Im Herbst kommen die meisten Kälber zur Welt, und das Angebot an Tränkern übersteigt die Nachfrage. Nebst dem saisonal grossen Angebot spielt die fehlende Nachfrage eine Rolle, denn der Konsum von Kalbfleisch sinkt. Dementsprechend sind die Tränkerpreise unter Druck
Teils in den Schlachthof
Christian Probst, Vorsitzender der Geschäftsleitung von Anicom, sagt gegenüber «Schweizer Bauer», dass die Nachfrage hinter dem Angebot zurückbleibe, was eine zunehmende Herausforderung darstelle. Trotz der schwierigen Marktlage sei es Anicom aber bisher gelungen, fast alle Tränker in der Kälberoder in der Grossviehmast unterzubringen.
Jedoch geht ein kleiner Teil der Tränker laut Probst aufgrund von Qualitätsgründen auch direkt in die Verarbeitung. Sprich, in die Schlachtbetriebe. «Jeder Tränker, der nicht auf den Markt kommt, trägt zur Entlastung bei», so die Einschätzung von Probst. Er ergänzt, dass ein ausgeglichener Markt von grosser Bedeutung für das Vertrauen der Konsumentinnen in die Schweizer Landwirtschaft sei.
Zu viele Masttypen
Das Überangebot betreffe insbesondere männliche und weibliche Mastrassenkälber, die auf den Geburtsbetrieben nicht mehr abgeholt werden könnten, sagt ein Marktakteur, der anonym bleiben möchte. Das Problem liege zurzeit nicht mehr beim Preis, sondern darin, dass die Kälber schlichtweg keinen Platz fänden.
Besonders herausfordernd sei es in seiner Region, reine Simmentaler-Tränker in der Grossviehmast zu platzieren, da diese Kälber eine längere Mastdauer und eine geringere Fleischausbeute aufweisen würden, was laut Aussagen von Mästern wenig attraktiv sei. Er rät den Geburtsbetrieben, die Kälber selbst abzutränken. Die verbreitete Einstellung sei derzeit jedoch: «Lieber die Milch verkaufen als vertränken.»
Weniger Fresser
Ein anderer Grund für die aktuelle Marktlage ist laut einem weiteren Marktkenner, dass viele Betriebe sich zunehmend spezialisieren würden, entweder auf die Kälbermast oder auf die Milchproduktion. «Bäuerliche Kälbermäster gibt es immer weniger, und was fehlt, sind spezialisierte Betriebe, die Fresser produzieren», stellt der Marktkenner fest.
Als Fresser werden Kälber mit einem Alter ab 160 Tagen für die Weitermast bezeichnet. Die Aufzucht der Kälber erfordere zwar viel Aufmerksamkeit, aber gut durchgeführt, könne sie bei einem grossen Angebot an Tränkern auf dem Markt sehr interessant sein.
Zu teuer für Kälbermast
In der Milchviehzucht werde zunehmend gesexter Samen und Mastrassengenetik verwendet, wodurch mehr Kälber mit Mastrassenabstammung geboren würden als die Rindermast benötige, sagt Heinz Minder von den Schweizer Milchproduzenten SMP. Diese Tiere würden vermehrt in die weniger wertschöpfende Kälbermast verkauft.
Ein Marktakteur der Kälbermast sagt dazu: «Es war absehbar, dass die Kälbermäster nicht mehr bereit sind, die Tränkekälber als Selbstverständlichkeit in den Wintermonaten zu übernehmen bzw. zu mästen. Die Mäster haben in den vergangenen Jahren zu viel Geld verloren.» Dabei kommt erschwerend hinzu, dass die aktuellen Preise für Schlachtkälber rund einen Franken pro Kilo tiefer sind im Vergleich zu früheren Jahren.
Qualität ist massgebend
Ein Milchproduzent berichtet, dass er seine Mastrassenkälber noch gut absetzen könne, aber von seinen Nachbarn würden immer mehr Betriebe ihre Kälber behalten und selbst zu Fressern mästen, da sie weniger Milch liefern dürften und ohnehin Überschüsse an Milch produzierten. Dieser Produzent hat sich bewusst dafür entscheiden, dass seine Kühe im Sommer kalben, um dem saisonalen Überangebot entgegenzuwirken und von höheren Preisen zu profitieren. Weiter stellt er so sicher, dass er in den ersten drei Monaten des Jahres, in denen er weniger Milch liefern darf, keine Überproduktion erzeugt.
Einigkeit herrscht unter den Marktteilnehmern darin, dass die Milchproduzenten möglichst viele Tränker selbst abtränken und Mastkälber oder Mastremonten produzieren sollten. Und dass sie nur gesunde und genug schwere Tiere auf den Markt liefern sollten. Ob der Markt in den kommenden Wochen das Angebot an Tränkern noch aufnehmen kann, wird sich zeigen.