Zahlt es sich in der intensiven Rinder- und Schweinemast aus, ins Tierwohl zu investieren? Fleisch mit einem höheren Tierwohlstandard lässt sich zwar meist teurer verkaufen, verursacht aber höhere Kosten. Agroscope-Forschende fanden heraus, dass die Tierwohlprämie in der Rindermast zu tief ist. Die Schweinemast ist nur knapp kostendeckend.
Gemäss Umfragen ist die artgerechte Haltung von Nutztieren Konsumentinnen und Konsumenten wichtig. Das korreliert aber nicht mit Verkäufen in den Supermärkten.
Denn der Absatz von Fleischprodukten mit Tierwohlsiegel stagniert seit einigen Jahren. In einigen Segmenten ist der Absatz sogar sinkend. Wie sich dies ändern könnte, hat Agroscope Ende September skizziert. (Siehe Kasten)
Biokonsum über Preis ankurbeln
Eine Agroscope-Studie im Auftrag des Schweizer Tierschutzes hat unter Einbezug realer Konsumdaten berechnet, wie Konsumenten auf Preisänderungen reagieren.
Je nach Produktionsverfahren (konventionell, Label, Bio) und Produktkategorie (Rind, Schwein, Geflügel) reagieren Konsumenten unterschiedlich auf tiefere Preise. Bei Bioprodukten ist das Absatzpotential am grössten. Wenn der Verkaufspreis um 10% sinkt, ergibt sich bei Rindfleisch eine Absatzsteigerung von bis zu 27%, bei Schweinefleisch reicht sie sogar bis zu 32%. Geflügelfleisch erfährt kaum mehr Absatz.
Wechselkäuferinnen und Wechselkäufer, die von konventioneller Ware zu Labelfleisch wechseln, gibt es bei Rind- und Geflügelfleisch nur beschränkt. Beim Schweinefleisch indes geschieht dies vermehrt: Die Verteuerung der konventionellen Ware gegenüber Label-Produkten um 10% kann hier zu einer Absatzsteigerung von bis zu 34 % führen.
Fazit
- Preissenkungen bei Bioprodukten locken Konsumenten an, bei Labelfleisch sind auch höhere Preise konventioneller Waren von Bedeutung.
- Am deutlichsten ist das Ergebnis beim Schweinefleisch, wo eine Absatzsteigerung von bis zu 30 % erfolgen kann: einerseits beim Bio-Schweinefleisch durch eine Preissenkung von 10 %, andererseits beim Label-Schweinefleisch durch die Verteuerung der konventionellen Produkte.
Die Agroscope-Forschenden haben basierend auf dieser Studie folgende weitere Fragen beantwortet, die für Landwirtinnen und Landwirte wirtschaftlich relevant sind:
Wie hoch sind die Kosten, die auf den Betrieben anfallen, nachdem sie das Tierwohl verbessert haben? Inwiefern sind diese Kosten durch Tierwohlprämien gedeckt – durch Marktprämien und Direktzahlungen des Bundes?
Beim Rind bräuchte es höhere Beiträge
Die Tierwohlprämie bei der Rindermast wird zu zwei Dritteln vom Markt und zu einem Drittel durch Direktzahlungen des Bundes finanziert.
Die Kosten für das höhere Tierwohl auf den IP-Suisse-Betrieben sind dadurch allerdings nur zu 72% gedeckt. Damit die Mehrkosten gedeckt wären, müssten die Marktprämie um 60% bzw. die Bundesbeiträge um 116% höher sein.
Agroscope
Beim Schwein sieht es ein wenig besser aus
In der Schweinemast wird die Tierwohlprämie zu knapp 60% vom Markt und zu gut 40% vom Bund finanziert. Die Kosten der Tierwohl-Leistungen auf den IP-Suisse-Betrieben sind zu 91% von der Tierwohlprämie gedeckt.
Damit die Kosten für die anfallenden Aufwendungen kompensiert wären, müssten die Marktpreise um 16% steigen und die Direktzahlungen des Bundes um 22%.
Agroscope
Grössere Betriebe im Vorteil
Je mehr Mastplätze ein Betrieb hat, desto besser werden auch die Mehrkosten für Tierwohl-Leistungen gedeckt. Der Grund: Die Tierwohlprämien steigen bzw. sinken mit dem Tierbestand proportional, während dies für die Gebäude- und Arbeitskosten nicht der Fall ist.
Umgekehrt werden die Kosten durch die Tierwohlprämien bei Betrieben mit kleineren Bestandesgrössen tendenziell noch schlechter gedeckt.
Höhere Strukturkosten
Produkte mit Tierwohl-Mehrwert werden auf dem Markt nachgefragt und erzielen höhere Preise. Zudem spielt die eigene Werthaltung der Landwirtinnen und Landwirte mit. Beides fördert die tiergerechte Haltung.
Die höheren Strukturkosten auf den Betrieben werden hingegen eher unterschätzt. Ein Rindermast-Betrieb mit eigener Grundfutterproduktion ist davon stärker betroffen als der Schweinemast-Betrieb. Letzterer lässt sich einfacher berechnen.
Mehrleistungen nicht durch Direktzahlungen finanzieren
Die Mehrkosten sollen über den Markt, also über höhere Produzentenpreise und Prämien, abgegolten werden. Das fordert der Schweizer Bauernverband (SBV). «Es ist nicht in unserem Interesse, dass diese Mehrleistungen über zusätzliche Direktzahlungen finanziert werden», sagt SBV-Direktor Martin Rufer gegenüber der Konsumentenmagazin «Kassensturz» von SRF.
Rufer meint damit die beiden Detailhändler Coop und Migros. Sie hätten es in der Hand, die Prämien zu erhöhen, sagte er weiter. Coop teilt dem «Kassensturz» mit, sie würden nur Schweine von IP-Suisse beziehen. Und sie würden sich für faire und marktgerechte Preise einsetzen. Die Migros schreibt, sie arbeite eng mit den IP-Suisse-Produzenten zusammen. Sie sei die grösste Abnehmerin von Nutztieren aus artgerechter Haltung
Diejenige vom Rind fehlt.
Redaktion