Leo Tiefenthaler ist Landesobmann des Südtiroler Bauernbundes (SBB). Im Kurzinterview spricht er über die Diskussion zum Pflanzenschutz im Südtirol und wie dessen Landwirtschaft die Schweizer Abstimmungen verfolgt hat.
Kürzlich hat ein Bio-Referendum im Trentino das nötige Quorum nicht erreicht. Spüren die Landwirte in Südtirol ähnlich wie in der Schweiz einen immer grösseren Druck auf den Pflanzenschutz?
Leo Tiefenthaler: Der Pflanzenschutz steht auch in Südtirol bereits seit Jahren in der Diskussion. Höhepunkt war eine Bürgerabstimmung in der Gemeinde Mals im Vinschgau. Die Mehrheit stimmte für ein Verbot synthetischer Pflanzenschutzmittel, was in der Folge von der Gemeinde aus rechtlichen Gründen aber nicht umgesetzt werden konnte. Dennoch gibt es weiterhin kritische Stimmen bestimmter Aktivistengruppen. Als Landwirtschaft müssen wir die Bevölkerung über den Sinn und Zweck von Pflanzenschutz informieren sowie auf einen schonenden Einsatz achten.
In der Schweiz wurden im Juni zwei Initiativen abgelehnt, die weitreichende Folgen gehabt hätten. Wäre im Südtirol eine Landwirtschaft ohne synthetische Pflanzenschutzmittel überhaupt noch möglich?
Eine Erwerbslandwirtschaft ohne Pflanzenschutz ist nicht möglich. In Südtirol benötigen wir Pflanzenschutzmittel in erster Linie im Obst- und Weinbau. Bei einem Verzicht auf synthetische Pflanzenschutzmittel müssten die Landwirte auf Wirkstoffe aus dem Bio-Anbau zurückgreifen. Das hätte einige Folgen, vor allem müssten Bio-Lebensmittel zu einem höheren Preis abgesetzt werden, damit ihre Produktion rentabel ist. Das ist nur möglich, wenn der Biomarkt im Einklang mit der Kundennachfrage wächst. In Südtirol produzieren wir – bei einem Bio-Anteil im Apfelanbau von etwas mehr als 10 Prozent – bereits rund 20 Prozent aller Bio-Äpfel in Europa. Müssten alle Südtiroler Apfelbauern biologisch produzieren, wäre der Markt für Bio-Äpfel im Nu ruiniert.
Inwiefern haben Sie die Abstimmungen in der Schweiz verfolgt und haben diese für das Südtirol eine Signalwirkung?
Wir haben die Abstimmungen mit grossem Interesse verfolgt und freuen uns über die sehr klare Ablehnung der zwei Initiativen durch die Schweizer Bevölkerung. Dieses Ergebnis sowie das gescheiterte Bio-Referendum im Trentino sind für uns ein wichtiges Zeichen dafür, dass die Bevölkerung Vertrauen in die Landwirtschaft hat und extreme Forderungen ablehnt. Entwicklungen müssen gemeinsam mit den Bäuerinnen und Bauern vorangebracht werden und nicht durch Angstmache und indem man die Landwirtschaft an den Pranger stellt.
Sie haben sich mit dem Schweizer Bauernverband über dessen Abstimmungsbemühungen ausgetauscht. Welche Erkenntnisse können Sie daraus für das Südtirol und den Südtiroler Bauernbund mitnehmen?
Eine Erkenntnis ist, dass man der Bevölkerung alle Folgen einer Entscheidung klar vor Augen führen muss. Wir haben ausserdem gesehen, dass es breite Allianzen braucht. Alle Betroffenen, auch der Lebensmittelhandel und die vor- und nachgelagerten Sektoren, müssen ihren Beitrag leisten. Der Schweizer Bauernverband und seine Mitglieder haben grossartige Arbeit geleistet. Vor allem die Mobilisierung der Basis hat uns beeindruckt. Die Schweizer Bauernfamilien haben in den Wochen vor der Abstimmung Flagge gezeigt und die Botschaften vor Ort verbreitet. Nur so ist ein Erfolg an der Wahlurne aus unserer Sicht möglich.