Im ersten Teil des Interviews beantwortete Urs Brändli Fragen zu den verschärften Richtlinien, zur Kritik an Bio Suisse und zur Stagnation bei den Anmeldungen.
Das Wachstum bei Bioprodukten ist vor allem im Detailhandel realisiert worden. Ist das im Sinn von Bio Suisse?
Nein, eigentlich nicht. Unser Wunsch wäre es, auch in der Direktvermarktung zu wachsen, wir sind ja in den1980er-Jahren so gestartet. Mit Biomondo wollen wir hier Unterstützung leisten. Die Direktvermarktung ermöglicht den direkten Kontakt zu den Konsumenten. Bauern erfahren so, was gefragt ist und die Bindung zum Konsumenten wird gestärkt. Aber Fakt ist: Der grösste Teil der Bio-Lebensmittel wird in den Supermärkten verkauft. Und nur dank dieser Zusammenarbeit werden heute 18 Prozent der Landwirtschaftsfläche biologisch bewirtschaftet.
Bei der Migros wird die Nachhaltigkeit weniger hoch gewichtet. Wie reagiert Bio Suisse darauf?
Hierzu kann ich nur sagen: Wir sind im engen Austausch mit der Migros betreffend Rahmenbedingungen für die weitere Entwicklung der Partnerschaft, und die Zusammenarbeit mit den Schweizer Bio-Produzenten und -Produzentinnen soll weiter ausgebaut werden.
Biobauern müssen keine Mehrkosten befürchten.
Bio Suisse entgeht aber durch den Entscheid der Migros rund 3 Millionen an Lizenzgebühren. Haben Sie diese Gelder bereits eingeplant?
Bio Suisse erhoffte sich rund 4 Millionen Franken, die durch Lizenz- und Markennutzungsgebühren von der Migros kommen werden. Aktuell dürften es knapp 2 Millionen Franken sein.
Die Landwirte werden also nicht über höhere Mitgliederbeiträge diesen Ausfall kompensieren müssen?
Nein, die Landwirtinnen und Landwirte müssen hier keine Mehrkosten befürchten. Aber wir mussten unsere Reserven anzapfen.
Urs Brändli ist erfreut über das Aldi-Bio-Label.
zvg
Aldi und Lidl bauen ihre Bio-Sortimente steigt aus. Freut das Bio Suisse oder schmerzt es auch, weil sie nicht die Knospe nutzen?
Bei der Aldi-Linie «retour aux sources» freut es mich persönlich vor allem für die Landwirte, die seit 20 Jahren antibiotikafrei produzieren. Sie haben endlich einen eigenen Absatzkanal gefunden. Diese Produktionsweise ist eine grosse Herausforderung. Es freut mich, wenn die Discounter im Biosegment zulegen und sie sich für Bio engagieren. Das zeigt, dass auch Konsumierende, die preissensitiver sind, vermehrt Bioprodukte kaufen.
Weshalb strebt Bio Suisse keine engere Zusammenarbeit mit den Discountern an?
Wir sind regelmässig im Austausch. Aldi und Lidl kennen die Bedingungen. Wir verlangen eine gewisse Sortimentsbreite.
Die Anforderungen an die Discounter sind absolut erfüllbar.
Diese können die Discounter gar nicht erfüllen. Sie müssten gemäss einem Artikel des Tages-Anzeiger von 2020 rund 800 Bio-Produkte im Sortiment führen.
Doch, das können sie. Unsere Anforderungen sind absolut erfüllbar. Aber es geht auch darum, wie sie ihre Kundschaft einschätzen. Und ob diese bereit ist, mehr Bioprodukte zu kaufen. Ich bin gespannt, wie sich die Bio-Nachfrage im Discountgeschäft entwickeln wird.
Was auffällt: Die Discounter verkaufen Bioprodukte deutlich günstiger als Coop und Migros. Befürchten Sie nun Preisdruck?
Dass ein Discounter günstiger ist im Preis als ein Vollsortimenter wie Coop, dürfte klar sein. Das hat mit den Strukturkosten zu tun. Aber offenbar gibt es eine grosse Anzahl Konsumenten, die ein Vollsortiment schätzen. Sonst würde der Marktanteil von Coop und Migros sinken.
Günstig-Biolinien senken Preisdruck
Was sagen Sie zu den «Günstig-Bio-Linien» von Migros (Alnatura) und Coop (Bio 365). Ist das nicht eine Gefahr für Knospe-Produkte?
Nein, da sehe ich nicht so. Das hilft sogar, den Anteil der Knospe mit der Zeit zu steigern. Preissensitiven Kunden wird dank den günstigeren Linien ermöglicht, Bioprodukte zu testen. Ein paar Jahre später greifen sie dann bei Schweizer Knospe-Produkten zu. Die neue Linie von Coop macht keinen Preisdruck auf die Knospe-Produkte, sondern sie senkt den Druck. Denn Coop und Migros werden so bei den Importen konkurrenzfähiger.
In Kritik stehen Coop und Migros auch bezüglich Marge bei Bioprodukten. Der Preisüberwacher übte harsche Kritik. Wie stehen Sie dazu?
Die Margen sind sehr unterschiedlich. Die Detailhändler versichern uns, dass die Marge über das gesamte Biosortiment nicht höher ist als bei den konventionellen Produkten. Beim Rapsöl und Sonnenblumenöl ist die Marge kleiner, weil sonst die Preisdifferenz zum Ausland zu gross wäre. Diese Produkte sind für uns aber wichtig. Dafür sind die Margen bei Artikeln, die gut laufen, in der Tendenz höher. Die Analyse des Preisüberwachers hat mich schon überrascht.
Margendiskussion ist nicht die richtige Methode.
Erklären Sie.
Er pickt 14 Produkte heraus. Und genau solche, die auch gut nachgefragt werden. Diese Produkte dienen aber den Detailhändlern dazu, die Breite des Sortiments zu ermöglichen. Das ist auch in unserem Sinn. Ich habe Mühe, wenn regelmässig über die Höhe der Marge der Bioprodukte gemutmasst wird. Die ständige Diskussion um den Preis führt schlussendlich dazu, dass die Konsumenten vor den Gestellen stehen und sagen: Ich würde gerne Knospe-Produkte kaufen. Aber daran verdienen ja nur Coop und Migros.
Urs Brändli hat Mühe mit der Analyse des Preisüberwachers Stefan Meierhans
Adi Lippuner
Sie sind verärgert.
Dass hier einfach gesagt wird, die Detailhändler würden zu viel verdienen und gleichzeitig fordern, der Bioanteil müsse steigen, verärgert mich schon. Wir müssen gemeinsam versuchen, den Bioanteil zu steigern. Ich bin nicht sicher, ob die Diskussion um die Marge die richtige Methode dafür ist.
Weshalb sollte ein konventioneller Betrieb auf die Knospe umstellen?
Es braucht eine gewisse Offenheit, um auf Bio umzustellen. Die Umstellung im Ackerbau stellt die Bauern vor grössere Herausforderungen als im Grasland. Mehrere Studien zeigen aber, dass sich Knospe-Produktion für sehr viele Betriebe rechnet. Aber nicht nur das: Es weckt den Berufsstolz. Wenn ein Problem auftaucht, entscheidet nicht mehr der Dünger- oder Pflanzenschutzberater, sondern der Landwirt selbst. Ich kenne Betriebsleitende, die im Alter von 50 Jahren sagten: Ich brauche noch einmal eine Herausforderung und sind auf Bio umgestiegen. Sie sind heute mit Freude und Engagement am Bauern. Zudem verfügt der Biolandbau über viele gute Lösungen für die Herausforderungen, die die Zukunft bringen wird.
Bio ist im Grossverteiler wegen deren zu hohen Margen zu teuer und wird so nicht vom Fleck kommen. Schade für die gute Arbeit unserer Bio Bauern.