Immer mehr Studien zeigen, dass unsere Lebensmittel viel teurer sind als das, was auf dem Preisschild steht. Denn im Preis nicht berücksichtigt sind die Umweltschäden, die bei der Herstellung eines Produkts anfallen, oder die Gesundheitskosten, die durch den Verzehr ungesunder Lebensmittel entstehen.
Diese «unsichtbaren» Kosten zahlt die Gesellschaft dann über Steuern, Krankenkassenbeiträge oder durch die Folgen des Klimawandels.
Kampagne in 2’150 Penny-Märkten
Der deutsche Discounter hat zusammen mit Hochschulen letzten Sommer eine Kampagne durchgeführt , bei der genau diese «wahren» Kosten berücksichtigt wurden. Während einer Woche hat Penny in allen seinen landesweit 2'150 Märkten neun Produkte zum «wahren» Preis angeboten. Jetzt liegen die Analysen dieser Kampagne vor. Die an der Kampagne beteiligte Technische Hochschule Nürnberg hat sie in einer Medienmitteilung präsentiert.
Interessant ist, dass Konsumentinnen und Konsumenten stark dazu motiviert wurden die teureren Produkte zu kaufen, weil sie wussten, dass der Erlös an das Projekt „Zukunftsbauer“ gespendet wird. Ein Projekt, das einen Beitrag zum Klimaschutz und zum Erhalt der familiengeführten Bauernhöfe im Alpenraum leistet.
Konventionelle Produkte mit grössten Aufschlägen
Für den Versuch wurden 9 Produkte ausgewählt: vier Bio-Produkte (Joghurt, Maasdamer, Mozzarella und Würstchen), einen Joghurt aus regionaler Produktion, Maasdamer, Mozzarella sowie Würstchen aus konventioneller Produktion und ein veganes Schnitzel.
Wenig überraschend gab es die prozentual grössten Preisaufschläge bei konventionellen Produkten. So habe sich der Preis für den konventionellen Maasdamer fast verdoppelt. Der Bio-Mozarella hingegen sei nur rund 50 Prozent teuer angeboten worden. Beim veganen Schnitzel betrug der Aufschlag gar nur 5 Prozent, heisst es in der Mitteilung. Und die konventionellen Würstchen wurden auf diese Weise teurer als die Bio-Würstchen.
Das sind die zwei wesentlichen Erkenntnisse aus der Kampagne:
- für die meisten Kundinnen und Kunden ist ein Preisaufschlag, der ökologische Folgekosten der Lebensmittelproduktion abdeckt, zu teuer
- eine Kampagne zu den «wahren» Preisen von Lebensmitteln hilft massgeblich, das Bewusstsein der Menschen dafür zu stärken
Wachsendes Bewusstsein
Während der Untersuchung wurden insgesamt 2’255 Teilnehmende unmittelbar vor und nach der Kampagne befragt sowie Verkaufszahlen der Woche analysiert. Zwei Drittel der Befragten bekundeten nach der Kampagnenwoche gewachsenes Bewusstsein um das Thema, heisst es in der Mitteilung. Jeder Dritte traute der Kampagne zu, eine politische Debatte auszulösen. Nach der Kampagne sei jedoch der Zuspruch für eine politische Umsetzung solcher «wahren» Kosten wieder kleiner geworden.
Auch wenn die Ergebnisse etwas ernüchternd scheinen, hätte die Kampagne einen wichtigen gesellschaftlichen und politischen Diskurs ausgelöst. Über 1'200 Presse-Artikel seien dazu veröffentlicht worden. Auch hätten 59 Prozent der Teilnehmenden erst über die Medien von dieser Aktion erfahren. Und von diesen 59 Prozent hat nur jeder Dritte vorher bei Penny eingekauft.
"Ganz klar: Dem Discounter geht es wohl vor allem darum, das eigene Image aufzupolieren. Eine leicht durchschaubare PR-Aktion." Die Meinung von @nadbader zur Aktion "Wahre Kosten" von #Penny. (red) pic.twitter.com/0PXSM3A5Di
— tagesthemen (@tagesthemen) July 31, 2023
Von «Bauern-Zuschlag» motiviert
Kundinnen hätten die Produkte mit den höheren Preisen vor allem gekauft, weil sie diese Produkte immer kauften (93 Prozent), aber auch weil sie ein Interesse an Themen der Nachhaltigkeit haben (86 Prozent). Die Verknüpfung mit der Spende an das Projekt Zukunftsbauer sei ein weiterer starker Grund gewesen (83 Prozent).
Die Auswertung der Verkaufszahlen im Vergleich mit Referenzzeiträumen hätte ergeben, dass die Verkäufe der Aktionsprodukte in der Woche grundsätzlich gesunken seien, jedoch nicht so stark, wie bei so grossen Preisaufschlägen zu erwarten war. Bei den Bio-Produkten sei der Umsatz weniger stark gesunken als bei den konventionell hergestellten Lebensmitteln. Sie erinnern sich: bei den Bio-Produkten waren auch die Aufschläge geringer. Beim vegangen Produkt (nur 5% Aufschlag) sei der Umsatz sogar gestiegen.
Spende an «Zukunftsbauer»
Die Mehreinnahmen aus dieser Kampagne, also die Differenz zwischen dem «normalen» Verkaufspreis und den wahren Kosten spendete Penny an das Projekt «Zukunftsbauer». Diese Spende belief sich immerhin auf umgerechnet rund 350'000 Franken. Und das in nur einer Woche.
Das Fazit der Technischen Hochschule Nürnberg lautet: „Diese Studie ermöglicht eine völlig neue Qualität der Diskussion über die Umweltfolgekosten. Es findet allerdings bei der Kundschaft unverändert keine Differenzierung der Folgekosten zwischen Produkten statt. Hier muss wohl noch weiter gesellschaftsfähige Bildungsarbeit geleistet werden, um aufzuzeigen, welche Produkte nachhaltiger sind als andere. Wir denken, dass wahre Preisschilder zu diesem Verständnis beitragen können.“
-> Hier können Sie das Interview nachlesen, das der «Schweizer Bauer»-Chefredaktor im August 2023 mit einem Professor für Wirtschaftsforschung zu diesem Thema geführt hat. Die Kampagne sei eine «mutige Intervention», hiess es.