Dienstag, 28. März 2023
27.01.2023 17:00
Detailhandel

Detailhändler wollen Margen nicht begrenzen

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Von: blu/sda

Preisüberwacher Stefan Meierhans kritisiert in seinem Bericht «Missbräuchliche Preise des Detailhandels bei Bio-Lebensmitteln» die Margen der Detailhändler. Ein Vorschlag zur freiwilligen Begrenzung hatte keinen Erfolg. Der Konsumentenschutz fordert die Wettbewerbskommission zum Eingreifen auf.

Ihren Anfang nahm die Untersuchung im Frühjahr 2021. Damals ging beim Preisüberwacher eine Meldung «Missbräuchliche Preise des Detailhandels bei Bio-Lebensmitteln» ein. Dynamik erhielt das Thema «Margen im Detailhandel» mit einem Bericht der Nachrichtensendung «10 vor 10» auf SRF vom 16. Dezember 2022. Die TV-Macher thematisierten den ins Ungleichgewicht geratenen Schweinemarkt. Dabei kamen auch ein Schweinezüchter und ein Mäster sowie der Preisüberwacher zu Wort.

Preissturz bei Bauern

In der Sendung wurde der Preissturz beim Schweinepreis hervorgehoben. Seit Juni 2021 kennen die Produzentenpreise nur eine Richtung – jene gegen unten. Seit August 2022 verharrt der Preis bei sehr tiefen 3 Franken pro Kilo Schlachtgewicht (SG). Das sind 35 Prozent weniger als zu den besten Zeiten während der Pandemie. Für die Mäster sind solche Preise weit weg von kostendeckend.

Obwohl die Bauern für ihre Schweine also seit Monaten einen deutlichen tieferen Preis erhalten, spüren die Konsumentinnen und Konsumenten in den Läden nur wenig davon. Gemäss dem Marktbericht des Bundesamts für Landwirtschaf Bundesamts für Landwirtschaft zeigt: Die Konsumentenpreise des Warenkorbs an konventionellen Schweinefleischprodukten sind seit Juni 2021 nur um 12 Prozent gesunken.

«Handel muss tiefere Preise weitergeben»

Die Aktionen sind hier miteinberechnet. Coop und Migros begründeten die Differenz von über 20 Prozent gegenüber SRF mit höheren Energie- und Transportkosten, die die Verarbeitung des Schweinefleisches verteuern würden.

«10vor10» liess auch Preisüberwacher Stefan Meierhans zu Wort kommen. Dieser war mit den Antworten der beiden Detailhändler nicht zufrieden. Wenn der Unterschied zwischen Produzenten- und Konsumentenpreis so gross ist, müsse man sich fragen, ob der Konsument zu seinem Recht kommt: «Ich erwarte vom Detailhandel, dass er diese Preissenkungen weitergibt», so die Forderung des Preisüberwachers. Man müsse sich fragen, ob hier der Wettbewerb noch spiele.

Die Migros dementiert, bei Bio-Produkten eine höhere Marge zu erzielen.
Migros

Migros dementiert hohe Margen

Kurz vor Weihnachten sollte im Newsletter des Preisüberwachers eine Vorabklärung zu den Margen und Preise des Detailhandels publiziert werden sollen. «Der an dieser Stelle vorgesehene Newsletter-Beitrag zur Vorabklärung des Preisüberwachers zu Preisen und Margen im (Bio-)Detailhandel entfällt vorderhand aufgrund von rechtlichen Abklärungen», hiess es aber dann im Newsletter.

Die Migros, die angeblich dahinter stecken sollte, wies damals den Vorwurf überhöhter Margen zurück. Am 24. Dezember 2022 sagte sie gegenüber der Nachrichtenagentur sda,  die heutige Marge liege bei der Migros bei 2,3 Prozent (Gewinn zu Umsatz). Die Brutto-Marge bei Bio-Produkten entspreche im Durchschnitt in etwa jener von konventionellen Lebensmitteln. Je nach Produkt könne es Unterschiede geben. Die Differenz zwischen Produzentenpreisen und Konsumentenpreisen im Label-Bereich erkläre sich damit, dass auch bei der Verarbeitung und dem Handel höhere Kosten für Label-Produkte entstehen würden, so die Migros.

14 Produkte verglichen

2021 wurden in der Schweiz mit Bio-Lebensmitteln 4 Milliarden Franken Umsatz erzielt. Gemäss Bio Suisse entfielen davon 1,65 Mrd. Fr. auf Coop und 1,25 Mrd. Fr. auf die Migros. Die beiden Unternehmen realisierten so zusammen einen Marktanteil von 72,4 Prozent. Nun hat der Preisüberwacher am Freitag, 27. Januar, seinen Bericht über die Margen bei Bio-Produkten doch noch veröffentlichen können.

Er ist der Meldung zu «missbräuchlichen Preise des Detailhandels bei Bio-Lebensmitteln» nachgegangen. In einem ersten Schritt hat der Preisüberwacher Meierhans die sechs grössten Detailhändler in der Schweiz um Auskunft über ihre Margengestaltung allgemein bei landwirtschaftlichen Produkten aus dem Bio-Segment sowie um Daten zu 14 Produkten (je Bio und konventionell) der vergangenen Jahre ersucht. Das Bio-Produkt wies dabei in 4 von 5 Fällen eine höhere Bruttomarge auf.

Spürbarer Widerstand

Aufgrund der ersten Ergebnisse der Auswertung der erhaltenen Daten hat er gewisse Detailhändler in einem zweiten Schritt um die Aktualisierung ihrer Daten um ein weiteres Jahr bis Sommer 2022 ersucht. «Aus diversen Gründen haben die Unternehmen dies jedoch abgelehnt», heisst es im Bericht des Preisüberwachers.

Im Zuge seiner Analyse hat der Preisüberwacher «trotz des spürbaren Widerstands gewisser Unternehmen» ausgewählten Detailhändlern auch einen Vorschlag zur Selbstverpflichtung bezüglich der Ausgestaltung der Bio-Margen vorgelegt.

Den Vorschlag von Preisüberwacher Stefan Meierhans lehnten die Detailhändler ab. Dieser will das Thema Margen bei Lebensmitteln unter ständiger Beobachtung weiterverfolgen.
Adi Lippuner

Lösungsvorschlag abgelehnt

Da die Konsumenten durchschnittlich einen Bio-Preisaufschlag zwischen 10 und 30 Prozent akzeptieren würden, schlug er vor, dass absolut keine höheren Margen [Beträge in Fr./kg, Fr./Liter oder Fr./Stück] verrechnet werden, solange der prozentuale Bio-Preisaufschlag mehr als 20 Prozent beträgt.

Höhere Netto-Margen bei Bio-Produkten wären demnach nur zulässig, solange diese nicht mehr als 20 Prozent teurer wären als ihr korrespondierendes konventionelles Produkt. Bedauerlicherweise seien die eingeladenen Unternehmen zu dieser mit Preissenkungen verbundenen Zusage nicht bereit, hält der Preisüberwacher fest.

Landwirtschaft: Ziele vom Bundesrat lassen sich nicht erreichen

Der Anteil der Landwirtschaftsbetriebe, der unter Verwendung spezifischer öffentlich-rechtlicher und privater Nachhaltigkeitsprogramme besonders umwelt- und tierfreundlich produziert, soll gemäss Bundesratszielen um einen Drittel wachsen. «Es ist jedoch unklar, wie die passende Nachfrage zu diesem zusätzlichen Angebot geschaffen werden soll, solange die Margenfrage ungeklärt bleibt», folgert der Preisüberwacher.

Zu wenig Wettbewerb

Der Preisüberwacher hat die Nettomargen der Schweizer Händler mit den Margen aus den Niederlanden verglichen. Dort sind die Nettomargen in % vom Verkaufspreis gemessen bei den Bio-Produkten ohne Ausnahme tiefer. In der Schweiz ist dies bei gut einem Viertel der Produkte nicht der Fall.

Das Fazit des Preisüberwachers fällt deutlich aus: «Das ist ein Indiz dafür, dass das wenig wettbewerbsintensive Umfeld in der Schweiz dazu beiträgt, dass Bio-Produkte stärker verteuert werden, weil sie eine extra hohe Marge zu tragen haben.».

Muss der Staat regulierend eingreifen?
SB

Braucht es eine Regulierung?

Meierhans wirft nun die Frage auf, ob im Schweizer Detailhandel von einer Situation mit kollektiver Marktbeherrschung auszugehen sei, wie sie ähnlich auch in Neuseeland beobachtet werden könne. Dieses Konzept gründe in der Annahme, dass in einem hochkonzentrierten oligopolistischen Markt die (in der Schweiz zwei) führenden Unternehmen sich «ihrer gegenseitigen Abhängigkeit und insbesondere der Nutzlosigkeit von aggressiven Unternehmensstrategien bewusst sind».

Demzufolge stelle sich die Frage, ob es in der Schweiz eine Regulierung wie in Neuseeland brauche, um gerade auch im Bio-Bereich zu hohe Margen zu verhindern. «Reichen das Preisüberwachungsgesetz und die Verhaltensvorschriften im Kartellgesetz aus, um gerade auch im Bio-Bereich zu hohe Margen zu verhindern?», schreibt der Preisüberwacher im Bericht.

Mit diesem Zwischenbericht seien mehrere offene Fragen aufgeworfen worden, hält Meierhans fest. Um diese zu beantworten, werde der Preisüberwacher das Thema unter ständige Beobachtung stellen und weiterverfolgen.

Ständerat will mehr Transparenz

Der Ständerat nahm im Dezember das Postulat «Wettbewerbssituation im Lebensmittelmarkt» an und will damit mehr Transparenz schaffen.

«Vor dem Hintergrund der starken Konzentration im Schweizer Agrar- und Lebensmittelmarkt – insbesondere im Detailhandel – wird der Bundesrat beauftragt, in einem Bericht die Wettbewerbssituation in diesem Markt zu analysieren und zu bewerten, heisst es im Postulat. Der Bericht soll darlegen, ob zusätzliche Instrumente notwendig sind, um mögliche negative Auswirkungen dieser Konzentration zu dämpfen. 

Wettbewerbskommission soll eingreifen

Die Preise und Margen im Bio-Handel in der Schweiz seien nicht nur zu hoch, sondern auch äusserst intransparent, kritisiert der Konsumentenschutz in einer Mitteilung. Auch der Preisüberwacher habe grosse Schwierigkeiten, mehr Transparenz zu schaffen. Da der Preisüberwacher anders als die Wettbewerbskommission (Weko) keine Bussen verhängen könne, müsse die Weko der Migros und Coop auf die Finger schauen.

Es könne nicht sein, dass die beiden Grossverteiler weiterhin ungestört den Markt aufteilen und von Konsumentinnen und Konsumenten überhöhte Preise verlangen könnten. Der tiefe Marktanteil der Discounter im Detailhandel führe dazu, dass sich Coop und Migros 80 Prozent der Gesamtumsätze aufteilten, hohe Gewinnmargen abschöpften und auch deswegen regelmässig enorme Jahresgewinne auswiesen.

Tierschutz fühlt sich bestätigt

Der Schweizer Tierschutz (STS) hat bereits mehrmals die Margen von Coop und Migros beim Label- und Biofleisch kritisiert. Die jüngste STS-Studie zum Label-Fleischmarkt von Mitte November kommt zum Schluss, dass die Marktmacht im Detailhandel im Label-Fleischmarkt zu fehlendem Wettbewerb führt. Es seien in erster Linie ökonomische Gründe, weshalb der Anteil von Tierwohlprodukten im Laden bei 12 Prozent stagniert. Die Studie kritisiert die ausserordentlich hohen Preisunterschiede zwischen Label- bzw. Bio-Fleischprodukten und Fleisch-Standardprodukten.

Stefan Flückiger, stellvertretender Geschäftsführer des Schweizer Tierschutzes, übte im Dezember 2022 scharfe Kritik an der verhinderten Publikation. «Wir gehen davon aus, dass nun im Hintergrund ein Machtkampf stattfindet zwischen mächtigen Marktakteuren, die keine Transparenz wollen, und dem Preisüberwacher. Da dürfte massiv Druck ausgeübt werden», so Flückiger zu schweizerbauer.ch.

Die Veröffentlichung des Berichts ist für Flückiger eine Bestätigung der Aussage der Tierschutz-Studie. Die Marktstruktur im Einzelhandels sei in der Schweiz in viel stärker konzentriert. Coop und Migros inklusive Denner hätten einen Marktanteil von rund 80 Prozent. Dies führe zu höheren Margen. «Der Bericht des Preisüberwachers bestätigt die Aussage des Tierschutzes, dass bei der heutigen Preisschere zwischen Bio-/Label- und konventionellen Produkten die «Tierwohlkrise» im Fleischabsatz nicht beseitigt werden kann», so Flückiger.

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