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«Initiative will Tierbestand reduzieren»

blu/sda |

 

Der Nationalrat hat am Dienstag mit der Debatte über die Massentierhaltungsinitiative begonnen. Diese will das Tierwohl sowie Regeln für den Import von tierischen Produkten in der Verfassung verankern. Im Nationalrat hat sie kaum eine Chance.

 

Vollumfänglich hinter die Initiative stellten sich nur die Grünen. «Wenn wir als Menschen Tiere halten und essen, sind wir verantwortlich, dass wir ihnen ein dem Tierwohl entsprechendes Leben ermöglichen», sagte Meret Schneider (ZH), die auch Mitinitiantin der Initiative ist.

 

Ein Schwein sei bezüglich Empfindungsfähigkeit und kognitiver Leistungsfähigkeit einem Hund überlegen. Es möchte sich bewegen, spielen, sein Sozialverhalten ausleben, führt sie aus. «Dennoch sehen weniger als 50 Prozent der Schweine bis zu ihrem Schlachttag nie den freien Himmel, geschweige denn ein Schlammbad. Man stelle sich vor, wir würden heute Golden Retriever so halten, wie wir das mit unseren Schweinen tun», hielt sie fest. 

 

 

«Tierhaltung wie in der Werbung anstreben»

 

«Oder möchten wir, dass ein Masthuhn in 30 Tagen hochgemästet wird, so dass es sich nicht mehr auf den eigenen Beinen halten kann?», sagte Schneider.  27’000 Hühner würden in konventionellen Masthallen gehalten. «2 bis 4 Prozent davon sterben bereits, bevor sie ihr Schlachtgewicht erreicht haben. Die anderen können nach zwei Wochen kaum mehr auf ihren eigenen Beinen stehen, weil sie so schnell Fleisch ansetzen müssen», so Schneider.

 

Die Zürcherin kritisiert die Fleischwerbung. Diese würden ein Bild zeigen, das nicht existiere. Man können den Konsumierenden nicht verübeln, dass sie denken, den Schweinen und den Hühnern ginge es tatsächlich so, wie das in den Videos gezeigt wird. «Aber alle in diesen Werbungen präsentierten Betriebe würden den Anforderungen der Initiative entsprechen Wir sollten in Bezug auf die Bauern in den Videos endlich Taten folgen lassen und dafür sorgen, dass die Tierhaltung in der Schweiz tatsächlich so aussieht, wie es dort gezeigt wird», fordert Meret Schneider.

 

Würde der Tiere respektieren

 

«Nur 7 Prozent der Masthühner in der Schweiz sehen jemals die Sonne. Die anderen sind in ihrem kurzen Leben, in ihrem sehr kurzen Leben, in Masthallen von 12 000 oder mehr Tieren eingesperrt. Rund 4 Prozent aller Masthühner verenden schon vor dem Schlachthoftermin an Krankheiten oder an Schwäche», sagte Regula Rytz (Grüne/BE). Diese Situation habe nichts mit der Idylle zu tun, die die mit Steuergeldern bezahlte Fleisch- und Milchproduktewerbung heute verspreche.

 

Es seien die kleinen Höfe, in denen die Tiere tatsächlich Familienanschluss haben, wie das Markus Ritter gerne erzählt würden. Die Würde der Tiere müsse besser respektiert werden, sagte Rytz. Genau das ermögliche die Initiative.

 

 

Die Massentierhaltungs-Initiative und auch die beiden Gegenvorschläge seien eine Einladung an die Bäuerinnen und Bauern, die Weichen mit den Konsumentinnen und Konsumenten und dem Handel zusammen neu zu stellen. «in Richtung Zukunft und in Richtung Nachhaltigkeit, und zwar nicht in einer Hauruckübung, sondern mit einem 25-jährigen Zeithorizont» so Rytz weiter.

 

Die Volksinitiative «Keine Massentierhaltung in der Schweiz (Massentierhaltungsinitiative)» will die Massentierhaltung verbieten und die Würde der Tiere in der Landwirtschaft in die Verfassung aufnehmen. Dafür sollen Anforderungen festgelegt werden, die mindestens denjenigen der Bio-Suisse-Richtlinien von 2018 entsprechen. Die Initiative verlangt ausserdem Vorschriften für den Import von Tieren und tierischen Erzeugnissen.

 

Kaum Unterstützung für Initiative

 

Ausserhalb der grünen Fraktion fand die Initiative kaum Unterstützung. Zwar beteuerten die Rednerinnen und Rednern, wie wichtig das Tierwohl sei. Die FDP und die Mitte aber sind etwa der Ansicht, dass die bestehenden Regelungen bereits ausreichend für ein hohes Tierwohl sorgen würden und die Schweiz die strengsten Tierschutzregeln weltweit habe.

 

Am vehementesten wehrten sich Vertreter der SVP gegen die Initiative, die teilweise selber einen Landwirtschaftsbetrieb haben oder die Bäuerinnen und Bauern in der Wählerschaft vertreten. «Bauern stellen qualitativ hervorragende Produkte her für die Bevölkerung», sagte etwa Fraktionssprecher Marcel Dettling (SVP/SZ). 

 

«Initiative will Tierbestand reduzieren»

 

Die Initiative wolle den Tierbestand in der Schweiz reduzieren. «Gemäss Botschaft des Bundesrates heisst das beim Rindvieh minus 45’000 GVE. Für die meisten hier im Saal heisst das nicht viel. Aber wenn man das genauer betrachtet, entspricht das beim Rindvieh 112’000 Tieren, die ein oder zwei Jahre alt sind. 112 000 Stück Jungvieh fehlen nachher auf unseren Alpweiden. Nachher haben wir Alpen, die verganden», kritisiert Dettling.

 

Auch das Geflügel treffe es hart. Beim Geflügel sei in der Botschaft des Bundesrates eine Reduktion um 20’000 GVE ausgewiesen.  «Als Folge müssten beispielsweise fünf Millionen zusätzliche Hühner importiert werden – aus Ländern mit Grossbetrieben», sagte Dettling. Er schliesst daraus, dass die Initiative auf Importe setze, was wiederum nicht dem Willen des Parlaments und der Bevölkerung entspreche.

 

Die Schweiz habe praktisch die tiefen Obergrenzen der Welt. «Bei den Kälbern maximal 300 Stück, bei den Schweinen maximal 1500 Stück, bei den Legehennen maximal 18 000 Stück. Das erscheint als viel. Aber wenn wir über die Grenze schauen, so gibt es in Deutschland Betriebe mit 600’000 Legehennen pro Betrieb», so Dettling.

 

 

«RAUS-Geld fällt weg»

 

Bei den Kühen würden in der Schweiz weniger als 1 Prozent in Betrieben mit Herden von mehr als 100 Stück gehalten. In Deutschland lebten 75 Prozent in Herden, die grösser als 100 Stück seien. Bei einer Annahme der Initiative werde es auch Auswirkungen auf die Raumplanung. «Mit der Initiative müssen wir dann aber 22’000 neue Gebäude ausserhalb der Bauzone errichten, damit wir überhaupt wieder das Niveau von heute erreichen», warnt Dettling.

 

Dettling äussert sich auch zum direkten Gegenentwurf: «Dieser sieht vor, dass das RAUS-Programm (regelmässig Auslauf im Freien) obligatorisch wird, und das macht vor allem den Bauern in den Berg- und Hügelregionen zu schaffen. Beim Rindvieh machen heute 87 Prozent der Bauern beim RAUS-Programm mit. Total sind dafür 300 Millionen Franken reserviert.» Wenn das Programm obligatorisch werde, dann falle dieses Geld weg. «Sie bestrafen damit die Bergbauern stark, weil der Bund die Beiträge nicht mehr bezahlt, wenn etwas obligatorisch wird», warnt Dettling.

 

«Dumping-Entrecôte» aus Uruguay

 

Dass sich die SVP nicht für diese Initiative erwärmen lässt, ist wenig überraschend. Doch nicht einmal die SP und die GLP stellten sich komplett hinter das Anliegen. Sie unterstützten zwar die Stossrichtung, sagten Martina Munz (SP/SH) und Jürg Grossen (GLP/BE).

 

Munz wies darauf hin, dass es insbesondere bessere Preise für die Prozenten und ein Ende bei den Dumping-Preisen beim Fleisch brauche. Sie verwies darauf, dass ihr kürzlich bei einem Grossverteiler ein «uruguayisches Dumping-Entrecôte» angeboten worden sei, das «angeblich aus Weidehaltung» stamme und erst noch mit CO2-kompensierten Flugkilometern beworben worden sei. Das gehe nicht. «Die weltweite Preisdrückerei geht zulasten des Tierwohls; deshalb wären Importauflagen im Gegenentwurf wichtig. Ob mit Deklarationsvorschriften die einheimische Produktion vor Billigimporten aus tierquälerischer Haltung geschützt werden kann, ist allerdings fraglich», sagt Munz.

 

Beide Parteien wollten aber entweder einem direkten oder indirekten Gegenvorschlag Vorrang geben. «Werden diese Minderheitsanträge abgelehnt, so wird ein Teil der Fraktion der Initiative zustimmen», sagte Munz.

 

GLP will Deklarationspflicht

 

Einen direkten Gegenentwurf hat der Bundesrats bereits vorgelegt, da auch ihm das Volksbegehren zwar zu weit geht, er allerdings zentrale Aspekte in einen Gegenentwurf aufnehmen will – konkret die tierfreundliche Unterbringung, den regelmässigen Auslauf und die schonende Schlachtung von Nutztieren. Der Bundesrat verzichtet aber etwa auf die Verankerung der Bio-Richtlinien und Importregelungen.

 

Aus diesem Grund schlug GLP-Präsident Grossen vor, den Gegenvorschlag mit einer direkten Deklarationspflicht zu ergänzen. Diese soll für den Import von Tieren und Tierprodukten zu Ernährungszwecken gelten. «Abklärungen haben ergeben, dass die Schweiz mit einer solchen Deklarationspflicht zum Beispiel bei den Eiern sehr gute Erfahrungen gemacht hat», sagt Grossen. Zudem sollen die an die Tierart angepassten Gruppengrössen und Bestimmungen für einen besseren Umweltschutz aufgenommen werden.

 

Indirekten Gegenvorschlag

 

«Ein Gegenvorschlag müsse doch möglich sein», fand auch der Berner Grünen-Nationalrat Kilian Baumann. Er empfiehlt seinen Ratskollegen, das Geschäft noch einmal zurück in die Kommission zu nehmen, um den bundesrätlichen Gegenentwurf noch etwas abzuschwächen. «Wir würden diesem Gegenentwurf in der Kommission etwas die Zähne ziehen und ihn danach dem Parlament vorlegen», schlägt er vor.

 

«So können wir dann im März über einen auf Gesetzesstufe geregelten Kompromiss des Kompromisses befinden», so Baumann. Er bringt auch die IG Detailhandel, die Swiss Retail Federation und die Vereinigung der Schweizerischen Milchindustrie ein. Diese unterstützen einen indirekten Gegenvorschlag. «Damit unterstützt eine breite Koalition, die vom Tierschutz über den Handel bis zu den Konsumentinnen und Konsumenten geht, diesen Rückweisungsantrag», erklärt Baumann.

 

 

Baumann: «Müssen uns weiterentwickeln»

 

Der Schweizer Bauernverband verkenne die Zeichen der Zeit. Über das Niveau des Tierschutzes werde in allen westlichen Ländern diskutiert. «In den meisten gibt es auch Verbesserungen, insbesondere in unseren Nachbarländern. Ein Stillstand in der Schweiz käme damit eigentlich einem Rückschritt gleich», sagte Baumann. Für die Schweizer Landwirtschaft sei es zentral, dass sie sich mit ihren Produkten gegenüber Importprodukten abheben kann. «Um bei den Besten zu sein, müssen wir uns auch weiterentwickeln und in den nächsten 25 Jahren einen Schritt vorwärtsgehen», so Baumann weiter.

 

Da der Handlungsbedarf beim Tierwohl nicht bestritten könne, werde jetzt mit der Zeit argumentiert, sagt er weiter. Die Gegner sagen, dass es aus zeitlichen Gründen nicht mehr reicht, einen indirekten Gegenentwurf zu beschliessen. «Wir definieren hier aber, wie die Schweizer Tierhaltung im Jahr 2047 aussehen soll», so Baumann weiter.

 

Bürgerliche dagegen

 

Für den Gegenvorschlag, wie ihn der Bundesrat ausgearbeitet hat, setzte sich Samuel Bendahan (SP/VD) ein. Damit sichere der Bundesrat, dass die «absolut minimalsten Grundregeln» in der Verfassung verankert würden. «Wie kann man da dagegen sein?», fragte er.

 

Die FDP, SVP und Mitte wollen sich aber auch gegen jeglichen direkten oder indirekten Gegenvorschlag aussprechen. So dürfte es nicht nur die Initiative, sondern auch ein möglicher direkter oder indirekter Gegenvorschlag schwierig haben. Die Debatte wird am Mittwoch fortgesetzt.

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