Immer mehr Fliessgewässer Europas sind verbaut, überdüngt oder chemisch belastet. Ein Forschungsteam unter Schweizer Leitung hat einen Gesundheitscheck bei über 100 europäischen Flüssen durchgeführt - erstmals anhand des Laubabbaus.
Die Gesundheit der Flüsse müsse umfassender überwacht werden als derzeit üblich, forderte ein internationales Forschungsteam unter Leitung des Wasserforschungsinstituts des ETH-Bereichs Eawag im Fachblatt «Science» vom Freitag.
Günstig und leicht zu messen
Die gängige Methode zu ihrer Überwachung wurde ursprünglich entwickelt, um zu beurteilen, wie stark das Wasser durch Abwässer belastet ist. Sie misst Kriterien wie Temperatur, Nährstoffgehalt oder die Zahl und Artenzusammensetzung von Kleinstlebewesen.
Angesichts neuer Herausforderungen wie Verbauungen, exotische Arten oder den Klimawandel genüge dies nicht, erklärten die Forschenden laut einer Mitteilung der Eawag. Weitere «Fieberthermometer» für die Flussgesundheit seien vonnöten. Ein solcher Faktor, der zudem günstig und leicht zu messen ist, sei der Abbau von Laub.
Laubeintrag ist die wichtigste Nahrungsquelle
Für ihre Studie hängten die Forschenden der Eawag, der ETH Zürich und mehrerer europäischen Länder in über 100 europäischen Flüssen und Bächen kleine Beutel mit Erlen- und Eichenlaub auf. Dann ermittelten sie die Zeit, in der das Laub von wirbellosen Tieren und Pilzen abgebaut wurde. In einem Teil der Gewässer erhoben sie zudem die Lebewesen sowie die Nährstoffkonzentration.
«Laubeintrag ist die wichtigste Nahrungsquelle in kleineren Fliessgewässern und von grösster Bedeutung für den gesamten Stoffumsatz», sagte Mark Gessner, der inzwischen am Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) und an der Technischen Universität in Berlin forscht.
Extreme sind schädlich
Es zeigte sich, dass beide Extreme den Laubabbau hemmen: In sehr nährstoffarmen Gewässern können nur wenige Organismen leben, und bei zu vielen Nährstoffen ersticken sie an Sauerstoffmangel. Bei mittlerer Nährstoffkonzentration war das Bild uneinheitlich, da laut den Forschenden andere Einflussfaktoren auf das System stärker wirken.
Besonders bei mässig tiefem Nährstoffangebot könnte ein beschleunigter Laubabbau auf Beeinträchtigungen durch Nährstoffe hinweisen, sagte Gessner in der Mitteilung. Denn gerade dort würden herkömmliche Methoden auf eine einwandfreie Gewässerqualität schliessen.
Prozesse wie der Laubabbau könnten laut Gessner einen wichtigen Beitrag zum Gesundheitscheck von Fliessgewässern leisten, sagte Gessner. «Schnelles Fiebermessen» reiche für Europas Gewässer längst nicht mehr aus. Vielmehr sei eine Differenzial-Diagnostik wie in der Medizin vonnöten, bei der die Gesamtheit aller einzelnen Symptome für die Diagnose betrachtet werden.

