Rund 4’000 Tonnen frische oder getrocknete Feigen importiert die Schweiz jährlich. Im Detailhandel sind Schweizer Feigen nicht zu finden. Die Feigen kommen hauptsächlich aus aus der Türkei, aus Italien oder Spanien. Aber es gibt sie doch, die Schweizer Feigen, und zwar im Hofladen der Familie Stocker.
Kundschaft ersehnt den Saisonstart
Um die Schweizer Feigen kosten zu können, muss man ins luzernische Greppen reisen. Zwischen dem Vierwaldstättersee und dem Rigi prägen auch Feigen und Feigenprodukte das Landschaftsbild. Sehr begehrt sind die frischen Feigen. «Wir erhalten immer wieder Anfragen, wann die Ernte starte», sagt Andrea Stocker, die zusammen mit ihrem Mann Stephan den Betrieb führt.
Dieses Jahr müssen sich die Kundinnen und Kunden etwas länger gedulden als im Vorjahr. Aber spätestens Anfang August dürfte die Saison starten. Dass so viele Anfragen kämen, sei motivierend, sagt Andrea Stocker. Und es entschädige für die arbeitsintensive Pflege und Vermarktung.
Andrea und Stephan Stocker sind Schweizer Feigenpioniere. Ihnen sei nicht bekannt, dass in der Schweiz noch sonst jemand professionell Feigen produziere, erzählen sie. Sie sind also nicht nur Pioniere, sondern die einzigen. Am Anfang der Idee stand die Frage, wie die Familie vom kleinen 10-Hektar-Betrieb leben kann.
Stephan und Andrea Stocker aus dem luzernischen Greppen gelten als Pioniere im Schweizer Feigenanbau. Ihre Feigen-Anlage ist eine halbe Hektare gross.
Jonas Ingold, lid
«Ein Produkt das Einkommen bringt»
Stephan Stockers Vater hatte bereits den einen oder anderen Feigenbaum und so reifte die Idee, es in grösserem Stil zu versuchen. «Es war uns wichtig, dass es ein Produkt ist, von dem wir eine gewisse Masse produzieren können und das auch Einkommen bringt», sagt Stephan Stocker.
Vorbilder in der Schweiz gab es keine und so mussten Stockers einiges Lernen, als 2012 die 160 Bäume auf einer halben Hektare gepflanzt waren. Sie reisten zwecks Erfahrungsgewinn nach Italien, aber ohne grosse Erkenntnisse. Erst eine Reise nach Südfrankreich half weiter. Die Bäuerinnen und Bauern dort seien sehr hilfsbereit gewesen und hätten ihnen viel geholfen, sagt Andrea Stocker. Die Bandbreite des Anbaus in Frankreich sei gross, von der intensiven Düngung bis zum Bio-Landbau ist alles vertreten.
Der kleine Hofladen von Stephan und Andrea Stocker liegt an einem gut frequentierten Wanderweg.
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Nur Hofdünger und keine Pflanzenschutzmittel
Auf dem Hof Kirchweg-Greppen kommen die Bäume mit hofeigenem Dünger und ohne Pflanzenschutzmittel aus. Zugute kommt dem Betrieb die Lage mit einem milden Klima, das die Feigen mögen. Rund 1,2 Tonnen ernten Stockers pro Jahr. Allerdings vertragen Feigen keine Staunässe. Im nassen 2021 gab es deshalb einen Totalausfall. Auch sonst stiessen die Pioniere auf einige Herausforderungen.
So waren die ersten Bäume qualitativ nicht gut, zahlreiche mussten bereits ersetzt werden. Rund drei bis vier Jahre dauert es, bis ein neuer Baum Ertrag liefert. Wie zu Beginn pflegen Stockers aktuell acht Feigensorten. Das ermöglicht ein breiteres Erntefenster. Zudem unterscheiden sich die Feigen geschmacklich und optisch. Die einen sind perfekt zum Frischverkauf geeignet, die anderen sind besser für Konfitüre. «Sorten mit rotem Fruchtfleisch geben der Konfitüre eine schönere Farbe», sagt Andrea Stocker.
Die Feige zählt zu den ältesten domestizierten Nutzpflanzen. Die Blüten der Frucht werden von Wespen bestäubt.
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Massiver Ertragsausfall durch Vogelfrass
Gerade als die Produktion Fahrt aufnahm, standen Stockers vor einem grossen Problem. Staren-Schwärme hatten die Feigen für sich entdeckt und machten sich über sie her. Der Ertragsausfall war massiv und viele Feigen eigneten sich nicht mehr zum Frischverkauf. Stockers standen vor einer wichtigen Entscheidung: Mit dem Risiko weiterleben oder in eine Totaleinnetzung investieren, die so viel kostet, wie die bisherige Pflanzung inklusive Tröpfchenbewässerung zusammen.
«Wir standen am Scheideweg», sagt Stephan Stocker. Sie entschieden sich für die Investition zugunsten des höheren Ertrags. Nun sind die Bäume gegen die Vögel eingenetzt, sobald die Feigen reif sind. Gleichzeitig sind die Feigen gegen Hagel geschützt.
Der Hof der Familie Stocker befindet sich im luzernischen Greppen.
Auch Mäuse sind ein Problem
Stephan Stocker erklärt, dass es eine gute Abwägung brauche, ab wann man die Netze runterlasse. Denn ein grosses Problem sind die Mäuse, welche Wurzeln und Rinde fressen. Und sobald das Netz unten ist, gelangt auch der mäusefressende Fuchs nicht mehr auf die Obstplantage.
Neben den Vögeln und Mäusen gibt es aber keine Probleme mit Schädlingen. Auch die Kirschessigfliege hat sich nie über die Feigen hergemacht, obwohl sie in der Nachbarschaft vorkommt. Stockers hoffen, dass dies so bleibt.
Richtiger Pflückzeitpunkt ist entscheidend
Neben dem Anbau muss die Vermarktung gut geplant sein. Stockers ernten die Feigen nur, wenn sie wirklich reif sind. «Bei uns gibt es ausschliesslich reife Früchte, das unterscheidet uns auch vom Import», erklärt Andrea Stocker.
Reife Feigen bleiben aber höchstens 2 Tage gut, Ernte und Verkauf müssen deshalb zum richtigen Zeitpunkt stattfinden. Zum Erntehöhepunkt kann es sein, dass Stockers mit Hilfe der Familie 80 Kilo Feigen pro Tag ernten.
Mit einer Komplett-Einnetzung schützen sie die Feigen vor den Starenschwärmen. Sobald die Feigen reif sind wird das Netz heruntergelassen.
lid/Jonas Ingold
Hofladen: Es gibt sie auch als Schnaps
Die Feigen und die Feigenprodukte vermarktet Familie Stocker direkt über den Hofladen sowie den Online-Shop. Zudem beliefern Stockers kleinere Läden sowie in kleinerem Rahmen Hotellerie und Gastronomie. In letzterem Bereich ist die Zusammenarbeit aber schwierig, da die lieferbaren Mengen nicht im Voraus bekannt sind und die Gastro längerfristig plant.
Auch wenn die frischen Feigen das Herzstück des Betriebs sind, setzen Stockers auf Produktvielfalt. Begonnen habe alles mit dem Feigensenf, erzählen sie. Diesen stellen sie noch heute selbst auf dem Betrieb her. Die Feigenkonfitüre wird in einem Familienbetrieb in der Nähe produziert.
Der Feigen-Balsam aus 100% Feigensaft wird ebenfalls auswärts produziert. Den Saft jedoch pressen Stockers selbst, denn die Feigen zu pressen erfordert Wissen, das sonst nirgends vorhanden ist. Zudem brennen Stockers Destillate, das Highlight ist das «Feigen Gold». Dieses reift während einem Jahr im Eschenholzfass – nur 10 Flaschen gibt es pro Jahr.
Betriebsspiegel vom Stocker-Hof
- 10 Hektaren
- Mutterkühe (Natura Veal) und Mutterschafe
- 350 Freiland-Legehennen
- 0,5 Hektaren Feigen
- Hochstammobstbäume zur Saftproduktion
- Direktvermarktung mit Online-Shop