Die Sortenorganisation Emmentaler Switzerland lud am Mittwochnachmittag zu einer digitalen Degustation von verschiedenen Typen Emmentaler AOP. Zwei Redaktoren des «Schweizer Bauer» waren dabei. (Mit Video)
Beim Emmentaler AOP stehen nicht nur die Milchlieferanten
früh auf. Das Paket mit dem Käse für die Degustation wurde nämlich am Vortag um
06.15 auf der Redaktion des «Schweizer Bauer» in Bern angeliefert. Zum Glück
war der Schreibende schon vor Ort.Im
Kühlschrank warteten die fünf verschiedenen Käse bis am Mittwochnachmittag um
punkt 16 Uhr, als die «Pressereise» in Form einer Videokonferenz begann.
Familiäre
Verbindungen zum Emmentaler
Die Vorfreude bei Daniel Salzmann und Olivier Ruprecht war
gross. Beide haben sie enge familiäre Beziehungen zum Emmentaler AOP. Salzmanns
Urgrossvater und Grossvater und zwei Onkel lieferten lange Milch in die
ehemalige Emmentaler-Käserei Ried in Schwarzenegg BE, ein Cousin tut es nach
vor in Heimenschwand, und ein Onkel war fünfzehn Jahre lang Milchkäufer in der
Käserei Schurten TG, wo er 1-2 Emmentaler-Laibe pro Tag käste. Ruprechts Eltern
lieferten bis vor einigen ihre Käsereimilch in eine Emmentaler-Käserei, doch
die Käserei in Düdingen FR hat vor einigen Jahren auf Gruyère AOP umgestellt.
Emmental und Italien
im Blut
Cesare Mimo Caci war es, der um 16 Uhr aus dem Käsekeller
der Emmentaler-Schaukäserei in Affoltern i. E. BE die rund 20 Journalisten und
Blogger, die aus der ganzen Schweiz zugeschaltet waren, begrüsste. In seinen
Adern fliesst sowohl Emmentaler als auch italienisches Blut. Mit viel Charme
warb Caci für das Emmental und für den Käse, der sich selbst als König der Käse
bezeichnet. Als aber ein Teilnehmer Pasta mit italienischen Pelati-Tomaten als
Beilage kritisch ansprach, wollte Caci als Teil-Italiener diese nicht
abgewertet sehen… «In den letzten zweihundert Jahren hat sich die Welt
verändert. Doch der Emmentaler AOP wird nach wie vor traditionell-handwerklich
hergestellt, und die berühmten Löcher hat er auch immer noch», so Caci.
26 Kühe pro
Milchlieferant
Mit einem Durchschnitt von 26 Kühen bei den Emmentaler-Milchlieferanten
entspreche die Tierhaltung auch derjenigen auf den Postkarten. Auch Emmi betont
beim Käseexport im Ausland, dass in der Schweiz die Milchproduzenten im Schnitt
kaum mehr als zwanzig Kühe hätten. Dahinter steht das Wissen oder mindestens
die Vermutung, dass die meisten Konsumenten (vielleicht besonders die
Konsumentinnen) kleinere und mittelgrosse Bauernbetriebe bevorzugen.
Zuerst der Milde
Die Degustation begann mit dem Emmentaler Classic, dem
milden Emmentaler, der mindestens vier Monate gereift sein muss. «Das ist der
Geschmack, den die meisten mit dem Emmentaler AOP verbinden, und der lange Zeit
auch am besten erhältlich war», erklärte Caci und hob das Weinglas in die Höhe.
Darin schimmerte strohgelb eine Assemblage des Weinhauses Riem & Daepp aus
dem Kanton Wallis: Amigne, Ermitage, Chasselas und Heida. Von der Rebsorte
Amigne wachsen weltweit nur 35 Hektaren, eine echte Rarität. Diesen «Senne-Wy»
lasse die Schaukäserei extra für sich herstellen, er treffe den Geschmack der
meisten Leute – was wohl mit seiner Restsüsse zu tun hat. Die vielen
asiatischen Gäste in der Schaukäserei
bevorzugen die milde Variante, auch viele Kinder mögen ihn. Der Schreibende war
überrascht von der Vollmundigkeit – so milden Emmentaler AOP hatte er schon länger
nicht mehr gegessen und hatte ihn fader in Erinnerung.
Schwingerkönig
schaltete sich zu
Dann ergriff ein Schwingerkönig das Wort. Matthias Sempach
war von seinem Zuhause in Entlebuch LU zugeschaltet, hinter ihm prangten zwei
mächtige Treicheln, die er seinerzeit herausgeschwungen hatte. Nachdem er viele
Jahre lang für den Emmentaler-Käse geworben hatte, ist er seit Januar selbst
Lieferant einer Emmentaler-AOP-Käserei (Mosigen-Ebnet). «Bauer zu werden, war
er ein Bubentraum – das dieser auf dem Hof der Eltern meiner Partnerin Heidi in
Erfüllung gegangen, macht mich glücklich. Jeden Tag stehe ich gerne auf», so
Sempach. Es sei ein Privileg und er sei stolz, so eng mit dem Emmentaler AOP verbunden
zu sein.
«Ich füttere kein
Soja»
In der Bergzone II halte er 16 Milchkühe, schwarze und
braune, führte Sempach in seiner gewohnt ruhigen und deutlich Art aus. Pro Jahr
liefere er rund 100’000 kg Milch ab. Die Kühe seien im Laufstall und im RAUS-Programm
angemeldet. Beim Emmentaler AOP dürfe man höchstens zehn Prozent Kraftfutter
füttern, das seien Mais, Weizen und Abfälle der Lebensmittelproduktion, betonte
Sempach und ergänzte: «Ich achte darauf, dass ich kein Soja verfüttere.» Er sei
am heutigen Tag gerade am Embden, also beim zweiten Schnitt. Silage dürfe er ja
keine füttern, wenn er Käsereimilch für Emmentaler AOP liefere. Eingangs hatte
er betont, dass er auf seinem Grasland keinen Kunstdünger, sondern
ausschliesslich Hofdünger ausbringe.
Mit lokalem
Blütenhonig
Dann forderte Moderator Caci die Degustanten auf, den milden
Classic-Emmentaler mit dem Blütenhonig zu kombinieren, der ebenfalls
zugeschickt worden war. Blütenhonig von Hans Reber, Grünenmatt BE, aus der
nächsten Umgebung der Emmentaler-Schaukäserei also. «Das passt einfach»,
schwärmte Caci. Mit einem Akazienhonig aus dem Mittelmeerraum würde das nicht
funktionieren. Die «Mariage» von Käse und Honig mundete tatsächlich herrlich.
Mit Tessiner
Feigensenf
Weiter ging es mit dem acht Monate gereiften
Réserve-Emmentaler. «Das ist für mich der heimliche Star unter den
Emmentaler-Typen», betonte Caci. Mehrere Teilnehmer der digitalen Degustation
waren allerdings überrascht, wie nahe der Classic am milden Emmentaler AOP lag,
und die Organisatoren wollten nicht einmal ausschliessen, dass er verwechselt
worden war. Sicher sei es ein original Schweizer Emmentaler AOP, das könne man
auch den von Agroscope entwickelten Markerkulturen nachweisen, führte Caci aus.
Auch der Réserve wurde zuerst allein und dann mit Tessiner Feigensenf
degustiert. Auch hier waren sich Salzmann und Ruprecht einig: Dieser Feigensenf
macht sich gut zum Emmentaler AOP.
Aus überschaubaren
Käsereien
Es übernahm ein bekanntes Gesicht in der Welt des Emmentaler
AOP: Christoph Räz, Vizepräsident der Sortenorganisation, Käser in Uettligen
BE. Er betonte, dass man in den Emmentaler-Käsereien die Milchlieferanten
täglich sehe, dass man sich mit ihnen austausche – und dass diese Käsereien
eben gerade keine Fabriken seien, sondern überschaubare Familienbetriebe mit
zwei bis höchstens zehn Angestellten. Tatsächlich ist es für den Freund des
Emmentaler AOP bisweilen hart zu sehen, dass Industriekäse aus Silomilch ohne
Geschichte, dafür mit gut klingendem Phantasienamen in den Grossverteilern
deutlich teurer als der Emmentaler AOP angeboten wird.
Herausforderungen in
Vermarktung
Erschwerend könnte im Marketing sein, dass der grössere Teil des Emmentaler AOP
ausserhalb des Emmentals hergestellt wird (im Kanton Luzern und in der Ostschweiz),
dass es doch auch ziemlich grosse Emmentaler-AOP-Käsereien gibt und dass die
Milch aus einem Radius von immerhin 20 Kilogramm stammen darf (bei
Lieferantenverhältnissen, die vor 2012 bestanden, dürfen es laut Pflichtenheft
sogar 30 km sein).
20 Kilometer mögen vergleichsweise wenig sein, wenn man
bedenkt, dass Molkereimilch aus fast der ganzen Schweiz beispielsweise in die
Migros-Molkerei Elsa nach Estaveyer-le-Lac FR gekarrt wird. Wenn man aber um
eine Dorfkäserei einen Radius von 20 Kilometern zieht, ist das doch ziemlich
weit. Das dachte wohl auch die Molkerei Cremo, die seinerzeit für die mit ihr
verbundenen kleinen Emmentaler-AOP-Dorfkäsereien ein strengeres Pflichtenheft
mit der Auflage von nur 10 Kilometern ins Leben rief – doch am Markt konnte
diese Initiative dem Vernehmen nach nie einen einzigen Rappen Mehrpreis für
Käse und Milch lösen. Vielleicht ist aber die grösste Herausforderung beim
Emmentaler AOP diejenige, dass viele Konsumenten meinen, ihn nicht zu mögen –
weil sie ihn gar nicht probieren, was natürlich für die Emmentaler-Welt fatal
ist.
Nussiger
Höhlengereifter mit Nüssen
Zurück zur Degustation, die mit einem höhlengereiften
Emmentaler AOP weiterging. Dieser stammte anders die zwei ersten Käse nicht aus
der Schaukäserei selbst, sondern aus der Käserei Röthenbach i. E. aus dem
oberen Emmental. Caci führte ihn als «bedeutend mürber, leicht nussig, leicht
süss» ein, während Urs Gilgen, Bereichsleiter Technik/Qualität bei der
Sortenorganisation, über die Taxation informierte. Für Lochung, Teig,
Geschmack, Äusseres gebe es maximal je 5 Punkte, der allerbeste Käse erreiche
also 20 Punkte. 98% des Emmentaler AOP erreiche 18 Punkte und sei damit in der
ersten Klasse. Zweitklasskäse werde in den Schweizer Schmelzkäsewerken
verarbeitet, zum Beispiel im Tigerschmelzkäse der Emmi, führte Gilgen aus. Caci
kombinierte diesen Höhlengereiften mit dunklen Baumnüssen aus der
Delicatessa-Abteilung von Globus – sehr spannend.
Urtyp neu auch in der
Migros
Es folgte mit dem Emmentaler Urtyp eine Innovation, wie sie
für eine kompliziert aufgebaute Sortenorganisation alles andere als einfach zu
lancieren ist. Zuerst angeboten wurde der Urtyp im deutschen Markt, seit
September 2019 ist er in den Coop-Filialen und ab Woche 24 (ab 8. Juni) auch in
der Migros erhältlich. Eine Jury wählt aus einer kleinen Anzahl Käsereien
diejenigen Laibe aus, die dem für den Urtyp geforderten Geschmacksprofil genau
entsprechen. Dann werden sie alle am gleichen Ort gelagert, in einem ehemaligen
Militärbanker in Kien im Kandertal BE und frühestens nach zwölf Monaten – auf
den Punkt gereift – in den Verkauf gebracht. «Guter Biss, aromatisch, nicht
scharf», kommentierte Caci. Hin und weg sei er gewesen, als er den Urtyp zum
ersten Mal habe probieren können, bekannte er und empfahl als Begleitung zum
Urtyp, der in diesem Fall aus Eggiwil im Oberemmental stammte, einen Schweizer
Apfel. Der Urtyp richtet sich an den Teil der Kundschaft, die bewusst einen gut
gereiften Emmentaler sucht.
Der König als Krönung
Beiläufig erwähnte Caci, dass Hartkäse wie der Emmentaler
AOP von Natur aus laktosefrei sei und dass er wertvolle Inhaltsstoffe wie viele
verschiedene wertvolle Proteine und das Vitamin B12 aufweise. B12 ist
bekanntlich das Vitamin, das Veganer supplementieren müssen, was nichts anderes
heisst, dass sie es künstlich hergestellt zu sich nehmen müssen – sonst riskieren
sie schwerwiegende Schäden an Körper und Geist. Schliesslich leitete Caci über
zum Finale mit dem «Le Roi d’Emmental», einem 24 Monate gereiften Emmentaler
aus der Ortsreserve der Schaukäserei Affoltern. Dieser ist so kräftig, dass er
definitiv keine Begleitung braucht– für ihn, so Caci, sei er perfekt für den
Apéro am Vorabend. Dieser war denn nach der eineinhalbstündigen Degustation
auch erreicht. Fazit: Der Emmentaler AOP hat viel, sehr viel zu bieten. Es muss
ihm nur gelingen, die Vorurteile vieler Konsumentinnen und Konsumenten zu
überwinden. Deren Neugier ist gefragt!
Der Emmentaler AOP in
Zahlen
Rund 2300 Milchlieferanten liefern die Milch in 111
Emmentaler-AOP-Käsereien. 15 Handelsfirmen affinieren und vertreiben ihn. Hergestellt
wurden von ihm im Jahr 2019 ganze 16332 Tonnen. Dank steigenden Zahlen im
Export konnte die Sortenorganisation für 2019 eine Trendwende vermelden: Erstmals
seit vielen schwierigen Jahren konnte mehr Emmentaler AOP verkauft werden. Auch
das Jahr 2020 begann stark, auch die Exporte liefen sehr gut. Im Monat April
allerdings resultierte gegenüber dem Vorjahresmonat ein Minus von fast zehn
Prozent.