«Schweizer Bauer»: Sie waren Teil einer vierköpfigen Delegation von Basisprotestbauern, die letzte Woche beim Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) vorgesprochen haben. Was war Ihr Ziel?
Urs Haslebacher: Wir wollten unsere Unzufriedenheit mit der Arbeit des BLW darlegen. Sie wollten zeigen, was sie alles schon getan haben oder tun. Es war recht viel gegenseitiges Verständnis vorhanden. Beispielsweise forderte ich, dass das Problem von Ammoniakemissionen, die durch Tierausläufe entstehen, gelöst wird. Wir Bauern haben die Ausläufe nach den Vorgaben vom Bund gebaut und dürfen sie nicht überdachen. Da ist die Verwaltung gefordert, der einzelne Betriebsleiter kann den Zielkonflikt nicht lösen. Heute heisst es einfach, das Umweltziel bei den Ammoniakemissionen werde weiterhin klar verfehlt.
Und was tut die Verwaltung?
Die Verantwortlichen im BLW zeigten uns auf, dass sie teilweise mehr für uns tun möchten, dass es aber Konflikte gibt mit anderen Bundesämtern, so mit dem Bundesamt für Umwelt (Bafu) oder mit dem Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV), das unter anderem die Zulassung von Pflanzenschutzmitteln verantwortet. Das Bafu gewann zuletzt immer mehr Einfluss und konnte mehr Leute einstellen, das BLW nicht. Ich sagte dann: Dann müssen Sie eben beim Bundesrat Alarm schlagen, wenn der Selbstversorgungsgrad der Schweiz mit Lebensmitteln dauernd zurückgeht. Für mich ein Schwarzpeterspiel. Klare Führung der Verwaltung durch den Bundesrat ist gefragt.
Eine Inszenierung von Westschweizern beim Protest vor dem Bundesamt für Landwirt in Bern-Liebefeld Anfang Dezember 2024. Urs Haslebacher war einer der Mitorganisatoren der Mahnaktion.
Reto Blunier
Kurz vor Ihnen war eine andere Delegation von Protestbauern beim BLW, darunter Stefan Krähenbühl (siehe Kasten). Die veröffentlichten ein Papier mit Forderungen. Wie stehen Sie dazu?
Sie agierten als von uns unabhängige Gruppe. Viele ihrer Forderungen teilen wir. Wir haben aber ein eigenes Papier erarbeitet. Wir fordern angesichts des sinkenden Selbstversorgungsgrades Lösungen, wie die einheimische Lebensmittelproduktion aufrechterhalten werden kann. Der Grenzschutz und die Deklarationsvorschriften müssen ausgebaut werden. Heute müssen wir mit Importprodukten konkurrieren, die mit bei uns verbotenen Wirkstoffen oder Methoden erzeugt worden sind, ohne dass die Kunden im Laden das erkennen können. Insgesamt resultieren in der Landwirtschaft auch Einkommen, die nicht nachhaltig sind. Das gefährdet langfristig die Produktion.
Im letzten Frühling sagten viele Protestbauern, das Meldesystem Digiflux müsse weg. Jetzt aber hat der Ständerat mit dem Segen des Schweizer Bauernverbandes die Einführung sogar bekräftigt. War das auch ein Thema?
Kaum. Wir verstehen da den politischen Prozess. Die Meldepflicht ist im Moment im Gesetz. Aber natürlich droht uns da ein grosses Bürokratiemonster, das wir an der Basis sehr kritisch sehen.
Neue Protestaktion
Eine neue bäuerliche Basisprotestbewegung ist im Februar mit Forderungen an das Bundesamt für Landwirtschaft gelangt. Die Bauern wollen rasch Resultate sehen. Jahrzehntelang sei die Landwirtschaftsadministration aufgebläht worden, heisst es in der Mitteilung. Seit der Protestaktion im Dezember 2024 sei nichts passiert. «Man kann nicht immer nur reden und reden. Irgendwann braucht es einen nächsten Schritt, und der wurde nun eben gemacht», sagt Agronom Stefan Krähenbühl zu «Schweizer Bauer».
Der Forderungskatalog umfasst fünf Punkte – Selbstständigkeit, Planungssicherheit, Grenzschutz, Ernährungssicherheit und Abbau der Bürokratie. Die Bewegung hat sie mit ihren Lösungsvorschlägen ergänzt.
-> Hier gehts zum Forderungskatalog
-> «Jetzt braucht es ein Trampeln von uns Bauern» Interview mit Stefan Krähenbühl
Und die Direktzahlungen?
Die sind aus unserer Sicht ein notwendiges Übel. Der Fokus muss auf dem Markt liegen, damit wir dort mehr Erlöse auf unsere Betriebe holen können. Innerhalb der Direktzahlungen fordern wir aber, dass die Ernährungsleistung stärker berücksichtigt wird und daneben für die Umwelt wirklich effiziente Leistungen erbracht werden. Wir stellten beim BLW etwa dar, wie im Gürbetal auf vielen Flächen Extensoweizen (für die es Produktionssystembeiträge gibt) produziert wird. Wahrscheinlich wäre aber der Versorgungssicherheit und der Ernährungssicherheit besser gedient, wenn auf dem Grossteil der Fläche richtig Weizen produziert würde und dafür auf einem kleinen Teil eine richtig wertvolle Biodiversitätsförderfläche angelegt würde. Wir fordern, dass bei der Labelproduktion auch über die Mindererträge, die Mehraufwände und die Folgen für die Stundenlöhne und den Unternehmensgewinn geredet wird. Die Labelproduktion…
Sie sind ja selbst auch Label-Schweinemäster…
Ja. Die Labelproduktion darf nicht einfach als Allheilmittel für bessere Einkommen der Betriebe angesehen werden, ohne dass das genauestens nachgerechnet wird. Wir legten auch dar, wie im letzten Sommer im Emmental ein Biokartoffelacker zwischen zwei ÖLN-Kartoffeläckern bei den letzteren für einen erhöhten Krankheitsdruck sorgte, sodass sie mehr spritzen mussten als Berufskollegen in derselben Gegend ohne angrenzenden Biokartoffelacker.
In Kirchberg BE versammelten sich im vergangenen Jahr rund 650 Traktoren aus dem ganzen Kanton Bern. Die Bauernbewegung setzte sich für eine gerechte und angemessene Entschädigung ihrer Produkte und ihrer Arbeit ein.
zvg
Was schliessen Sie daraus?
Wenn jetzt mit der AP 2030 bei den ÖLN-Kartoffelbauern die Produktion via Lenkungsabgabe verteuert würde, um das eingezogene Geld an die Bio-Kartoffelbauern auszuschütten, dann wäre das keine gute Entwicklung. Das BLW bestätigte uns, dass sie die Einführung von Lenkungsabgaben prüfen. Wir sagten ihnen, dass wir das als eine zusätzliche Gefährdung der Ernährungssicherheit ansehen und dass damit der Selbstversorgungsgrad noch stärker sinken könnte. Lenkungsabgaben sind ein No-Go für uns Bauern. Man muss ja auch auf die geostrategische Situation schauen.
Was meinen Sie mit geostrategischer Situation?
Spätestens seit dem Einmarsch Russlands in die Ukraine und dem Amtsantritt von Donald Trump in den USA ist die Welt eine andere. Die Schweiz investiert viel Geld, um die Energieversorgung sicherzustellen und weniger abhängig von Importstrom zu sein. Da wird in die einheimische Produktion investiert, und es werden Verträge mit den Nachbarstaaten für die Lieferung von Strom gefordert und abgeschlossen. Auch bei der Armee werden jetzt viele Milliarden Franken investiert, um unsere eigene Verteidigungsfähigkeit zu verbessern. Aber was nützt ein Luftschirm über der Schweiz mit neuen Flugzeugen und neuer Flugabwehr, wenn die Schweizer Bevölkerung nichts zu essen hat?
Landwirte sprechen immer bloss davon, was sie angeblich verbessert hätten.
Trotzdem geht das Artensterben in der Natur unvermindert und gar noch beschleunigt weiter !
Auch bei der Tierhaltung ist vieles im Argen. So sehe ich höchst selten Rinder im Freien oder auf der Weide. Im Winterhalbjahr ist auch Freigang gefordert, wird aber nicht gewährt. Zudem sehe ich stets Kälber in Isolationshaft in engen Iglus, ohne Bewegungsmöglichkeit oder Kontakt zu Artgenossen. Dies ist weder nötig, noch ist es Tiergerecht !
Vielleicht einmal vor der eigenen Haustür wischen, bevor solchen Mist schreiben!