Der Umsatz von Bioprodukten stagniert zwar, lag aber 2022 bei 3,8 Milliarden Franken. Womit dieser Umsatz generiert wird, sind jedoch nicht die biologisch angebauten Gemüse oder Früchte an sich, sondern die Produkte, welche die Industrie damit herstellt.
Grosser Absatzmarkt
Bei der industriellen Verarbeitung von Rohprodukten gehen jedoch essenzielle Nährstoffe verloren. Ein übermässiger Konsum von hoch industriell verarbeiteten Produkten gilt gar als Mitverursacher für Zivilisationskrankheiten wie Krebs, Übergewicht und Diabetes. Brändli relativiert. Denn für den Biolandbau stellen solche industriell gefertigten Produkte eben auch einen grossen Absatzmarkt dar.
Wie kann und darf es aber sein, dass industriell hergestellte Produkte, wie Chips oder Chäschüechli, überhaupt das Bio-Label tragen dürfen? Diese Frage hat sich die Sendung «Kassensturz» gestellt und auch eine Antwort gefunden: Die verschiedenen Bio-Organisationen haben beschlossen, einen Grossteil der industriellen Verarbeitungstechniken zu akzeptieren, die für konventionelle Produkte verwendet werden. Bio-Suisse Präsident Urs Brändli geht in einem Interview auf Kritikpunkte ein.
Nährstoffqualität nimmt ab
Bei der industriellen Verarbeitung werden durch verschiedene Prozesse die Rohprodukte, wie Kartoffeln oder Rüebli teils stark verändert. Die Qualität des Lebensmittels nimmt ab. Wertvolle Nährstoffe, wie Vitamine, Nahrungsfasern oder Antioxidantien gehen verloren. Dem Biogemüse werden dadurch aber auch Zusatzstoffe, Aromen und Konservierungsstoffe hinzugefügt.
So sind bei den Bio-Rösti-Kroketten eines Grossverteilers neben den Kartoffeln noch rund ein Dutzend weitere Zusatzstoffe enthalten. Und je länger diese Liste ist, desto stärker wurde der Rohstoff verarbeitet und also von seinem ursprünglichen Zustand entfernt.
Urs Brändli sieht in den industriell verarbeiteten Bioprodukten einen wichtigen Absatzmarkt.
Bio Suisse
Bio-Produkte mit langer Zutatenliste
Konsumentinnen und Konsumenten meinen, dass wenn eine Knospe auf einem Produkt ist, dass sie sich dann auch gesund ernähren würden. Dies sei aber nicht der Fall, stellt der «Kassensturz» Urs Brändli zur Rede. Für Brändli ist jedoch sicher, dass dies mit jedem Knospenprodukt, das zu 100% aus Bioprodukten besteht, auch gewährleistet sei, auch wenn diese industriell verarbeitet wurden.
Sogleich wird Brändli damit konfrontiert, dass die Zutatenliste von Bioprodukten gelegentlich sogar länger sei als jene von vergleichbaren konventionellen Produkten. Und eine lange Zutatenliste ist ein starkes Indiz für eine hohe industrielle Verarbeitung. In Bioprodukten seien aber nicht mehr Zusatzstoffe enthalten, sondern es werden bei industriell verarbeiten Bioprodukten einfach mehr Zusatzstoffe deklariert, sagt Brändli. Dadurch würde die Knospen-Organisation eine vollkommene Transparenz gewährleisten, so Brändli weiter.
Der «Schweizer Bauer» verweist diesbezüglich auf Artikel 12, Absatz 1 des Bundesgesetzes über Lebensmittel und Gebrauchsgegenstände (LMG): «Wer vorverpackte Lebensmittel in Verkehr bringt, muss den Abnehmerinnen und Abnehmern über das Lebensmittel Folgendes angeben : das Produktionsland, die Sachbezeichnung, die Zutaten .»
Um gesunde Nahrungsmittel besorgt
Letztlich sind also alle Lebensmittelproduzenten zu dieser Transparenz verpflichtet. Um sein Argument der Transparenz zu bestärken, nennt Brändli dann das Beispiel der Mayonnaise. Diese enthält auch Senf. Während bei der konventionellen Mayonnaise nur «Senf» als Zutat steht, werden bei der Bio-Mayonnaise die Inhaltsstoffe dieses Senfs aufgeschlüsselt (Wasser, Obstessig, Senfkörner, Kochsalz, Rohrzucker, Kurkuma). Dies würde die Liste der Zutaten automatisch verlängern, so Brändli.
Auf die Frage, ob Konsumentinnen und Konsumenten denn nicht erwarten dürften, dass in den Bio-Produkten überhaupt keine Inhaltsstoffe enthalten sein sollten, erwidert Brändli, dass sich verarbeitete Produkte ohne Zusatzstoffe nicht verkaufen liessen. Während konventionelle Produkte bis zu 350 Zusatzstoffe enthalten dürfen, sind bei Knospen-Produkten jedoch nur 32 solcher Stoffe erlaubt. «Dies zeigt, dass wir darum besorgt sind, dass auch verarbeitete Produkte weiterhin möglichst gesund sind», sagt Brändli.
Brändli weisst auch darauf hin, dass diese Zusatzstoffe, die auch als E-Nummern angegeben werden, nicht zwingend chemischer oder künstlicher Art sein müssen. Denn auch bei einem biologischen Produkt seien nur biologische Zusatzstoffe erlaubt. Gesundheitlich seien diese Zusatzstoffe unbedenklich.
Hoch verarbeitete #Lebensmittel: Der häufige Verzehr von industriell hergestellten Lebensmitteln, die reichlich Salz, Zucker und Zusatzstoffe enthalten, kann viele chronische Erkrankungen - wie Typ-2-Diabetes - begünstigen, so verschiedene Studien ➡️ https://t.co/Q4u6AiZKCCpic.twitter.com/jdvx5bxLWG
— BZfE (@bzfe_de) September 27, 2022
Grosser Umsatzkanal
Doch auf solche industriell verarbeiteten Bio-Produkte zu verzichten sei jedoch keine Option, so Brändli weiter. Denn um den biologischen Anbau zu fördern, braucht es auch einen Absatzkanal, also eine Nachfrage. Und da die Tendenz besteht, dass immer weniger Menschen immer seltener selbst kochen, genügt es nicht mehr, nur auf biologische Rohprodukte zu setzen.
«Es ist wichtig, dass sich der Biolandbau auch modernisiert, aber vernünftig», sagt Brändli. Und so gelte es, sich an die Nachfrage der Konsumentinnen und Konsumenten anzupassen. Denn auch mit einer gesundheits- und umweltbewussten Einstellung sollte man sich gelegentlich eine Tüte Pommes Chips gönnen dürfen. Und dabei sollte man eben auch die Wahl haben zu Bio-Chips greifen zu können.
Urs Brändli schliesst mit einem Appell an gesundheitsbewusste Konsumentinnen und Konsumenten: Wer sich gesund ernähren will, kauft frische, regionale und biologische Produkte ein, hauptsächlich Früchte und Gemüse, mit denen dann selbst etwas gekocht wird. In gesundheitlicher Hinsicht machen sich hier die biologisch angebauten Rohstoffe dann besonders bemerkbar.
Hier können Sie den ganzen Beitrag vom «Kassensturz» nachsehen.
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