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«Landwirtschaft soll Kopf hinhalten»

 

Der Nationalrat will der Biodiversität in der Schweiz über einen qualitativen Ansatz und nicht über konkrete Flächenziele mehr Gewicht verschaffen. Dies hat er am Dienstag im Rahmen der Beratungen zum indirekten Gegenvorschlag zur Biodiversitätsinitiative entschieden.

 

Die grosse Kammer hat einen entsprechenden Minderheitsantrag von Matthias Jauslin (FDP/AG) nach einer Abstimmungskaskade über insgesamt vier Vorschläge mit 100 zu 91 Stimmen bei 2 Enthaltungen angenommen. Der Nationalrat schliesst die Detailberatung zum ganzen Geschäft am Mittwoch ab. Dann geht die Vorlage in den Ständerat.

 

Kein Flächenziel

 

Ganz aus der Vorlage ausgegliedert hat der Nationalrat die Förderung der Baukultur von hoher Qualität. Sie soll im Rahmen der Kulturbotschaft behandelt werden. Die Ratslinke und ein Teil der Grünliberalen setzten sich für die Initiative und den Gegenvorschlag ein. SVP, FDP, die Mitte und der andere Teil der GLP beabsichtigen, die Initiative zur Ablehnung zu empfehlen.

 

In der Detailberatung strich der Rat das vom Bundesrat und der Kommissionsmehrheit vorgeschlagene Flächenziel von neu 17 Prozent für Biodiversitätsflächen bis 2030 aus dem Gegenentwurf und ersetzte das Kernstück der Vorlage durch eine qualitative Formulierung, die auch den Kantonen ein Mitspracherecht einräumen will bei der Ausscheidung der Flächen.

 

Erhalt der Bodenfruchtbarkeit

 

Umweltministerin Simonetta Sommaruga bezeichnete Jauslins Idee als prüfenswert, der Bundesrat könne sie unterstützen. Diese habe offensichtlich mehr Potenzial, um die verschiedenen Interessen zusammenzuführen und Abwehrreflexe gegen starre Flächenziele zu umgehen. Gerade die Landwirtschaft sei auf den langfristigen Erhalt der Bodenfruchtbarkeit, des Wasserrückhalts, auf die Gewährleistung der Bestäubung durch Insekten und die Schadensregulierung durch biodiverse Flächen angewiesen, betonte Sommaruga.

 

Jenen, die durch die Massnahmen einen weiteren Kulturlandverlust für die Nahrungsmittelproduktion befürchteten, versicherte Sommaruga, man werde sich beim Ausbau der Flächen immer innerhalb des bereits bestehenden Rahmens bewegen.

 

Insgesamt kein Flächenausbau

 

Auf den bereits ausgeschiedenen 192’000 Hektaren für Biodiversität gebe es viele Aufwertungsmöglichkeiten. «Der Bundesrat sieht nicht vor, dass mit dem indirekten Gegenvorschlag in der Summe mehr Biodiversitätsförderflächen dazukommen.» Der Bundesrat wolle die Qualität fördern. Es werde auch niemand enteignet. Sie staune, wie man Biodiversität und Landwirtschaft gegeneinander ausspielen könne, erklärte die Bundesrätin Simonetta Sommaruga. 

 

Das neue Instrument ermögliche die Erhaltung und Förderung der biologischen Vielfalt und lasse gleichzeitig eine angepasste Nutzung der Flächen durch die Landwirtschaft oder zur Energieerzeugung zu, sagte Ursula Schneider-Schüttel (SP/FR). Der Bundesrat lege dazu auf wissenschaftlicher Basis die Kriterien fest.

 

Demgegenüber bezeichnete Stefan Müller-Altermatt (Mitte/SO) die Streichung des Flächenziels im Namen seiner Fraktion als «Blackbox und Katze im Sack». Er war dafür, der Kommissionsmehrheit zu folgen, damit Sicherheit herrsche, was denn alles als Biodiversitäts-Kernzone gelten soll. Auch die Mehrheit der FDP wollte im Interesse der Versorgungssicherheit lieber Prozentzahlen festlegen.

 

Nichteintreten auf Gegenvorschlag abgelehnt

 

Zuvor hat es der Nationalrat mit 106 zu 78 Stimmen bei 4 Enthaltungen abgelehnt, nicht auf die Änderung des Bundesgesetzes über den Natur- und Heimatschutz (NHG) einzutreten. Der Antrag kam von der SVP.

 

Das NHG plus einige dazugehörige Erlasse bilden die Grundlage für den indirekten Gegenvorschlag des Bundesrates. Über die Abstimmungsempfehlung zur Initiative wird der Rat befinden, wenn er die Detailberatung zum NHG abgeschlossen hat.

 

Vor dem Eintreten hatte sich am Montag und Dienstag ein regelrechter Redemarathon abgespielt, an dem sich Dutzende von Nationalrätinnen und -räte beteiligten. Die bundesrätliche Vorlage wollte ursprünglich zusätzlich zum bestehenden Schutzgebiet etwa die Fläche des Kantons Luzern neu unter Schutz stellen lassen. Dies stellte sich als umstritten heraus. Mit dem Entscheid vom Dienstag ist dies nun wohl vom Tisch.

 

Landwirtschaft geschwächt

 

Mike Egger (SVP/SG) kritisierte die Vorlagen als «weitere Nebelpetarde für die Sinne», die der Bevölkerung falsche Versprechen mache und die Versorgungssicherheit der Schweiz weiter einschränke.  Fakt sei, dass die Bevölkerung in diesem Land sich in den letzten zwanzig Jahren um 1,5 Millionen Menschen vermehrt habe.

 

«Nun soll die Schweizer Landwirtschaft den Kopf für die Zubetonierung der Schweiz hinhalten. Ganz egal ob mit der Initiative oder mit dem indirekten Gegenvorschlag des Bundesrates: Es wird versucht, die Biodiversität gegen die produzierende Landwirtschaft auszuspielen. Dazu soll im Bundesgesetz über den Natur- und Heimatschutz ein Flächenziel von 17 Prozent für Gebiete, die dem Schutz von Tieren und Pflanzen dienen, verankert werden. Um dieses Ziel zu erreichen, müsste man 3,5 Prozent der Ackerfläche in Biodiversitätsflächen umwandeln oder, anders gesagt, die Fläche des Kantons Luzern zusätzlich schützen», sagte Egger weiter. Verschwinde produktive Landwirtschaftsfläche, werde die Schweizer Landwirtschaft einmal mehr geschwächt und die Abhängigkeit vom Ausland verstärkt.

 

Die Vielfalt einer intakten Natur habe einen hohen emotionalen Wert für das Wohlbefinden der Menschen. Eine hohe Biodiversität sei aber ebenso wichtig für die Funktionalität vieler Bereiche von Gesellschaft und Wirtschaft, hielt Aline Trede (Grüne/BE) dagegen.

 

Sorge um junge Bauern

 

Auch Andreas Aebi (SVP/BE) meldete sich zu Wort. Er habe die Voten den ganzen Tag mitverfolgt. Er sorgt sich um die junge Generation der Landwirte. «Wir haben zuhause bereits 13 Prozent ökologische Leistungsnachweise, es kommen weitere 3,5 Prozent dazu, man denke an den Absenkpfad: Diese Initiativen brauchen Flächen, Flächen, Flächen. Wenn ich an die Wildkorridore, an die Vernetzung denke - bis 30 Prozent. Das ist nicht Ihr Problem, aber das Problem unserer Nachfahren», führte er aus.

 

 Die jungen Bauern seien am Verzweifeln. «3,5 Prozent mehr wurde einfach so beschlossen, plus ein Absenkpfad. Jetzt versuchen wir hier wieder noch weitere Prozente darauf zu schrauben. Wie wollen wir da Ställe planen? Die Baukosten sind 20 Prozent höher als vor zwei Jahren. Wie wollen wir da Güllenlöcher planen, wenn plötzlich 10, 15 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche fehlen?», fragte sich der Landwirt.

Kommentare (2)

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  • Victor Brunner | 21.09.2022
    Ein guter Entscheid des Rates. Biodiversität ist gut für die Natur und Landwirtschaft. Innovative Bauern können mit dem Entscheid leben. Schade dass das die ewiggestrige Bauernlobby im Rat nicht begriffen hat.
    • Feldmaus | 21.09.2022
      Das kann auch nur ein Direktzahlungs - Empfänger sagen! Lieber importieren und dann jammern. Ich glaube dass Sie keinen Berufsstolz haben! Traurig, Beschämend solche Haltung.

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