Der Schweiz droht laut SVP-Nationalrätin Magdalena Martullo-Blocher eine Stromlücke. Aus diesem Grunde müssten bestehende Atomkraftwerke weiter betrieben und langfristig ein neues AKW gebaut werden, sagte Martullo-Blocher in einem Interview mit dem «Blick».
Mit Photovoltaik, Wasserkraft oder Stromimporten aus der EU könne die Stromlücke nicht geschlossen werden. Die Schweiz könne es sich nicht erlauben, die Atomkraftwerke (AKW) abzustellen und damit ein Drittel der Stromproduktion zu verlieren.
Laufzeit verlängern
Bundesrätin Simonetta Sommaruga müsse jetzt die Verantwortung übernehmen und das Problem der Stromlücke lösen. Sie müsse mit den AKW-Betreibern die sichere und effiziente Verlängerung der Laufzeit von bestehenden Kernkraftwerken ausarbeiten.
Eine Verlängerung um zehn Jahre wäre laut Experten möglich, so Martullo-Blocher weiter. Bei einer Konzession gehe man von einer Laufzeit von 50 Jahren aus. Das letzte AKW würde 2035 vom Netz gehen. Das wäre in der Stromherstellung morgen.
Gaskraftwerk während Übergangszeit
Die Verlängerung der Laufzeiten werde etwas kosten. Im Vergleich zu den Stromausfällen, die sonst die ganze Schweiz lahmlegen würden, sei das wenig. Zusätzlich müsse Sommaruga mit der EU verhandeln. Dann sehe man schnell, ob die EU Strom liefern könne.
Als Rückfallposition müsse die Bundesrätin wohl oder übel ein Gaskraftwerk vorbereiten. Langfristig kämen neue Technologien wie die Geothermie, Wasserstoff aber auch die Kernkraft wieder in Betracht. Die Schweiz sei schon heute schon heute beim Industriestrom das drittteuerste Land in Europa.
«Schweiz 2022 Nettoimporteur»
«Ich glaube nicht, dass das Volk eine grosse Stromlücke, eine mangelnde Versorgung wie in Entwicklungsländern oder wieder ins Mittelalter zurückfallen möchte. Bundesrätin Simonetta Sommaruga muss dies nun an die Hand nehmen», fordert Martullo-Blocher gegenüber «Blick». Die Schweiz werde bereits 2022 zum Nettoimporteur.
Die Unternehmerin wird auch auf die Endlagerung angesprochen. «Die lokale Entsorgung des radioaktiven Abfalls ist noch ungelöst. Offenbar sind die Skandinavier bereit, Endlager zu übernehmen», fährt sie fort. Wo genau das neue AKW zu stehen kommen soll, sagt sie nicht.
Für Grüne absurd
Die Grünen halten die Forderung für ein neues AKW «absurd». Die Schweiz müsse jetzt vorangehen und die Anstrengungen für den Ausbau der erneuerbaren Energien verstärken, schrieb der Grüne Thurgauer Nationalrat Kurt Egger in einer Stellungnahme. Dafür habe sich auch die Stimmbevölkerung mit ihrem Ja zur Energiestrategie 2050 ausgesprochen, hielt Egger als Mitglied der parlamentarischen Kommission für Umwelt, Raumplanung und Energie fest.
Ein neues AKW trägt laut Egger nicht zu einer schnellen Energiewende bei. Bis es Strom produzieren könne, würden Jahrzehnte vergehen. Auch bringe ein AKW ein grosses Sicherheitsrisiko mit sich, und das Abfallproblem sei und bleibe nach wie vor ungelöst.
In der Schweiz werden derzeit vier AKW betrieben – Beznau I und II, Leibstadt und Gösgen. Ende 2019 ging das Atomkraftwerk in Mühleberg BE vom Netz. Wann genau die anderen Atommeiler im Rahmen des Ausstiegs aus der Atomenergie abgeschaltet werden, ist offen. Der Bund lancierte Gespräche mit den Betreibern über deren Pläne für eine mögliche längere Laufzeit.
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