Einzelne Bären und Wölfe machen Schlagzeilen, doch heimlich findet in Schweizer Gewässern eine Massen-einwanderung statt: So ist etwa der Anteil der einge-schleppten Tierarten unter den Wirbellosen auf dem Basler Rheingrund auf über 95 Prozent angestiegen, vor allem wegen der Körbchen-muschel.
Den grössten Anteil an der Biomasse der zugewanderten Tiere, der so genannten Neozoen, hat die aus Asien eingeschleppte Körbchen-muschel corbicula fluminea. Sie war schon vor den Eiszeiten in Europa verbreitet, dann aber verschwunden, bis erste Individuen 1980 in Westfrankreich und Portugal auftauchten, 1985 im holländischen Rhein und 1994 in Basel.
10’000 Muscheln pro m2
Heute ist die bis drei Zentimeter grosse Corbicula mit ihren gerippten dicken Muschelschalen das dominante Lebewesen am Basler Rheingrund: Teils leben bis zu 10’000 Individuen pro Quadratmeter. Inzwischen breitet sie sich auch in grossen Schweizer Seen aus, und Nachweise häufen sich aus Flüssen wie Aare und Reuss.
Corbicula, die in Sand und feinem Kies lebt, kann sich zwar mit ihrem «Fuss» langsam fortbewegen, doch ihr eigener Radius erlaubt keine solch explosionsartige Ausbreitung. Also reist sie per Trittbrett: Winzige Jungmuscheln sind noch klebrig und haften etwa gut an Zugvögeln, Schiffswänden oder Fischereimaterial.
Hafen-Muschel
Eine im Oktober publizierte Studie der Basler Biologin Stephanie Schmidlin und anderen Forschenden nennt menschliche Mobilität zwischen Gewässern als wahrscheinlichsten Verbreitungsweg. Überdies werden Körbchenmuscheln in Zoohandlungen angeboten, was Larven in Abläufe bringen kann. Auffälligerweise finden sich die Corbicula-Bestände auch in den meisten Seen, von Boden- über Rot- bis Genfersee, meist bei Häfen oder in Schiffskanälen.
Die Invasion hat für den Lebensraum Folgen, auch wenn Corbicula keine einheimischen Tiere frisst und bisher selber - ausser Bisam und Welsen - offenbar kaum als Futter dient. Sie verdrängt an geeigneten Standorten andere Muscheln, und ihre harte Schale bietet weiteren Tieren Halt, die alleine nicht im Sand leben könnten.
Im AKW-Kühlwasserzulauf wohl
Badende stört Corbicula mit ihrer abgerundeten Schale kaum, doch industrieller Nutzung von Gewässern kann sie in die Quere kommen. Zwar hat sie keine Haft-Fäden (»Byssus») wie etwa Miesmuscheln und kann daher keine Wände und Stäbe besiedeln, doch wenn sie massenhaft auftritt, kann sie dennoch zum Problem werden.
Zum Beispiel muss das Kernkraftwerk Leibstadt - wo Corbicula seit 2007 ein Thema ist - sicherheitshalber die Muscheln regelmässig aus seinem Wärmetauscher entfernen. Zudem befreit das KKL seine Kühlwasserfassungen im Rhein von Sand, der als Lebensraum geeignet ist. Den Aufwand bezifferte eine Sprecherin auf rund 50’000 Franken pro Jahr.
Landet die Muschel bald auf dem Teller?
Verhindern kann man die Corbicula-Zuwanderung nicht, weil ihre freischwimmenden Larven so winzig (250 Mikrometer) sind, dass ausreichend feine Filter für grössere Durchlaufvolumina kaum zu machen sind. Überdies ist Corbiclua recht robust; sie erträgt auch bescheidene Wasserqualität und ein breites Temperaturspektrum.
Corbicula hat in der Schweiz ihre Nische gefunden und sich eingenistet - die Muschel «bringt man nicht mehr weg», hält Schmidlin fest. Ein Fressfeind könnte Corbicula indes hier erwachsen: Ein asiatische Restaurant in Basel hat sie gefragt, ob sie Muscheln zur Bereicherung der Menukarte beschaffen könnte.


