin. Es mache keinen Sinn, eine Produktionsform auszubauen, wenn es keinen Markt dafür gebe. Die Initiative hält Parmelin für nicht umsetzbar. Die Eingriffe des Staates seien zu gross. «Die Initiative fordert eine zu radikale Umstellung», führte er aus.
Verfassungsgrundlagen genügen
Einen Gegenvorschlag will der Bundesrat nicht zur Initiative, weder auf Verfassungs- noch auf Gesetzesstufe. Die Verfassungsgrundlagen für eine Entwicklung der Agrarpolitik in die verlangte Richtung genügten dafür bereits, schreibt er dazu.
Bestimmte Anliegen der Initiative, etwa die Stärkung der Ernährungssicherheit und die Reduktion des ökologischen Fussabdrucks der Land- und Ernährungswirtschaft, seien zentrale Themen für die Weiterentwicklung der Agrarpolitik ab 2030 (AP30+), schreibt er. Die Vernehmlassung dazu soll im zweiten Halbjahr 2026 stattfinden.
Das Parlament habe einen ganzheitlichen Ansatz für die AP30+ verlangt, hielt der Bundesrat weiter fest. Nicht nur die Arbeit und die Erzeugnisse der Landwirtinnen und Landwirte soll die Vorlage erfassen, sondern das gesamte Ernährungssystem. Für Umstellungen will der Bundesrat einen realistischen Zeitrahmen setzen.
Netto-Selbstversorgungsgrad von 70 Prozent
Eingereicht wurde die Volksinitiative «Für eine sichere Ernährung - durch Stärkung einer nachhaltigen inländischen Produktion, mehr pflanzliche Lebensmittel und sauberes Trinkwasser (Ernährungsinitiative)» im vergangenen August. Hinter der Initiative stehen Franziska Herren vom Verein «Sauberes Wasser für alle» und sechs weitere Personen. Herren war bereits die treibende Kraft der im Juni 2021 an der Urne abgelehnten Trinkwasserinitiative.
Die neue Initiative verlangt einen Netto-Selbstversorgungsgrad von 70 Prozent mit Nahrungsmitteln. Der Bund müsste demnach insbesondere dafür sorgen, dass die Menschen sich vermehrt ohne Fleisch ernähren und sich die Land- und Ernährungswirtschaft entsprechend ausrichtet.
Der Netto-Selbstversorgungsgrad lag zuletzt bei 46 Prozent. Beim Selbstversorgungsgrad netto wird berücksichtigt, dass ein Teil der einheimischen Produktion auf importierten Futtermitteln beruht, wie es im neusten Agrarbericht heisst.
Mehr pflanzliche Produktion
Dass die Schweiz heute zu fünfzig Prozent von Importen aus dem Ausland abhängig sei, liege an der hoch subventionierten Produktion tierischer Lebensmittel im Inland, schrieb das Initiativkomitee im August bei der Einreichung der Unterschriften. Nicht zu wenig Landwirtschaftsland sei der Grund dafür.
Auf sechzig Prozent der Ackerflächen würden Futtermittel für Tiere angebaut. Wären es mehr pflanzliche Lebensmittel, könnten je Hektare viel mehr Kalorien produziert werden. Das Begehren verlangt weiter die Sicherstellung lebenswichtiger landwirtschaftlicher Produktionsgrundlagen: Biodiversität und Bodenfruchtbarkeit.
Damit der Viehbestand sinkt, wollen die Initianten im Artikel 74 der Verfassung einen neuen Passus einbauen. «Zum Schutz der Trinkwasserversorgung, der Biodiversität und der Bodenfruchtbarkeit muss nebst einer nachhaltigen Lebensmittelproduktion auch dafür gesorgt werden, dass die Höchstwerte für Dünger – d.h. für Stickstoffverbindungen und Phosphat – nicht mehr überschritten werden.» Konkret fordert die Initiative vom Bund, dass die 2008 in den Umweltzielen für die Landwirtschaft festgelegten Höchstwerte eingehalten werden.
-> Das Argumentarium der Initiative gibt es hier
- Nitrat in Gewässern, die der Trinkwassernutzung dienen oder dafür vorgesehen sind und deren Zuströmbereich hauptsächlich von der Landwirtschaft genutzt wird: maximal 25 mg Nitrat pro Liter
- Ammoniakemissionen aus der Landwirtschaft: maximal 25’000 Tonnen Stickstoff pro Jahr
- Gesamtphosphorgehalt in Seen, deren Phosphoreintrag hauptsächlich aus der Landwirtschaft stammt: weniger als 20 µg Phosphor pro Liter (besondere natürliche Verhältnisse bleiben vorbehalten)
- Zur Einhaltung der Höchstwerte müssen die landwirtschaftsbedingten Stickstoffeinträge in die Gewässer gegenüber 1985 um 50% reduziert werden.
Der Bundesrat sagt es richtig, es braucht alle Menschen um diese grforderten Ziele zu erreichen auch für die Biodiversität und den Trinkwasserschutz.
Welche Waschmittel, Dusch, Pflegeprodukte, Medikamente, Sportbekleidung(Mikroplastik) benutzen denn alle? Die Ara kann die umweltschädlichen Stoffe (und in den oben aufgrführten Sachen hat es viele) nich alle rausfiltern.
Und überhaupt - damit genügend Pflanzliche Nahrung wachsen kann für die 70%braucht es auch viel Dünger. Von nichts kommt nichts. Die Pflanze ist wie der Mensch-unterernährt entwickelt sie sich auch nicht richtig.
Liebi Grüess
Die Annahme der Initiative entspricht voll und ganz den Zielen der SVP und der Bauern: Erhöhung der Selbstversorgung. Das wäre die nachhaltigste Umweltschutzmassnahme, welche die Schweiz je zu Stande gebracht hat
Meiner Meinung nach, würde es keinem Landwirt schaden, sich Gedanken zu machen, über die Haltung und Zucht von Hochleistungskühen mit der Maxime immer noch mehr Leistung rauspressen, haben wir das wircklich nötig oder geht es vorallem um den persönlichen Ehrgeiz?
Ich denke, wenn, anstatt solche Forderungen sofort als Blödsinn abzutun, ein bisschen einlenken oder auch nur darüber nachdenken, ob im Kern nicht doch gerechtfertigte Argumente hinter solchen Initiativen liegen, stattfinden würde, würden solche "extremen" Forderungen weniger . . .
Wenn 9 Millionen hungernde Menschen vor euren Bauernhöfen stehen und sich ihr Essen holen kommen.
Und für euch Bergbauern gibts dann garantiert keine Hilfe mehr von den Flachländlern.