Der Ostsee-Schweinswal lässt Forscher rätseln: Es gibt nur wenige Tiere und nur wenig Informationen über sie. Mit 300 Detektoren im Wasser sind die Forscher den Meeressäugern auf der Spur.
Einige ältere Fischer behaupten, es gäbe sie überhaupt nicht. Der Ostsee-Schweinswal sei ein Phantom. Auch vor Finnlands und Lettlands Küsten - im äussersten Norden und Osten der Ostsee - wurden lange keine Schweinswale gesichtet.
11'000 Tiere
Doch in historischen Dokumenten werden auch in diesen Gebieten der zentralen Ostsee immer wieder Totfunde oder Sichtungen der bis zu 70 Kilogramm schweren Meeressäuger erwähnt. Von ihren rund 260'000 Artgenossen in der Nordsee und den etwa 11'000 im Kattegat/westliche Ostsee unterscheiden sie sich kaum.
Der Tag des Ostsee-Schweinswals am 18. Mai soll auf die Tiere aufmerksam machen. Meeresbiologen schätzen den Bestand Gewöhnlicher Schweinswale (Phocoena phocoena) in der zentralen Ostsee auf rund 600 Tiere. Die Datenlage war lange dünn - bis die Wissenschaftler 2011 einen grossen Lauschangriff starteten.
Von Rügen bis nach Lettland
Mit dem Forschungsprojekt SAMBAH konnten sie belegen, dass der Schweinswal auch in der zentralen Ostsee östlich der Insel Rügen bis hoch nach Finnland und vor den Küsten Lettlands vorkommt. Dass die Tiere offenbar die gesamte zentrale Ostsee östlich des 13,5 Längengrades besiedeln, habe selbst die Forscher überrascht, sagt Anja Gallus, Biologin am Deutschen Meeresmuseum in Stralsund.
304 Detektoren wurden für das Projekt im Gebiet der zentralen Ostsee ausgebracht - in einem Areal fast so gross wie Deutschland. An 140 Detektoren wurden in den vergangenen zwei Jahren die typischen Klickgeräusche der Schweinswale dokumentiert.
Ob es sich dabei um Gruppen, Einzeltiere oder Mehrfachzählungen handelt, ist bislang offen - die Auswertung der Daten läuft noch. Ende 2014 wollen sich die Forscher auf einer Tagung in Schweden auf eine Schätzung der Bestandszahl festlegen.
Verbot von Stellnetzen gefordert
Umweltschützer fordern zum Schutz des kleinen Bestandes ein Verbot der Stellnetze, in denen sich die Tiere verfangen können. «Die Ostsee-Schweinswale paaren sich nicht mit den Artgenossen aus der westlichen Ostsee», sagt Gallus. «Jedes Tier, das als ungewollter Beifang in den Netzen endet, geht für den Erhalt der Population verloren.»
Während der Paarungszeit hielten sich die Schweinswale aus der westlichen und der zentralen Ostsee in unterschiedlichen Gebieten auf. Männchen und Weibchen der verschiedenen Bestände fänden deshalb nicht zusammen, auch wenn sie sich nach Einschätzung der Forscher vermutlich paaren könnten: So gross wie noch vor Jahren vermutet sind die genetischen und äusseren Unterschiede zwischen den Beständen wohl nicht.
«Zwischen der Beltsee und der Inneren Ostsee zeigen die genetischen Daten keine klare Abgrenzung», so das Ergebnis der Biologin Annika Wiemann 2011 nach einem genetischen Vergleich von Proben von 500 Schweinswalen. Für Umweltschützer ist diese Erkenntnis mit Sorgen verbunden: Den östlichen Bestand gemeinsam mit den viel grösseren Populationen in Kattegat und Beltsee zu betrachten, könnte Argumente für eine höhere tolerierte Beifangrate an Schweinswalen liefern, fürchten sie.