/fileadmin/images/logo.svg

Artikel werden durchsucht.

Laborfleisch: Kein Schlachten, aber umstritten

Echtes Fleisch, ohne dass ein Tier sterben muss. Klingt wie Science-Fiction, könnte aber schon bald Alltag sein.

awp |

Man stelle sich vor: Steaks, Burger, Speck und Würste – ohne Emissionen und Tiertransporte. Stattdessen wachsen tierische Zellen in Bioreaktoren zu Fleisch heran. Doch es gibt Widerstände – auch aus der Politik.

Marktreife in «etwa in zwei Jahren»

Kultiviertes Fleisch gilt in der Schweiz als «neuartiges Lebensmittel». Damit darf es bisher nicht einmal zu Testzwecken verkostet werden. Die Detailhändler Migros und Coop treiben die Entwicklung dennoch voran.

Die Migros Industrie ist etwa an den israelischen Start-ups Aleph Farms und SuperMeat beteiligt, die Coop-Tochter Bell an Mosa Meat aus den Niederlanden. Einzig Aleph Farms erhielt bislang eine behördliche Zulassung – in Israel. Die «Aleph Cuts» sind dort aber noch nicht im Detailhandel erhältlich.

Bis zur Marktreife in der Schweiz dürfte es also noch dauern. Aleph Farms und Mosa Meat haben entsprechende Anträge eingereicht. «Die Zulassung wird voraussichtlich etwa zwei Jahre dauern», sagt Bell der Nachrichtenagentur AWP.

Hackfleisch als erstes Produkt

Zunächst dürften einfache Produkte wie Hackfleisch oder Beef-Strips aus dem Bioreaktor kommen. Erste Produkte werden dann wohl in der Gastronomie lanciert, um die Kundenakzeptanz zu testen. Danach könnte der Detailhandel folgen.

«Am Ende muss der Konsument überzeugt sein», sagt Ralph Langholz auf Anfrage. Er forscht für die Migros Industrie an alternativen Proteinquellen und ist Vizepräsident der Swiss Protein Association, die sich für bessere Rahmenbedingungen für alternative Proteine einsetzt.

Zwei Drittel lehnen Laborfleisch ab

Vielen in der Schweiz erscheint kultiviertes Fleisch als «unnatürlich» – während konventionelles Fleisch oft als «natürlich» gilt. Zwei Drittel lehnen laut einer GDI-Studie Laborfleisch ab. Bei unter 40-Jährigen und Leuten mit Nachhaltigkeitsbewusstsein ist die Zustimmung höher. Langfristig könnte sich ein Meinungsumschwung abzeichnen – wenngleich Frauen skeptischer sind als Männer.

«Es ist wichtig, kultiviertes Fleisch nicht auf Klischees zu reduzieren», so Langholz. Häufig stehe die Künstlichkeit im Vordergrund – Stichwort «Fleisch aus der Petri-Schale». Laut ihm sollte man stattdessen die Chancen betonen: Nachhaltigkeit, Tierwohl, Innovation. Auch Käse oder Bier seien Resultate technologischer Prozesse wie Fermentation. «Da käme aber auch niemand auf die Idee, diese auf eine Petri-Schale zu reduzieren.»

SVP-Nationalrat will Verbot

Auch in der Politik regt sich Widerstand. SVP-Nationalrat Pierre-André Page forderte jüngst gar ein Verbot von kultiviertem Fleisch. In Italien ist es bereits verboten – zum Schutz der «traditionellen» Küche. Dabei kam die Tomate – ein Symbol der Küche Italiens – erst vor 500 Jahren nach Europa. Sie bräuchte heute als «Novel Food» eine Zulassung.

Es geht aber auch ums Geld. «Die Produktionskosten sind derzeit noch höher als bei konventionellem Fleisch», sagt Langholz. Mit Skalierung und Fortschritt dürften sie aber sinken.

Zu viele Nutztiere

Zudem gibt es in der Schweiz für die Tierhaltung Direktzahlungen. Es geht also auch um gleich lange Spiesse. Und gerade für die Bauern könnte Tierhaltung langfristig zum Problem werden, sagen Experten. «Die Schweiz hat wegen ihrer Agrarpolitik einfach zu viele Tiere», sagt Urs Niggli. Er gilt als einer der grössten Experten für biologische Landwirtschaft und als Vordenker für nachhaltige Ernährungssysteme.

Über Jahrzehnte seien die Tiere mit importiertem Futter versorgt worden. «Die Schweiz ist in Europa Spitzenreiter beim Stickstoffeintrag», so Niggli – mit Folgen für Biodiversität und Klima. Laborfleisch könnte hier entlasten, meint er.

Symbiose statt Konkurrenz

Kultiviertes Fleisch könnte laut Migros-Forscher Langholz auch helfen, die Abhängigkeit von Importen zu verringern. Gleichzeitig hält er Ängste, die Produkte könnten die Landwirtschaft verdrängen, für «übertrieben». Auch Agrarwissenschaftler Niggli meint, dass Milchwirtschaft und Weidemast bestehen bleiben: «Da ist die Schweiz führend.»

«Zudem wäre denkbar, dass der Landwirtschaft eine Schlüsselrolle in der Produktion von kultiviertem Fleisch zukommt», so Langholz. Was wie ein Widerspruch klingt – Hightech-Fleisch und traditionelle Landwirtschaft – könnte fruchtbar sein. Bauern könnten etwa Rohstoffe liefern oder selbst Produktionsstätten betreiben.

«Perfektes Fleisch»

Ob kultiviertes Fleisch in fünf oder zehn Jahren Alltag sein wird, bleibt offen. Für Niggli sind Alternativen zur klassischen Landwirtschaft aber unumgänglich. Der Klimawandel verändere die Grundlagen stark: Wasserhaushalt, Temperatur, Biodiversität. «Da könnten wir froh sein, Lebensmittel in Bioreaktoren herstellen zu können.»

Und wer weiss – wie Langholz sagt: «Vielleicht können wir einst das perfekte Fleisch designen – besser im Geschmack und nachhaltiger.» Kultiviertes Fleisch wäre damit mehr als nur eine Alternative, führt er aus.

Kommentare (2)

Sortieren nach:Likes|Datum
  • Freidenker | 28.07.2025
    Bin sicher; bei COOP und Migros stehen die Regale schon bereit !
  • Gesunder Menschenverstand | 17.07.2025
    Wer die Nahrung hat, hat die Kontrolle über die Menschen.
    Der Plan: Die Bauern ausschalten, sind ja alles Umweltvergifter, Rinder furzen das Klima kapput, etc.
    Das Ziel die " gesunde", "CO2 freie" Nahrung aus der Fabrik.
×

Schreibe einen Kommentar

Kommentar ist erforderlich!

Google Captcha ist erforderlich!

You have reached the limit for comments!

Das Wetter heute in

Umfrage

Schaut Ihr «Bauer, ledig, sucht»?

  • Ja klar, verpasse keine Folge:
    23.35%
  • Nein, interessiert mich gar nicht:
    44.16%
  • Nicht immer, aber ab und zu:
    15.74%
  • Zappe nur selten rein:
    6.09%
  • Früher schon, nun nicht mehr:
    10.66%

Teilnehmer insgesamt: 394

Zur Aktuellen Umfrage

Bekanntschaften

Suchen Sie Kollegen und Kolleginnen für Freizeit und Hobbies? Oder eine Lebenspartnerin oder einen Lebenspartner?