Die eine Wand der grosszügigen Wohnküche im neuen Bauernhaus schmückt ein riesiges Björn-Zryd-Gemälde mit der Abbildung einer Texas-Longhorn-Kuh. Hier scheint ein Hauch Amerika im Emmental zu schlummern. Sofort ist zu spüren, dass diese Langhörner eine ganz besondere Bedeutung für Susanne Sommer und ihren Mann Jürg Keller haben. Vor vierzehn Jahren reiste Susanne Sommer nach Texas, wo sie für drei Monate Arbeit auf einer Pferderanch fand.
Neuaufbau des Betriebs
Vorgängig besuchte sie in der Schweiz einen Western-Reitkurs. Den brauchte sie, damit sie hoch zu Pferd bei den täglich anfallenden Arbeiten mithelfen konnte. Zur abgelegenen Ranch in Texas gehörte Gertrud, eine genügsame Texas-Longhorn-Kuh. Sie war es dann wohl, die Sommers Herz im warmen US-Bundesstaat schmelzen liess. Nachdem Jürg Keller seine «Sue» ennet dem grossen Teich besucht hatte und auf Gertrud getroffen war, war es auch um ihn geschehen. Die beiden Schweizer waren von da an regelrecht angetan von den seltenen Urrindern.
Daheim auf dem Möschberg im Oberthal BE betrieben Kellers Eltern früher einen Milchwirtschaftsbetrieb. Im Jahr 1999 übernahm Jürg Keller gemeinsam mit seinem Bruder Hans-Ulrich den Betrieb. Die beiden mästeten Rinder. Danach – und eben zur Zeit, als Jürg und Susanne in Texas waren – wurde der Betrieb ausserhalb der Familie verpachtet, der Stall stand leer. Nach Ablauf dieser Pacht sollte alles anders werden. Das 200-jährige Haus samt Stall wurde nach dem Abriss komplett neu aufgebaut. Das Bauernhaus wird von den beiden Ranchern und von Kellers Eltern bewohnt. Geplant wurde zudem ein grosszügiger Offen-Laufstall für langhornige Tiere.
Sie verleihen dem Emmental einen Hauch Amerika: Rose und Anna mit ihren Kälbern.
Susanne Sommer
24 Tiere
Auf der Website der Moosacker-Ranch steht mit sympathischem Schalk: «Die Moosacker-Ranch steht schon seit 200 Jahren zentral abgelegen auf dem Möschberg in der Gemeinde Oberthal. Wir haben sie 2019/2020 neu aufgebaut und dafür gesorgt, dass die voralpine Hügelzone des Emmentals anständig behornt wird.» Und so zogen im April 2020 die ersten drei Texas-Longhorn-Kälber bei Sommer-Kellers ein. Drei Monate später folgten vier Tiere aus Österreich, weitere fünf Monate später zogen drei Tiere aus Deutschland dazu.
Aktuell pflegen der gelernte Landwirt und Metallbauschlosser und die Personalfachfrau und Texterin neun Kühe, zwei Stiere und 13 Stück Jungvieh der Rasse Texas Longhorn. Die Tiere gehören einerseits Mutterkuh Schweiz an, wo insgesamt 6 Herden mit 39 Kühen registriert sind, anderseits haben sie auch einen amerikanischen Zuchtausweis der «International Texas Longhorn Association», (ITLA). Sommer fungiert zudem im Schweizer Zuchtverband der «Swiss Texas Longhorn Association», (STLA), als Vorstandsmitglied.
Willkommen auf der Moosacker Ranch in Oberthal BE.
Rahel Wyss
Besondere Tiere, besonderes Fleisch
Sieben Hektaren umliegendes Land gehört zur Ranch. Die robusten und genügsamen Langhörner liefern zartes, cholesterinarmes und proteinreiches Fleisch, das die beiden Rancher selbst vermarkten. Dienlich sind hierfür der hofeigene Instagram-Kanal und der WhatsApp-Status sowie die Gemeinde-App von Grosshöchstetten. Ragout von Kellers Prärierindern wird im Restaurant Eintracht in Oberthal angeboten. Nicht nur das Fleisch ist nach dem Metzgen eines Tieres begehrt.
Jürg Keller: «Die Schädel mit den einzigartigen Hörnern und auch die Felle finden für gutes Geld Absatz.» Wenn es ums Thema Schlachten geht, wird Susanne Sommer emotional, ihre Augen füllen sich mit Wasser. Sie hängt an jedem einzelnen Tier, beide tun dies. Auch ihr Mann pflegt eine innige Beziehung zu den Tieren. Dies wird deutlich, wenn man die beiden mit ihren Langhörnern beobachten darf. Liebevoll werden die Kühe gekrault, während mit ihnen ganz ruhig gesprochen wird.
Sommer-Keller führen die Moosacker-Ranch im Nebenerwerb. Das meiste Futter für die Tiere produzieren sie auf dem reinen Grünlandbetrieb selbst. Je nach Ernteertrag kaufen sie weiteres Heu hinzu – am liebsten von befreundeten Landwirten aus der Region. Auch etwas Luzerne und Maiswürfel, die als Leckerli dienen, werden zugekauft. Die beiden hoffen bei Geburten jeweils eher auf Kuhkälber und äussern als Herzenswunsch, so viele Tiere wie möglich lebend verkaufen zu können.
«Gmüets-Cheib»
Im offenen, gelb gestrichenen Stall ist es auffallend ruhig und harmonisch. Tierwohl wird hier besonders grossgeschrieben, und die Kühe und die Stiere beeindrucken nicht nur mit ihren imposanten Hörnern. Auch ihre genügsame Art fällt sofort auf. Zudem ist es schön zu sehen, was für ein grosszügiges Strohbett unter den Kühen und den Kälbern liegt. Einer der beiden Stiere hört auf den Namen Dusty Cowboy. Ein äusserst eindrückliches Tier, das kürzlich den Bildwettbewerb der starken Stiere beim «Schweizer Bauer» gewonnen hat. Dusty sei ein «Gmüets-Cheib», sagt Susanne Sommer. Jedes Tier auf der Moosacker-Ranch hat einen Übernamen. Und natürlich ziehen die speziellen Rindviecher jede Menge Besucher an.
Spezielle Tiere verdienen spezielle Namen: Lynn, Choose a Coke und Rose.
Susanne Sommer
So viele wie am vergangenen 2. September waren es aber noch nie zuvor. Denn für diesen Tag organisierten die beiden Westernverrückten das erste Ranchfest auf dem Möschberg. Diesem wohnten an die 800 Gäste bei. Diese genossen den Anblick der besonderen Tiere, feine Longhornburger und erfrischende Getränke. Auch durfte man sich beim Bullriding und beim Lassowerfen versuchen. Bis zum nächsten Ranchfest muss man sich allerdings noch ein Jahr gedulden. Im 2025 feiert der Zuchtverband sein 20-Jahr-Jubiläum und lädt die Bevölkerung ein, die Wildwest-Rinder bei Festanlässen direkt auf den Betrieben zu bewundern. Urs und Daniela Weiss in Buus BL und die Moosacker-Ranch im Oberthal BE planen je ein Ranchfest, vielleicht machen auch noch mehr Höfe mit.