«Die extensiv bewirtschafteten Kulturlandschaften Europas mit ihren Wiesen und Weiden beherbergen einen gewaltigen Formen- und Artenreichtum und stellen eine weltweite Besonderheit dar», halten die Mitglieder der «Maienfelder Erklärung» fest.
Adrian Haldimann
Extensive Weide- und Wiesenlandschaften sind Hotspots der Artenvielfalt, besonders in den Alpen. Das schreiben die Initianten der sogenannten «Maienfelder Erklärung». Sie weisen darauf hin, dass diese Landschaften das Ergebnis einer viele Jahrhunderte alten, bäuerlichen Nutzung und somit auch ein Kulturgut sind. Ohne Beweidung würde fast überall dichter Wald dominieren. Zahlreiche seltene und gefährdete Tier- und Pflanzenarten seien aber auf die Offenhaltung durch die landwirtschaftliche Nutzung angewiesen.
«Von Regulierung profitiert der Wolf»
«Eine Nutzungsauflassung solcher Landschaften kann aus naturschutzfachlicher Sicht nicht infrage kommen», halten die Initianten. Um artenreiche, weidegeprägte Landschaften zu erhalten, brauche es «rasch ein regional differenziertes, aktives Wolfsmanagement.» Davon profitiere auch der Wolf. Dieser werde auf Dauer nur akzeptiert, wenn die Konflikte gelöst würden.
Gemäss den Unterzeichnern des «Maienfelder Manifests» sind traditionelle Kulturlandschaften seit langem im Rückgang begriffen. Mit europäischen und nationalen Fördermitteln seien grosse Anstrengungen unternommen worden, um den Flächenverlust zu reduzieren. Zusammen mit Bewirtschaftern konnte der Naturschutz namhafte Erfolge erzielen. «Eine immense Arbeit von über dreissig Jahren ist nun in Gefahr», warnen sie. Dies Lebensräume lassen sich aus ihrer Sicht durch die dauernde Wolfspräsenz nicht erhalten.
Weideschutzgebiete
Deshalb fordern sie ein Wolfsmanagement. In der Kulturgeschichte Mitteleuropas gebe es keine Tradition von passiven Herdenschutzmassnahmen. Wölfe seien zu allen Zeiten scharf verfolgt worden. Die Aussage, «man müsse erst wieder lernen, mit den Wölfen zu leben» sei deshalb unsinnig und irreführend.
Zäune sind aus der Sicht der Initianten keine Patentlösung, um die Weidewirtschaft trotz der Anwesenheit von Wölfen aufrecht zu erhalten. «Sie sind ohne gleichzeitige Bejagung auch unter günstigen Bedingungen nie hinreichend wolfssicher», stellen sie klar. Im Gebirge seien sie technisch nur in Ausnahmefällen umsetzbar. Es müssten ganze Landschaften mit elektrischen Wolfszäunen zugestellt werden. Wildtiere wie Rehe würden darunter leiden. In den von Herdenschutzhunden bewachten Flächen wären Wildtiere wie Hasen und bodenbrütende Vögel bedroht.
Europa braucht aus Sicht der Initianten umgehend ein räumlich differenziertes, aktives Wolfsmanagement, das an das jeweilige gesamtökologische und gesellschaftliche Umfeld angepasst ist. Sie fordern eine transparent hergeleitete wildökologische Raumplanung. Sie schlagen deshalb sogenannte Weideschutzgebiete vor. Hier soll der Schutz der Kulturlandschaft über den Wolfsschutz stehen. Ausserhalb der Weideschutzgebiete ist aus ihrer Sicht ein permanentes Wolfsmanagement vonnöten.
-> Die ganze Erklärung kann hier eingesehen werden.
Ein Reh, dass sich in Hohtenn VS in einem Zaun verfangen hat und verendet ist.
Marcel Züger
Was spricht gegen Schutz des Wolfes?
- Obwohl Wölfe in Europa seit 2007 nicht mehr als gefährdet gelten, sind sie streng geschützt. Der Schutzstatus des Wolfs steht im Gegensatz zum Rückgang anderer Tierarten, die in ähnlichen Lebensräumen existieren.
- In Mitteleuropa gibt es keine Tradition passiver Herdenschutzmassnahmen, und Wölfe wurden historisch stark verfolgt. Die Idee einer friedlichen Koexistenz zwischen Wolf und Weidevieh ist unrealistisch, und Zäune sind keine effektive Lösung, besonders in bergigen Regionen. Sowohl Zäune als auch Herdenschutzhunde gefährden ausserdem Wildtiere und stehen in Konflikt mit Wanderern.
- Wölfe sind Teil einer grossen eurasischen Population und haben keine spezifischen Lebensraumanforderungen. Eine flächendeckende Besiedlung ist nicht notwendig, weil die Kriterien zur langfristigen Erhaltung der Population erfüllt sind.
Marcel Züger ist Biologe und ist im Komitee der «Maienfelder Erklärung». Er führt im folgenden Video aus, was Sinn und Zweck der Erklärung ist:
Was fordert die «Maienfelder Erklärung»?
Europa benötigt laut der Erklärung ein differenziertes Wolfsmanagement, das auf ökologische und gesellschaftliche Bedingungen abgestimmt sei. Dort, wo Herdenschutz nicht möglich sei und Naturschutzbedenken gegen Wölfe sprächen, sollten spezielle Weideschutzgebiete eingerichtet werden. Ausserhalb dieser Gebiete sei ein aktives Management erforderlich, das eine Bestandsregulierung und die Einhaltung «roter Linien» umfasst.
Die Forderungen im Detail:
1) Weideschutzgebiete
Wo aus technischen Gründen kein Herdenschutz durchgeführt werden kann und wo wichtige naturschutzfachliche Argumente gegen die Anwesenheit von Wölfen sprechen, werden Wölfe nicht toleriert. Eine Pufferzone hält wandernde Wölfe fern.
2) Aktives Wolfsmanagement
Ausserhalb der Weideschutzgebiete ist ein permanentes Wolfsmanagement vonnöten:
• Bestandsregulation
Der Wolfsbestand wird so gelenkt, dass er langfristig überlebensfähig, aber auch naturschutz- und sozialverträglich ist. Bestandesgrössen, regionale Dichten und Rudelgrössen werden so geregelt, dass ein Genaustausch innerhalb der eurasischen Population gewährleistet ist.
• Rote Linie
Opportunes Verhalten wird definiert, auf Abweichungen wird postwendend durch Entnahme reagiert. Wölfe sollen möglichst menschenscheu sein, keine Herdenschutzzäune überspringen, sowie Siedlungen, Herdenschutzhunde und Grossvieh meiden.
• Förderung von Herdenschutzmassnahmen
Wenn Herdenschutzmassnahmen zur Voraussetzung für Entnahmen gemacht werden, sind sämtliche Kosten, Material und Arbeit inkl. Unterhalt und Erneuerung vom Staat zu decken.
Die Unterzeichner fordern eine dringende Herabstufung des Schutzstatus des Wolfs in internationalen Abkommen wie der Berner Konvention. Konkret ist die Rückstufung des Wolfs von «streng geschützt» zu «geschützt» gefordert. Wenn die aktuellen Konflikte gelöst werden, dient dies am Ende auch der Akzeptanz gegenüber der Tierart Wolf, sind sich die Initianten sicher.
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